Montag, 21. September 2009

Ghana und seine Geschichte



























Liebe Freunde,

nun ist schon meine sechste Woche in Eikwe angebrochen, die Zeit vergeht wie im Fluge. Heute werde ich nicht über meine Arbeit berichten, sondern versuchen etwas über Kultur und Geschichte Ghanas zu vermitteln. Anlass war ein traditionelles Fest, Kundum genannt, zu dem mich der deutsche Botschafter Ghanas eingeladen hatte. Dr. Marius Haas hatte am Tag zuvor das Krankenhaus besucht, und so ergab sich für mich eine fabelhafte Gelegenheit unmittelbar die Hauptbeteiligten des Festes kennenzulernen, den Omanhene von Lower Axim Awulae Atibrukusu III (siehe Foto) und sein Gefolge.

Bis zum Jahr 1471 hatte Westafrika noch keinen weißen Mann gesehen. In diesem Jahr landeten die Portugiesen als erste Europäer an der westafrikanischen Küste. Das war nicht unbedingt gewollt, denn eigentlich suchten die Seefahrer einen Weg um Afrika herum, Richtung Osten, um einen lukrativen Handel mit Asien zu beginnen. Sie hatten keine Idee, was sie von Afrika zu erwarten hatten. Die arabischen Länder im Norden Afrikas waren ihnen bekannt, sie wussten, dass es die Sahara gab, die aber bis dato kein Weißer durchquert hatte. Von dem, was weiter südlich lag, hatten sie keine Vorstellungen.
Die Stadt Elima, die nicht weit entfernt von Eikwe liegt, war der erste Stützpunkt der Portugiesen. Sie bauten dort ein Fort mit der Erlaubnis des dort regierenden Chiefs, auch Omanhene genannt. Das Fort wurde vor allem zur Seeseite abgesichert, da man nur von dort Gefahr erwartete. Die Festung ist heute noch zu besichtigen, da dieser Ort durch den Sklavenhandel zu trauriger Berühmtheit gelangte.

Ghana war zum Ende des 15. Jahrhunderts eine Art Monarchie mit lokalen Führen in jedem Dorf. Die Bevölkerungsgruppe der Akan, mit einem König in Kumasi, war die politisch und militärisch stärkste Ethnie. Die Könige wurden aus der mütterlichen Linie gewählt, sie konnten abgewählt werden aber auch das Amt ablehnen, wenn sie ihre Gründe dafür hatten oder nach einigen Dienstjahren zurücktreten wollten.
Die Omanhene waren sogenannte Unterfürsten, die jedoch zur Familie gehörten. Das System setzte sich bis zu den lokalen Chiefs in den jeweiligen Dörfern fort. Die Machtkompetenzen waren entsprechend verteilt. Dieses Herrschaftssystem hat sich bis in die heutige Zeit erhalten.
Ghana ist seit 1953 eine Demokratie mit einem gewählten Präsidenten und einem Parlament, das die politische Macht hat, die traditionellen Fürsten sind aber nicht unbedeutend in diesem System. Sie haben z. B. Einfluss auf das Wahlverhalten ihrer Leute, sie wollen bei wichtigen Entscheidungen gefragt werden und haben ihren eigenen Rat, in dem sie sich absprechen können. Sie besitzen Land und sind für das Wohl ihrer Untertanen zuständig. Die Untertanen melden sich, wenn ihnen etwas nicht passt.
Der Chief von Eikwe hat dem Krankenhaus hier das Grundstück offiziell überschrieben. Ihm war wichtig, dass die Schwestern die Arbeit in Eikwe fortführen, als es um Erweiterungsbauten ging.
Einige der lokalen Chiefs sind allerdings nicht besonders klug und sehr kurzsichtig in ihren Entscheidungen, besonders dann, wenn sie nur auf den eigenen Vorteil aus sind. Die soziale Kontrolle funktioniert jedoch, die Menschen fordern häufig die Abdankung oder belegen den Chief mit einem Fluch, der manchmal mit dem Ableben des Betroffenen endet.
Auf höherer Ebene sieht das schon anders aus. Awululae III. hat in den USA Jura studiert und ist ein gebildeter Mensch, der wie ein Maschi-
nengewehr und sehr emotional reden kann. Wenn man ihn in seinem traditionellen Kostüm mit all dem Gold sieht, wie er in der Menge agiert und seine Macht demonstriert, dann kann man sich den modernen Menschen darunter nicht vorstellen. Vor 500 Jahren haben die Herrscher wohl kaum anders ausgesehen.
Zurück zu den Portugiesen. Sie haben sich wenig um Eroberungen oder Ähnliches im Land bemüht, sie haben sich um den Handel gekümmert und die Erkundigungen einigen Priestern im Rahmen der Missionierung überlassen. Die Potugiesen waren zahlen-
mäßig nur eine kleine Gruppe von Männern, die allerdings reichlich Mischlinge gezeugt haben. Manchmal sieht man noch etwas hellhäutigere Menschen in unserem Einzugsgebiet.
Die Portugiesen entdeckten, dass es unter anderem auch Gold im Lande gibt und entsprechend richtete sich der Handel aus. Der Name Gold Coast wurde geprägt, und weitere Geier waren bald im Anflug. 1530 kamen die Engländer, 1542 die Franzosen, dann die Holländer, die 1637 das Fort in Elima kurz und klein schossen und die Portugiesen hinauswarfen. Selbst Dänemark und Schweden haben sich in Ghana sehen lassen. 1665 war die Zeit der Holländer allerdings vorüber, und die Engländer übernahmen das Kommando. Sie legten sich auch mit dem Königreich der Ashanti an und erlitten zwei verlustreiche Niederlagen, trotz moderner Waffentechnologie. Sie blieben jedoch Kolonialmacht bis zur Unabhängigkeit Ghanas im Jahre 1953.

