Sonntag, 15. April 2007

Local treatment













Ich hatte gerade ein sehr langes Gespräch mit UN- und zwei sudanesischen Polizisten. Der Grund sind unverhältnismäßig viele Todesfälle von Kindern und einigen Erwachsenen, die von traditionellen Heilern irgendwelche Wurzelsäfte zu trinken bekommen, an denen sie nach etwa drei Tagen schwer erkranken und nicht therapierbar versterben. Es ist nicht heraus-
zubekommen, wo die Medizin verabreicht wird und wer es tut. Die Eltern verneinen zuerst immer die Frage nach „local treatment“, erst wenn man heftiger wird, bekommt man verlässlichere Auskünfte.

So habe ich in den letzten drei Monaten sechs sterbende Kinder gebracht bekommen.
Symptome: hohes Fieber, das auch kaum auf Paracetamol reagiert, eingeschränkte Atmung, die wie eine schwere Pneumonie imponiert, dann zerebrales Koma, in dem die Kinder dann auch versterben. Wenn es länger dauert, ist ein Nierenversagen die Todesursache.
Alles, was ich versucht habe, blieb stets erfolglos, ich habe keinen Patienten retten können. Es ist sicher ein Dosis/Wirkungs-
problem, da in dieser Schwere fast nur Kinder betroffen sind und mir auch nicht klar ist, wie viele Kinder nach so einer Behandlung zu Hause sterben.

Mit unterschiedlichen Erkrankungen suchen die Menschen traditionelle Heiler auf. Ich weiß nichts über die Ausbildung oder Qualifikation dieser Medizin praktizierenden Nubier. Sie arbeiten sehr im Verborgenen und werden nie mit Namen genannt, sie wollen keine Kontakte zu Ärzten. Ich sehe nur die Auswirkungen ihrer Medizin, dann, wenn die Kranken zu uns kommen oder gebracht werden.

Die traditionelle Medizin ist eher eine brachiale und hat wenig mit dem zu tun, was ich von der Arbeit von Schamanen in Asien gesehen habe. Außerdem lassen sie sich ordentlich bezahlen, was die Familien der Kranken mitunter sehr belastet.

Gegen Durchfall entfernt man zum Beispiel die Eckzähne, gegen Gelbsucht (am ehesten Hepatits A oder E, eine selbst limitierende Virusinfektion) brennen sie über der Leber oder verletzen die Haut in anderer Weise. So findet man fast bei jedem Patienten irgendwelche Narben im rechten Abdominalbereich. Wo immer es weh getan hat, findet man solche Narben.

Ich bin sicher kein Gegner einer traditionellen Medizin, sondern fand es immer spannend mich mit diesen Heilern zu unterhalten und auch von ihnen zu lernen. Ich halte diese Form der über-
lieferten Medizin jedoch für so tödlich und verstümmelnd, dass ich mich entschlossen habe, offizielle Wege zu gehen, damit das Problem bekannt wird und die Menschen wissen, was sie sich und ihren Kindern antun, denn es scheint niemand daran gelegen zu sein, diesen Men-
schen das Handwerk zu legen oder zumindest mit ihnen zu reden. Die örtlichen Gesundheits-
verantwortlichen kümmern sich nicht um das Problem, sie sind eher an Statistiken interessiert, mit denen sie in den Ministerien dann angeben können, mit Leistungen, an denen sie nie mitgewirkt haben. (Werde ich nach solchen Daten gefragt, wende ich den suda-
nesischen Weg der Verweigerung an, indem ich ihnen sage: „Sorry, our printer is not working, but you can have a CD“ in der Kenntnis, dass sie keinen Rechner besitzen. Das ist aber ein anderes Thema.)

Das Bild zeigt Euch die Kinder, die primär gefährdet sind. Sie leben in Dörfern, die weit von uns entfernt liegen. Die Eltern gehen dann zu diesen Heilern in Ermangelung anderer Alternativen, es ist aber in vielen Fällen eine tödliche oder sehr schmerzhafte Alternative.

Ich grüße alle und hoffe, dass der Frühling Euch mehr Licht und Wärme bringt. Hier habe ich genug davon und sehne, wie alle Menschen um mich herum, die Regenzeit herbei. Alle Brunnen um uns herum sind trocken, und wir holen unser Wasser täglich aus einem Ort, vierzig Minuten mit dem Auto entfernt. Unsere Nachbarn müssen das zu Fuß erledigen.

Noch ein Nachtrag: gestern musste ich den 10. Kaiserschnitt durchführen, als Krönung gab es eine Sterilisation dazu, die für mich wiederum die erste war.

Bis zum nächsten Mal
Euer Klaus

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