Montag, 30. April 2007

Veränderung der Lebensumstände in den Nuba Bergen


Erstmals wurden die Menschen in den Nuba Bergen durch Leni Riefenstahl bekannt, die in den 60er Jahren zwei hervorragende Bildbände erstellte. Über Google kann man auf die Homepage der verstorbenen Fotografin kommen und sich einen Eindruck vom romantischen Afrika der damaligen Zeit verschaffen.
Der Gründer von Cap-Anamur, Rupert Neudeck, schaffte es dann 1999 die Politiker Heiner Geißler und Norbert Blüm zu einem aben-
teuerlichen Fußmarsch in die Berge zu bewegen. Mit dieser Werbeaktion sollte auf die Problematik des Konflikts im Südsudan aufmerksam gemacht werden, was auch halbwegs gelang. In einem weniger geglückten Buch wurde die Romantik in den Nuba Bergen beschrieben und auch die freundlichen Menschen, die nur für Seife und Lebensmittel Lasten für das Krankenhaus herbeischafften.
Dann wurde der Bürgerkrieg heftiger und bis an das damalige Krankenhaus in Kauda herangetragen, es wurde sogar bombardiert.
Aus diesem Grunde wählte man die Berge um den Ort Lwere aus, wo Cap-Anamur seit dieser Zeit das einfache medizinische Zentrum betreibt, das schon lange die Funktion eines Bezirkskrankenhauses erfüllt.

Seit 2004 gibt es, nach 22 Jahren Krieg, einen tragfähigen Waffenstillstand zwischen der südsudanesischen Rebellenarmee (SPLA) und der Zentralregierung in Khartoum. 2011 soll in einem Referendum entschieden werden, ob sich das Land teilt oder der Sudan das flächenmäßig größte Land Afrikas bleibt. Einzig und allein finanzielle Erwägungen, hervor gerufen durch große Erdölfunde im Südsudan, haben die Parteien an den Verhandlungstisch gebracht und lassen den jetzigen Waffenstillstand zu. Nun haben die Kriegsparteien Zeit, das Öl zu fördern, Geld zu verdienen und wieder aufzurüsten. Erst nach 2011 wird sich zeigen, was dieser vorübergehende Frieden für eine Bedeutung hat. Das verbrecherische Regime in Khartoum kann inzwischen seinen Vernich-
tungsfeldzug in Dafour weiterführen, eben auch mit den neuen Geldmitteln.

Die Menschen in den Nuba Bergen versuchten zunächst einmal ihr Leben so weiter zu führen, wie sie es seit Jahrhunderten kannten, was aber immer schwerer wird. Die Armee hat zum ersten Mal Geld und zahlt einen regulären Sold. Plötzlich wollen alle jungen Männer Soldaten werden. Daher schickt man die Soldatinnen heim, große Umstrukturierungen finden statt. Das hereinkommende Geld verteuert zwangs-
läufig das Leben. Die kapitalistische Markt-
wirtschaft funktioniert perfekt. Da die Männer wieder regelmäßig zu Hause sind, steigt schnell die Bevölkerungszahl. Durch das Missverhältnis Männer zu Frauen (weniger Männer) und den muslimischen Glauben ist Polygamie zwangsläufig. Kinder dominieren das Bild in den Dörfern und machen die größte Zahl unserer Patienten aus.

Geld weckt Begehrlichkeiten, die Kriminalität steigt. Auch bei uns im Krankenhaus wird gestohlen, so z. B. ganze Betten mit Matratzen, OP Schuhe - ich operiere jetzt in Badelatschen - auch unsere Spendendosen werden von Patienten geplündert. Der Alkoholismus ist ein zunehmendes Problem, und damit verbunden steigen auch die Gewaltdelikte. Gestern musste ich einen jungen Mann nach einer Messer-
stecherei in ein anderes Krankenhaus verlegen. Die OP zum Stoppen der Blutung habe ich mir nicht zugetraut. Ob der Patient den Transport überlebt hat, weiß ich nicht. Mit dem Geld kommt die Prostitution, die Geschlechtskrank-
heiten und dann HIV/AIDS.

Durch die Verteuerung des Lebens müssen auch die Gehälter unseres Personals angehoben werden, was das Erfordernis zusätzlicher Geldmittel aus Deutschland bedeutet. Für Seife und Lebensmittel arbeitet heute niemand mehr. Noch haben wir genügend Personal, doch Cap-Anamur zahlt auf unterstem Niveau im Vergleich zu anderen NGOs. Gäbe es andere Alternativen für die Angestellten, würden sie diese sicher nutzen.

Am meisten Sorgen macht mir aber die Umwelt. Durch den Krieg wurde schon viel zerstört. Jetzt kommen immer mehr Flüchtlinge zurück in ihre Dörfer. Sie haben ein anderes Leben kennen gelernt, andere Menschen und Kulturen. Sie wollen nicht mehr in Lehmhütten wohnen. Sie roden die wenigen Bäume, um damit Öfen zur Ziegelgewinnung zu befeuern. So werden auch bald die tollen Affenbrotbäume diesem Vor-
gehen zum Opfer fallen. Sie erinnern mich, auch jetzt in der Trockenzeit, an die Urkraft, die dieser Kontinent einmal gehabt haben muss. Ich liebe Bäume und diese ganz besonders. Leider sehe ich sie nicht mehr im Grün, denn meine Abreise steht bald bevor. Ich hoffe aber, dass die Menschen selbst ein Einsehen haben oder vielleicht ihre Miniwerkzeuge den Bäumen nichts anhaben können. Irgendwann, vielleicht sogar bald, werden aber die Kettensägen anrücken, die alles klein bekommen.

So ist die Zeit der Romantik in den Nuba Bergen Vergangenheit. Ich hoffe, dass nicht nur mir diese Erkenntnis gedämmert ist, sondern auch den Verantwortlichen in den Organisationen und Regierungen. Die Menschen brauchen Hilfe, die angemessen ist. Wie man "angemessen" definiert, darüber kann man allerdings lange diskutieren.

Euch allen eine schöne Woche

Euer Klaus

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