Die Portugiesen begannen den Sklavenhandel, erstaunlicherweise importierten sie aber zunächst Sklaven, um die Salzproduktion in Elima zu intensivieren. Mit dem Salz und anderen Produkten aus Europa finanzierten sie den Goldhandel. Etwa 10% des damaligen Weltaufkommens an Gold kam aus Ghana und machte somit die portugiesische Krone reich. Dann rückte aber der Sklavenhandel in den Focus der Europäer.
Man muss dabei sagen, dass die Sklaverei keine europäische Erfindung war. Durch die kriege-
rischen Auseinandersetzungen der einzelnen afrikanischen Stämme untereinander haben die Sieger immer die Besiegten als Beute betrachtet und mit ihnen verfahren, wie sie es wollten. Mitunter geschah das auch friedlich, es entstanden Lebensbeziehungen, die die Gräuel der uns bekannten Geschichten vermissen ließen. Erst der transatlantische Handel ließ die versklavten Menschen zur Ware werden. Dieser Handel war aber nur mit Hilfe der Afrikaner möglich. Sie jagten die Menschen, überfielen friedliche Dörfer und verkauften die Gefangenen an die Europäer. Es war für die Chiefs ein einträgliches Geschäft. Mitunter verkauften sie sogar eigene Stammesangehörige, wenn die Jagd nicht erfolgreich gewesen war. Die Sklaven wurden unter anderem mit Waffen bezahlt.
So hat England z.B. im 17. Jahrhundert jährlich 100.000 Gewehre nach Afrika verkauft. Mit diesen Gewehren wurden in Kriegen mit den Afrikanern auch Engländer erschossen. (So etwas kommt einem bekannt vor, siehe die USA und Afghanistan.) Mit Ende des 18. Jahrhun-
derts war dann Schluss, der Sklavenhandel wurde weitestgehend beendet und dann auch von den meisten europäischen Staaten verboten. Ich weiß nicht genau, wie viele Menschen Afrika verlassen haben, jedoch erreichten lediglich 50% der gefangenen Menschen ihre Bestimmungs-
ziele lebend. Ein wirklich trauriges Kapitel der Menschheitsgeschichte.

Wie ich schon erwähnte, versuchten die Engländer mit der Eroberung des Landes die Kolonialisierung voranzubringen. Das bedeutete, die unbedingte Macht im Lande zu erlangen, so wie sie es auch in anderen Teilen der Welt getan hatten, um den maximalen Profit aus dem jeweiligen Objekt zu ziehen. Dabei wurde kaum versucht die traditionellen Strukturen und Systeme zu tolerieren, was die vorherigen Partner der Chiefs noch getan hatten. Diese Haltung kostete die Engländer einige Niederlagen, denn die kriegerischen Ashanti hatten das Klima und die Insekten auf ihrer Seite.
1902 musste das Königreich Ashanti dann doch klein bei geben. Der letzte König Prempreh wurde mit weiteren einflussreichen Menschen ins Exil auf die Seychellen geschickt, ein gefügiger Ashanti an seiner Stelle inthronisiert, damit die Untertanen Ruhe gaben. Jüngere Mitglieder der Königsfamilie erhielten eine Ausbildung in England, wo man sie nach eigener Vorstellung prägen konnte, um sie dann als hilfreiche Vasallen zurück nach Ghana zu schicken.
Des weiteren hatten die Engländer ein System der Korruption eingeführt, das ihnen ein unbeschwertes Handeln ermöglichte. Jetzt war es Zeit das Land zu plündern. Alles von Wert wurde außer Landes geschafft. Die Wälder an der Küste waren die erste Beute. Es war einfach die großen Bäume zu fällen und zu verschiffen.
Heute gibt es nur noch ein kleines Stück Regenwald in unserer Nähe, das jetzt endlich Naturschutzgebiet geworden ist und hoffentlich erhalten bleibt.
Damals wurde der Wald auch gerodet, um im Tagebau Gold zu schürfen. Die Landschaft sieht heute entsprechend aus. Was mich am meisten verärgert ist, dass die Menschen hier in Ghana von dem Erlös dieser Ausbeute nie etwas abbekommen haben. Sie waren und bleiben die Verlierer.
In den Anfängen speiste man die Afrikaner mit für uns unbrauchbarem Zeug ab wie Metalltöpfe und wertlosem Schmuck, aber man bezahlte sie auch mit Waffen. Waffen sind auch noch heute das Zahlungsmittel der ersten Wahl. Vor allem kleine und leichte Maschinengewehre, damit die Kindersoldaten sie auch handhaben können. Es gibt keinen Kontinent auf der Welt, der so von Waffen starrt. Die Konflikte werden dann nicht mehr diplomatisch gelöst, sondern nach dem Gesetz des Stärkeren. Es entstehen Anarchien, und Kriminelle terrorisieren die verbliebenen Menschen und nehmen ihnen das letzte Wenige, vor allem die Menschenwürde. Es sind nicht mehr die einzelnen Waffenschieber, die sich eine goldene Nase verdienen, es sind Länder wie China und Staaten aus der ehemaligen Sowjetunion.
Ich habe bei meiner Arbeit im Sudan diesen Tauschhandel gesehen: sudanesisches Erdöl gegen chinesische Maschinengewehre. Das Perverse dort ist, dass China die potentiellen zukünftigen Kriegsgegner des Sudan mit demselben Material beliefern. Ein besseres Geschäft lässt sich kaum machen.

