Sonntag, 25. Februar 2007

Der normale Wahnsinn eines Arbeitstages











Die Visite um 8.30 Uhr dauert länger als sonst. Ein junger Patient stirbt im Nierenversagen. Er kam sehr spät und hatte schon Ödeme und Durchfälle seit vier Wochen. Ein schwerer Amöbeninfekt. Gleichzeitig habe ich den hochgradigen Verdacht, dass er AIDS hat. Die Familie ist mit ihm ins Dorf zurück. Der angeschossene Soldat ist immer noch da, sein Kommandant kümmert sich einfach nicht. Lange Diskussion. Ein junger Patient mit einer Meningitis wird auch nicht besser. Ein junges Mädchen kommt mit Übelkeit und Brechreiz. Das Sono war für mich eindeutig, Niereninsuffizienz. Der Hochdruck und die Eiweißausscheidung sind die letzten Puzzleteilchen. Auch sie ist zum Sterben nach Hause gegangen.

Da zwei unserer Mitarbeiter mit Malaria flach liegen, habe ich begonnen, mich um die jammernden Kerle zu kümmern. Soldaten wurden rausgeschmissen, da sie nicht die 100 Dinar für die Behandlung zahlen wollten. Gerade die Soldaten bekommen regelmäßig Geld. Die Sprechstunde zieht sich wie zähe Brühe, da mein Übersetzer keine Lust hat und auch sein Englisch sehr zu wünschen lässt. Dann sehe ich alle Fälle, mit denen die anderen nicht klar kommen, unter anderem die Geschlechts- krankheiten. Nervt.
Dann die besonders schick gekleideten Damen von den internationalen Organisationen. Drängen sich immer vor und wollen dann so eine Art Krankschreibung, was ich grundsätzlich nie mache.

Plötzlich werden mir fünf Leute gebracht, alles Unfallverletzte. Auf Tragen und jämmerlich stöhnend. Hatten aber nur leichte Schnittver-
letzungen im Gesicht. Wird alles relativ unsteril genäht, da es von der Logistik nicht anders geht. Schlimm. Da wir Freitags nur bis 13 Uhr arbeiten, Moslemfeiertag, kommen plötzlich etliche von Rückenschmerzen Geplagte in den Raum gedrängt. Da hatte ich die Faxen dicke und habe die Sprechstunde offiziell beendet. Ich habe meinen Blick über die letzten 15 Kerle schweifen lassen. Es war niemand darunter, den ich nicht mit gutem Gewissen hätte gehen lassen können. Dann wird einen querschnittgelähmter junger Mann gebracht, der lange in Khartoum gelegen war. Er wollte von uns gesund gemacht werden. Die medizinischen Unterlagen hatten sie vergessen. Er wollte und konnte nicht verstehen, dass auch ich ihm mit unseren Möglichkeiten nicht helfen kann. Er hatte keinen Dekubitus und sah sonst oberhalb der Gürtel-
linie gut aus, so dass er mit dem gecharterten Auto gleich wieder heim konnte. Sie fragten mich, wofür sie dann das Geld für den Transport ausgegeben hätten. Wir haben hier aber wirklich nichts, keine KG oder Ähnliches, was ihm gut getan hätte.

Dann Mittagspause. Tomatenbrot und etwas Käse. Ich wollte nur nocheinmal nach meinen Jungs sehen, siehe Bild und dann den freien Nachmittag genießen, bzw. meinen Vortrag für den Samstag vorbereiten. Es kommt ein Auto der Organisation "Save the children" (böse Zungen sagen im Nebensatz „kill the mothers“) und bringen zwei schwerkranke Menschen. Eine Mutter, die vor zwei Tagen zu Hause ihr siebtes Kind geboren hat. Sie ist fast tot, hoch fiebernd, tachypnoeisch. Sie hat eine Malaria und eine Anämie von 4 g/dl, also kaum noch rote Blutkörperchen und ein Kind, was vielleicht den morgigen Tag nicht mehr erleben wird. Es kamen einige Verwandte mit, die Blut spenden mussten, was wir dann transfundierten. Diese Frau war schon lange krank, hat aber nie einen Arzt gesehen.

Den zweiten Patienten habe ich ihnen gleich wieder mitgegeben. Er hatte einen Gasbrand an seinem linken Unterschenkel und muss den Oberschenkel amputiert bekommen. Das kann ich nicht und will es auch nicht üben. Unser Anästhesiepfleger hat Malaria und der Einzige mit etwas chirurgischer Erfahrung ist im Urlaub.
Die Leute von "Save the children" kennen unsere Situation und kommen trotzdem. „You can do it, he will die anyway”. Ich habe ihm etwas gegen die Schmerzen gegeben und die Leute nach Kadugli, einer größeren Stadt mit einem schlechten Krankenhaus und noch schlechteren Chirurgen, geschickt. Die Fahrt wird sechs Stunden dauern. Der Ärmste hat sich etwas von einem Quacksalber an oder in den Unter-
schenkel spritzen lassen. Ich denke nicht, dass er das überlebt.

Zu guter Letzt habe ich dann doch noch meinen Vortrag über HIV geschafft und für Petra, eine der Schwestern, und mich Bratkartoffeln aus Süßkartoffeln mit Bohnen gekocht. Gibt es etwa 2 Mal pro Woche. Bald auch nicht mehr, die Bohnen gehen aus.

Man ist dann natürlich total müde, die Hitze lässt einen aber nur schwer einschlafen. Manchmal zweifle ich daran, das wirklich sechs Monate aushalten zu können. Ich werde es irgendwann wissen.

Euch allen liebe Grüße in das angenehm kühle Deutschland.

Euer
Klaus

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