Wenn denn wirklich einmal Geld in afrikanische Hände fließt, wandert es zu einem großen Teil in die Taschen korrupter afrikanischer Politiker. Häufig machen sie sich nicht einmal die Mühe diese Tatsache zu verbergen. Ich bin immer wieder verwundert über die Geduld, mit der die Menschen diese Tatbestände ertragen. Schaut man auf die Villen am Comer See oder in London, so findet man viele Besitzer aus Afrika, zumeist ehemalige oder noch aktive Politiker. Leider sind deren Bankkonten nicht öffentlich einsehbar, die Milliarden Dollar werden bestens in der Schweiz oder sonst wo gehütet und profitabel verwaltet. Würde man diese Werte zurück nach Afrika zurück transferieren, so könnte man sehr viel für die bedürftigen Menschen verändern. Daran ist aber keiner der Beteiligten interessiert. So bleibt mir die Hoffnung, dass die Menschen in Afrika sich doch irgendwann einmal wehren werden. Die jetzt umfassender werdende Schulbildung, auch für Mädchen in Ghana und die damit verbundene Fähigkeit denken zu lernen, wird sich hoffentlich positiv auf die Entwicklung der Gesellschaft auswirken. Ein erstes Beispiel von Ungehorsam hat in unserer Nähe stattgefunden. Ein australisches Unternehmen wollte Gold im Tagebau gewinnen. Dazu hätten zwei Dörfer umgesiedelt werden müssen. Der Chief eines Dorfes hat dem zugestimmt, gegen seine eigenen Leute, der andere Chief wollte dies nicht. Man ließ den positiv gestimmten Chief verfluchen, und er starb. Vielleicht hat man auch etwas nachgeholfen. Wie auch immer, der neu gewählte Chief ist vorsichtig und hat jetzt auch abgelehnt. Die Australier klagen nun und wollen ihre Projektentwicklungskosten zurück, ca. acht Millionen Dollar. Soviel haben die Dörfer nicht. Dumm gelaufen für die Aussis, gut für die Menschen und die Umwelt. Die Menschen aus den Dörfern hätten in jedem Fall verloren. Es wurde ihnen viel versprochen, sie glauben den Politikern und Konzernen aber nicht mehr.

Um auf meinen Omanhene zurückzukommen:
er berichtete uns von langen Meetings mit ghanaischen Politikern und Konzernmanagern in den vergangenen Wochen. Leider wurde auch vor der Küste von Ghana Öl gefunden. 2011 will man mit der Förderung beginnen. Es ist ihm ein Anliegen, vertraglich festzulegen, wie viel von den Erträgen in dieser Region bleibt, wie viele Arbeitsplätze an Ghanaer vergeben werden, dass Versicherungen abgeschlossen werden etc.
Dieser Anspruch auf vertragliche Regelung ist absolutes Neuland. Der Chief will der Förderung aber nur seinen Segen geben, wenn seine Forderungen erfüllt werden. Er weiß, dass seine Leute auf ihn hören. Ohne seine Zustimmung geht nicht viel. Er fühlt sich seinen Leuten verpflichtet und will keine Korruption dulden. Er ist sehr engagiert und hat uns seine Einstellung entsprechend demonstriert, in der so typischen afrikanischen Art: laut, sich wiederholend und sehr gestenreich.
Ich kenne ihn nicht, diesen Chief, möchte ihm aber glauben. Unser Botschafter hat ihn als sehr integer beschrieben. So hoffe ich, dass er die Wahrheit spricht und sich zu guter Letzt nicht doch noch kaufen lässt.
Leider löst man Schwierigkeiten in diesem Land oft auf eine Art, die für den Kontrahenten letal sein kann. Ich hoffe aber immer noch, dass am Ende das Gute siegt. Ich verstehe darunter ein leichteres Leben für die Menschen in Eikwe, Ghana oder überall dort, wo ich Elend gesehen habe oder das Chaos regiert.

Das Interessante am Reisen, Arbeiten und Leben in fremden Kulturen ist, dass der eigene Horizont erweitert wird und man dabei viel lernt. Ich versuche mich in die Menschen hinein zu versetzen, mich nicht von ihnen getrennt zu sehen. Indem ich Ungerechtigkeiten sehe und fühle, sie benenne, werde ich zu einem Betroffenen und kann einen kleinen Teil zur Lösung beitragen. Solidarität zu bekunden ist ganz schön, es hilft den betreffenden Menschen aber nicht. Erst wenn ihr Problem zu unserem wird, kann durch das Mitfühlen und hilfreiche Taten eine Veränderung eintreten. Wir müssen nicht alle hungern, aber wir müssen uns für den Hunger interessieren.
Das ist der Grund, warum ich immer wieder solche Artikel schreibe. Mittlerweile bekomme ich auch Kommentare von Menschen, die ich nicht persönlich kenne, die mich im Internet gefunden haben. Es gibt mir das Gefühl, dass es immer Interessierte geben wird und ich nicht allein bin mit meiner Sicht der Welt und dass aus Diskussionen, manchmal auch mit sehr konträren Positionen, alle Beteiligten lernen können. Fühlt Euch angesprochen.

Euer Klaus

Samstag, 12. September 2009

Medizin mit Grenzen

Meine lieben Feunde,

schon wieder eine Woche, die wie im Fluge vergangen ist.

Der Nachmittag ist ruhig, nicht nur, was die Arbeit angeht. Das ganze Dorf scheint zu schlafen. Es wird jetzt wärmer, es kommen mehr Fliegen und andere Insekten, es regnet weniger. Die Bar von schräg gegenüber ist seit einigen Tagen geschlossen, und damit ist eine Ruhe eingetreten, die ich kaum für möglich gehalten hätte.

Sehr angenehm und erfreulich, konnte ich dafür heute morgen einer a-cappela Band vor meinem Küchenfenster zuhören. Vier Bauarbeiter saßen auf einem Sandhaufen und haben 30 Minuten gesungen. Dazu haben sie Baueisen, Holz und eine alte Blechdose als Rhythmusinstrumente benutzt. Das war auftrittsreif und hätte in manchem Jazzschuppen begeistert. Meinen Applaus bekamen sie, was die Vier aber eher irritierte. Es war eine nette Abwechslung.

Ansonsten beschäftigt mich im Moment die Tatsache, dass ich Patienten zum Sterben nach Hause schicken muss, die bei uns überleben könnten. Mir ist klar, dass viele Menschen, die in Eikwe sterben, bei uns in Deutschland eine bessere Überlebenschance hätten oder erst gar nicht krank geworden wären, da unsere Lebensumstände denen eines Paradieses entsprechen.
Ich rede im Speziellen von Patienten, die dialysiert werden müssten. Natürlich fallen mir als Nephrologen solche Patienten auf. Frau Köthe meint, dass es die nur gäbe, wenn ich vor Ort sei. Das ist aber sicher eine Fehleinschät-
zung, die nur zeigt, dass Nierenerkrankungen nicht zu den Differentialdiagnosen des Hauses gehören.
Bei meinen ersten Aufenthalten sah ich zumeist junge Leute mit einem akuten Nierenversagen, ausgelöst durch eine schwere Malaria, durch Kräutermedizin oder andere nephrotoxische Substanzen. In dieser Woche wurde ich nun mit dem Problem von chronischem Nierenversagen konfrontiert. Mir wurde ein 16 Jahre alter, völlig überwässerter Patient vorgestellt. Er hatte zusätzlich eine Anämie mit einem Hämoglobin von 4 mg/dl (normal 13-14 mg/dl). Er erkrankte vor 8 Monaten. Weil es ihm so schlecht ging, wurde er in einen sogenannten Healingcom-
pound gebracht. Dort gibt es alle Spielarten von Behandlungen. Was genau mit ihm angestellt worden war, wurde mir nicht berichtet. Mitpatienten erzählten mir später, dass er mit Seilen um die Beine gefesselt wurde, auch der Bauch wurde umwickelt. Dann bekam er eimerweise kaltes Wasser über den Körper geschüttet. Vielleicht wollte man ihn wie einen Schwamm auswringen?
Ich würde gern mal so ein Zentrum sehen. Als Arzt bekomme ich aber keinen Zutritt. Als es dem Patienten immer schlechter ging, brachte man ihn dann doch zu uns. Ich konnte ihn durch Verabreichung von intravenösen Medikamenten noch etwas ausschwemmen, damit erschöpften sich jedoch die Möglichkeiten vor Ort. Wohl gibt es in Accra und Kumasi Dialysezentren, die sind aber teuer und immer ausgelastet. Mir scheint, dass diese Zentren fast nur akute Nierenver-
sagen behandeln. Nun denke ich den ganzen Tag an diesen Jungen und an eine 42 Jahre alte Frau mit dem gleichen Schicksal.
Sie kam aus der Elfenbeinküste und war dort in diversen Krankenhäusern gewesen. Die Familie hatte schon viel Geld für Behandlungen ausgegeben, niemand hatte jedoch die Krankheit diagnostiziert. Der Ehemann war sehr erschüttert von meiner Diagnose und der schlechten Prognose dieser Krankheit. Er wollte Land verkaufen, um seiner Frau zu helfen. Schließlich verstand er jedoch, dass er gar nicht genug Land besitzt, um die lebenslange Behandlung seiner Frau zu bezahlen. Damit hätte er der gesamten Familie die Lebensgrund-
lage entzogen.
Er und zwei Söhne haben der Frau und Mutter noch Blut gespendet, dann sind sie alle gemeinsam gegangen. Die Blutspende war möglich, da die Patientin im Gegensatz zu dem Jungen nicht überwässert war. Der Ehemann wollte sie einfach kräftiger mit nach Hause nehmen und noch ein paar „normale“ Tage mit ihr verleben.

Jeden Tag muss ich mich hier mit dem Sterben auseinandersetzen. Es ist so geballt und hört nie auf. Allein heute Nachmittag wurden 8 Kinder mit Malaria aufgenommen, die eine Blutübertragung brauchten, fünf Kinder kämpfen im Moment gegen ihren Typhus, die Sterberate liegt bei 50%. Manchmal denke ich, dass mir dieses Sterben gar nicht mehr auffällt, dass ich abschalte. Ich gehe an den Müttern vorbei, die ihre Kinder auf dem Schoß sitzen haben, während Blut in die kleinen Körper läuft, ich mag manchmal nicht mehr hinschauen.
Es gibt kaum eine Frau in Ghana, die nicht zumindest ein Kind durch eine dieser Krankheiten verloren hat. Ich denke mir, dass mit jedem Kind auch etwas in diesen Frauen stirbt. Es kann nicht so spurlos an ihnen vorbei gehen, auch wenn es manchmal so scheint. Das ist sicher auch einer der Gründe, dass die Frauen so oft schwanger werden wollen und bei jeder Schwangerschaft immer wieder das eigene Leben aufs Spiel setzen. Dessen sind sie sich sicher bewusst.
Ich bin keine Frau und kann nicht unmittelbar mitfühlen, ich sehe aber immer wieder die traurigen Augen. So kommen Frauen auch häufig als Patienten mit unspezifischen Symptomen zur Aufnahme. Sie benehmen sich, als seien sie todkrank, reagieren nicht auf Ansprache, und ihnen ist egal, was man mit ihnen macht. Sie wollen einfach nur Ruhe haben und stationär aufgenommen werden. Dann liegen sie den ganzen Tag im Bett und genießen, dass man sich um sie kümmert. Sie brauchen kein Fufu zu stampfen, es gibt keine Kinder und keinen Mann, der nerven könnte. So lassen wir ihnen diesen kleinen Kurlaub in dem Wissen, dass sich nach ein paar Tagen alles von allein regelt. Diese Patienten machen dem Doktor wenig Arbeit.

Ich habe heute auch eine Frau entlassen müssen, die eigentlich einen Herzschrittmacher benötigt hätte. Auch sie war schon in mehreren Kliniken gewesen, weil sie immer umfiel. Ich habe kein EKG oder Echogerät, meine Finger scheinen aber sensibel genug zu sein, um die Diagnose stellen zu können. Sie bekam mehrere Malariabehandlungen, natürlich Antibiotika und was auch immer. Dieses Geld kann sie sich in Zukunft sparen. Leider konnte ich ihr nur einige Verhaltensregeln mit auf den Weg geben. Als Internist gibt es in diesem Land sicher eine Menge zu tun, nur wenn die Konsequenz die ist, eine Diagnose zu stellen und dann nichts tun zu können, frustriert das doch auf lange Sicht.
Entwicklungsländer müssen Prioritäten setzen und ihre finanziellen Mittel und Ressourcen zum größtmöglichen Nutzen ihrer Bürger einsetzen, das leuchtet jedem Menschen ein. Ich stoße aber immer wieder durch die persönliche Beziehungen zu betroffenen Menschen an Grenzen, die ich schwer akzeptieren kann. Allerdings muss ich auch zugeben, dass die Medizin in diesen Ländern häufig 30-40 Jahre hinter dem Standard der westlichen Welt hinterher hinkt, was von offizieller Seite natürlich anders beschrieben wird.
Dennoch will und kann ich keine Hilfe in solchen unterentwickelten Fachbereichen anbieten. Eine Dialyseabteilung im Busch wäre keine Alternative. Allenfalls könnte man über eine Bauchfelldialyse diskutieren. Für dieses Verfahren braucht man zwar keine technischen Apparaturen, doch an die zu erwartenden Infektionen mag ich gar nicht denken. Angeblich gibt es in Uganda eine funktionierende Einheit. Ich fände es spannend, diese mal zu besichtigen. Das würde aber nur mein persönliches Interesse befriedigen, einen praktischen Nutzen für Eikwe hätte es sicher nicht.

So versuche ich weiterhin meine Erfahrung und mein Wissen als Internist weiterzugeben. Dazu bieten sich die Frühbesprechungen an, meine Vorlesungen werden gerne angenommen. Als Gegenleistung lerne ich weiterhin viel auf dem Gebiet der Gynäkologie und vertiefe meine Erfahrungen bei den Tropenerkrankungen. Mein klinischer Blick wird klarer, was die Tropen-
medizin und die Afrikaner angeht und das ist wichtig, denn aufgrund der vielen Sprachpro-
bleme ist es mitunter kaum möglich eine verwertbare Krankengeschichte zu bekommen.
So sind die Schwestern immer wieder verwun-
dert, wenn ich z.B. sofort nach Alkohol frage, sobald ich einen entsprechenden Patienten sehe. Die Alkoholiker sehen auf der ganzen Welt gleich aus und haben die gleichen Antworten und Entschuldigungen. Da bin ich im Rote-
Kreuz-Krankenhaus in Bremen durch eine harte Schule gegangen. Aber über Alkohol redet man hier nicht, obwohl ein kräftiges Gebräu auf dem Markt ist.
Am letzten Sonntag brachten sie mir einen bewusstlosen Achtjährigen. Alle Angehörigen waren blau, und nachdem ich eine cerebrale Malaria ausschließen konnte, war mir klar, dass der Kleine auch etwas getrunken haben musste. Der Opa war ein Palmwein Hersteller. Am anderen Morgen wachte der Junge auf, war etwas konfus, strahlte aber stolz, dass auch er der Familientradition gefolgt war. So viel zum klinischen Blick.

Soviel für heute aus Eikwe,
Euer Klaus

Freitag, 11. September 2009

Eindrücke Ghana 2009












Meine lieben Freunde und Leser meines Blogs,

es sind schon wieder zwei Wochen nach meiner Ankunft vergangen. Die Zeit rast nur so vorüber bei der Fülle der Arbeit.
Diesmal brauchte ich länger als sonst um hier anzukommen, mich auf das Leben in dieser Kultur und seinen Anforderungen einzustellen. Das verwunderte mich zunächst, da es keine großen Veränderungen in Eikwe gibt und mir vieles bekannt ist. Doch offenbar hat in mir eine Veränderung stattgefunden, der ich mit mehr Ruhe begegnen musste. So habe ich mich erst jetzt dazu bereit erklärt, auch Nacht- und Wochenenddienste zu übernehmen und in den normalen Rhythmus einzutauchen.

Die Ruhe im Außen und Innen, die ich immer mehr zu schätzen lerne, ist hier in Ghana nicht zu leben. Vielleicht mag das noch im Busch möglich sein, dort wo es keine Elektrizität gibt. Ansonsten ist ein permanenter Lärmpegel um mich herum: Musik aus allen Ghettoblastern, viel Straßenlärm, und zudem wird im Moment an sieben Tagen in der Woche an der Straße vor dem Haus und im Krankenhaus gebaut. Dazu kommt ein dauerndes Klingeln der Mobil-
telefone. Die Ghanaer haben manchmal nichts zu beißen, aber dennoch so ein Teil in der Tasche. In fast jeder Steckdose im Krankenhaus werden Akkus aufgeladen. Man kann tausendmal darum bitten, dass doch die Schwestern zur Visite bitte das Gerät ausstellen mögen, einer hat das Telefon immer an. Da unsere Telefonanlage im Haus nicht funktioniert, ersparen sich die Schwestern die Botengänge, indem sie das externe Netz benutzen.
Die Patienten wollen, dass ich die Untersuchung unterbreche, wenn sie angerufen werden. Selbstverständlich telefonieren Mitpatienten während der Visite. Erst ein Donnerwetter der Schwestern lässt dann die verärgerten Telefonierer den Raum verlassen. Diese Telefonitis ist ja inzwischen weltweit anzutreffen und gehört wohl zu unserem Leben dazu. Ohne die Sendemasten vor der Tür gäbe es auch keine Informationen aus dem Busch, also akzeptiere ich diesen Zustand.

Ansonsten bin ich von der gesamten Mannschaft wieder recht herzlich empfangen worden. Es gab und gibt, wie schon angesprochen, einige bauliche Veränderungen im Haus. Der Kreisssaal ist jetzt der anfallenden Arbeit entsprechend groß. Das ist gut zu sehen. Auch wird durch eine Erweiterung der Ambulanz der täglichen Menge der Patienten Rechnung getragen. Die Aufnahmestation hat auch zwei neue Zimmer bekommen. Vielleicht müssen wir bald die Patienten nicht länger auf dem Präsentierteller untersuchen. Ein schweizer Architekt überwacht die Baumaßnahmen, und so ist der Standard wirklich gut.

Des weiteren erfreut mich zu sehen, dass sich auch endlich junge Ärzte aus Ghana in diese abgelegene Region trauen. Ghana bildet wohl sehr viel neue Ärzte aus, die dem Verdrängungsdruck aus den Großstädten weichen. Es hat sich herumgesprochen, dass man in diesem Missionshospital viel lernen kann, schnell ans Operieren kommt und Kontakt mit deutschen Ärzten hat. So haben zwei Kollegen länger dauernde Verträge unterschrieben. Sie brauchen noch einige Anleitungen, das ist aber auch bei unseren deutschen Jungärzten ja nicht anders.
So hoffe ich, dass ich als „Senior Doktor“ hier positiven Einfluss nehmen kann. Die Ausbildung der Ghanaer ist sehr praktisch und meistens auf die Infektiologie bezogen. Die Kenntnisse in der inneren Medizin sind nicht so ausgeprägt und verbesserungsbedürftig. Ich hoffe, dass die Rotarier dem Rechnung tragen und weitere Internisten schicken werden.
Jeden Tag sehe ich Patienten mit internistischen Erkrankungen, die in Unkenntnis nicht richtig behandelt werden. Es ist aber auch nicht einfach, Patienten, die viel Zeit zur Diagnostik und Therapie beanspruchen, in diesen Betrieb zu integrieren.
Solche internistischen Patienten bestelle ich mir immer am Dienstag, Donnerstag oder Samstag ein. Meine Übersetzerin ist von dieser zusätzlichen Arbeit nicht immer erfreut. Der Standard der medizinischen Behandlung wird in Ghana immer besser, die Krankenversicherung macht manches möglich.
Dieser Entwicklung kann und sollte sich Eikwe nicht entziehen. Dies macht auch die Einführung von Qualitätsstandards für Krankenhäuser in Ghana deutlich. Das Gesundheitsministerium verlangt eine Akkreditierung mit dem Nachweis der Funktionsfähigkeit der Krankenhäuser. Dabei scheint der Staat ein besonderes Augenmerk auf die privaten Kliniken und die Missionskrankenhäuser zu legen. Das ist allerdings ein Witz, denn wenn Krankenhäuser funktionieren, dann diese. Die staatlichen Kliniken leisten nur die Hälfte vom dem, was bei uns passiert.
Die Ärzte dort gehen und kommen, wann sie Lust haben. Am Wochenende bekommen wir ihre Kaiserschnitte aufgedrückt, weil dort kein Arzt anwesend ist. Mein Eindruck ist, dass der Staat an die Geldtöpfe der Missionskrankenhäuser herankommen möchte. Die verlangten Einschreibungen in Kurse kosten das Haus viel Geld, Zeit und Nerven. Die Ärzte müssen Fortbildungen besuchen und bekommen dafür Punkte, genau wie bei uns in Deutschland. Die Ärzte in Ghana brauchen 20 Punkte für dieses Jahr, und es ist gar nicht einfach auf diese zu erreichen.
So fahren drei Fachärzte, die beiden Drs. Cooper und Dr. Köthe, Ende September für 5 Tage nach Accra, um die volle Punktzahl zu bekommen. Ich bin dann mit nur noch einem Arzt allein vor Ort. Zwei Krankenhäuser um uns herum sind dann ganz ohne Arzt. Wo bleibt da die Qualität?
Die Fortbildungen kosten das Krankenhaus eine Menge Geld. Die Inhalte der Veranstaltungen sind bis heute noch nicht bekannt. Da ich Vorlesungen in Eikwe gebe, hat das Krankenhaus versucht auch dafür Fortbildungspunkte zu erhalten. Theoretisch wäre das durchaus möglich. Dazu bräuchte das Haus eine Berechtigung, aber diese kostet ebenfalls sehr viel Geld. Die Bearbeitung dauert so lange, dass ich schon wieder in Deutschland bin, wenn sie denn durchkommt.
Auch ich habe meine Zulassungspapiere vor meiner Einreise zum ersten Mal einreichen müssen und bekam eine offizielle Arbeits-
erlaubnis. So weit so gut, auch dafür muss bezahlt werden, und das, obwohl ich unendgeldlich arbeite. Die Rotarier haben sich geweigert dafür aufzukommen, was ich durchaus verstehe. Schwester Irmgard ist dem Streit aus dem Weg gegangen, indem sie das Krankenhaus die Gebühr zahlen ließ.
Sie ihrerseits wartet schon seit fünf Monaten auf das Geld der staatlichen Krankenversicherung für die durch uns geleisteten Behandlungen. Sie muss wohl einiges gespart haben, ansonsten könnte sie das Krankenhaus gar nicht weiter betreiben. Monatliche Pauschalen sind in diesem System unbekannt.

Nun vielleicht etwas Lebendigeres. Heute war Großkampftag, was die Lobpreisungen des Herrn anging. Eikwe ist ein Dorf mit vielleicht dreitausend Einwohnern. So genau weiß das niemand. Es gibt aber sehr viele Kirchen und Glaubensgemeinschaften. Alles, was es an christlichen Gruppen gibt, ist vor Ort vertreten. Hinter meinem Apartment, ca. 500m Luftlinie, lärmt die Action Church. Vor dem Altar stehen ein Schlagzeug, große Lautsprecherboxen und andere Trommeln. Der Gottesdienst besteht aus sehr viel Schlag- und Rhythmusinstrumenten, Singen und Tanzen. Dafür langweilt der Priester die Gemeinde nicht mit langen Predigten. Die Action dauert 3-4 Stunden. Manchmal erinnert mich das mehr an ein Gymnastikstudio als an eine Kirche. Wenn die Anwesenden nicht so festlich gekleidet wären, könnte solch ein Eindruck entstehen. Freundliche Menschen, die zum Tanzen einladen. Nur tanze ich auch zu Hause selten.

Dann hatten die Methodisten heute ein besonderes Ereignis. Eine neue Pastorin wurde geweiht. Es ist eine Mitarbeiterin aus dem Haus, die eine theologische Ausbildung bekommen hat und nun das Wort verkünden darf. Am frühen Morgen ist die gesamte Gemeinde und viele Gäste von außerhalb mit einer Band durch das Dorf marschiert. So stelle ich mir die Marching Bands in New Orleans vor. Alle hatten einen Mordsspaß und waren fröhlich. Ein bunte Mischung von gut gekleideten Christen. Die Messe dauert noch an.

Die Katholiken waren natürlich auch nicht untätig. Drei Messen lesen sie am Sonntag. Früh für die Kinder. Die Messe besuchen auch unsere Schwestern. Werdet wie die Kinder. Sie wird weitestgehend auch in Englisch gehalten. Dann kommen die Erwachsenen dran. Manchmal gönne ich mir auch hier einen Besuch und gehe, wenn der Priester nach oben steigt, um seine Schäfchen abzukanzeln. Da wird der Gemeinde mit dem Zeigefinger und der Bibel das Evangelium eingebläut. Trägt man da wohl der afrikanischen Seele Rechnung?
Viele Gottesdienstbesucher sind Mitarbeiter des Hauses. Sie sehen ganz anders aus, wenn sie so fantasievoll und gut gekleidet sind, wenn die Frauen traditionell ihre Kinder auf dem Rücken tragen und mit Gold behangen sind. Von der Predigt mal abgesehen ist die Messe recht bunt. Es wird viel gesungen und getanzt. Es gibt eine Menge Rituale, Weihrauch und Gebete. Die Stimmen der Menschen sind sehr einprägsam.
Ich habe das Gefühl, dass die Kirche in Ermangelung anderer Ereignisse immer derart voll ist. Einige Menschen wirken irgendwie unbeteiligt, andere sind vor Verzückung außer sich, wenige wirken auf mich wirklich tief in sich ruhend. Die Kollekte ist ebenfalls bunt und umfangreich. Es wird nicht nur Geld gesammelt, sondern es gibt auch Naturalien wie Eier und Hühner, Seife und Plastiktöpfchen.
Nach der Messe bleiben wohl einige Familien zusammen und beenden so den einzig freien Tag der Woche. Life is very simple in Eikwe.

Die medizinischen Probleme haben sich zu denen vom Vorjahr nicht großartig verändert. Malaria, Malaria und wieder Malaria, HIV in einem erschreckenden Maße (davon mehr extra in einem weiteren Blog) und gynäkologische Erkrankungen aller Art und Ausmaße. Die Malaria tötet nicht nur die kleinen Kinder, auch die Ungeborenen versterben bereits im Mutterleib. So haben wir heute Morgen die Geburt eines toten Kindes einleiten müssen. Die Mutter war an Malaria erkrankt.
2008 sind allein in unserem Haus 144 Kinder an Malaria verstorben. Die Kinder kommen völlig anämisch, brauchen schnell Blut und eine Chinintherapie. Häufig schaffen wir das nicht mehr und die Kinder versterben noch auf dem Rücken der Mutter. Das ist wirklich ein afrikanisches Problem. Es sterben weltweit mehr Menschen an Malaria als an AIDS. Schaut man aber, wie viel Geld in die Programme beider Erkrankungen fließen, dann bekommt das Projekt HIV den Löwenanteil. Denn HIV ist eine weltweites Problem, das heißt. es ist tötet auch weiße Menschen, und das wirkt sich bestimmend auf den Markt, den Einsatz und die Verwendung der Gelder aus.

Schlechte hygienische Verhältnisse verursachen Durchfälle, die tödlich enden. Darmdurch-
brüche als Komplikation von Thyphus sind an der Tagesordnung. Als wenn das nicht schlimm genug wäre, sehe ich fast täglich aufgetriebene Bäuche, die durch Einläufe mit Kräutern verursacht wurden. Die Großmütter scheinen irgendwie auf die Darmtätigkeit der Enkelkinder fixiert zu sein. Wenn sie meinen, dass es sein muss, lauert auch schon die tödliche Gefahr. Sie lernen nicht oder wollen nicht lernen. So gibt es viel Aberglauben in der Bevölkerung und durch die Unkenntnis der Physiologie eines Menschen auch falsch verstandene Eingriffe. Aber darüber habe ich ja schon geschrieben. Es müsste einfach ein größeres Team von kundigen Gesundheits-
arbeitern her, die durch die Dörfer ziehen, sich schlau machen, wie die Menschen leben und ihnen Verbesserungsmöglichkeiten und Hilfe anbieten. Das muss schon bei den Kleinsten beginnen.
Sauberes Wasser wäre ein Meilenstein. Da kommt aber die Korruption ins Spiel und nichts geht mehr. So hat ein ehemaliges Mitglied des Parlaments am Ortsrand von Eikwe sich eine respektable Villa gebaut. Eine große Mauer sichert das Gelände. Auf dem Grund stand auch eine Pumpe, die das Dorf bzw. der Staat bezahlt hat. Der Besitzer des Grundstücks hat einfach seine Mauer um die Pumpe gebaut. Jetzt gehört sie ihm allein, und die Dorfbewohner holen das Wasser aus einem kleinen Fluss, der schmutzig ist. Am anderen Dorfende gibt es auch einen Brunnen, nur ist der Weg dorthin zu weit. Die Menschen scheinen stoisch solch eine Ungerechtigkeit zu akzeptieren. Sie sollten die Mauer einreißen und ihm sein Haus anmalen. Der Typ hat als Politiker viel Geld zusammen-
gegaunert und nimmt den Menschen das gute Wasser. Ein Unrechtsbewusstsein scheint ihn nicht zu plagen.

So meine lieben Freunde. Ich werde jetzt noch eine Runde durch das Haus drehen, danach ein gutes Buch lesen und dann wohl
müde einschlafen.
Euer Klaus