Sonntag, 18. Februar 2007

Endlich wieder Sonntag











So eine Sechs-Tage-Woche schlaucht enorm, man kann eigentlich von einer Sieben-Tage-Woche reden. Lediglich am Sonntag ist es ruhiger, da wir nur Notfälle behandeln und ich davon nicht jeden zu sehen brauche. So kann ich mich nach der Visite in meinen sandigen Tukul zurück ziehen und eigentlich die Beine hoch legen, wenn, ja, wenn ich nicht etwas fürs Euch schreiben würde.

Unser Arbeitstag beginnt um 8.15 Uhr mit einem morgendlichen Meeting. Dann sitzen schon etwa 100 –150 Patienten unter den Sonnendächern. Teilweise kommen sie schon am Sonntag, da sie 6 bis 8 Stunden zu Fuß gehen müssen. Sie schlafen dann irgendwo auf dem Krankenhausgelände. Da wir Trockenzeit haben, ist nur die Kälte (18-20°C) der Nacht störend. Ein Dach über dem Kopf brauchen sie nicht unbedingt. Sie bringen alles mit, Kochgeschirr etc. und treffen häufig Verwandte von weit her. Leider räumt keiner den eigenen Müll fort, so dass dieser durch die Gegend geweht wird. Das nervt mich immerzu, ist aber für die Menschen hier völlig normal. Sie benehmen sich halt wie zu Hause. Wir haben einen Mann, der etwas Ordnung halten soll, das klappt aber auch nur bedingt.

Das Meeting hat den Sinn, dass ich die Mannschaft zu Pünktlichkeit zwingen will, sonst kommt jeder so, wie er will. Außerdem kann ich sehen, wer anwesend ist und wer nicht. Ein Tag Fehlen bedeutet ein Tag weniger Geld. Das wird nicht ohne Diskussion eingesehen. So langsam trägt das System Früchte. Außerdem kann man Ankündigungen machen und auf dem kurzen Dienstweg Anordnungen treffen. Die Asiaten sind ja schon nachlässig, die Sudanesen schlagen diese aber um Längen.

Um 8.30 Uhr mache ich meine Visite und sehe dann auch die Neuaufnahmen der Nacht. Die Patientenzimmer sind kleine traditionelle Hütten mit einem gestampften Lehmboden. Darin stehen drei bis vier Bettgestelle mit Matratzen, die sich in Auflösung befinden. Manche Betten haben Moskitonetze. Ich schlage mir noch fast regelmäßig den Kopf am Schilf des Daches beim Eintreten in die Hütte. Ist Gott sei Dank nicht so hart. In der Hütte ist es Dunkel wie im Pavianhintern. Sinnvolle Untersuchungen sind dort nicht möglich. Außerdem muss man aufpassen, dass man nicht in die Utensilien der Familie tritt, die sich meistens unter dem Bett des Patienten sammeln. Es sind immer zwei bis drei Familienmitglieder anwesend, die den Kranken versorgen müssen.
Unsere Pfleger teilen nur Medikamente aus, messen Fieber oder informieren uns, wenn etwas aus dem Ruder läuft. Der Rest ist Aufgabe der Angehörigen. Diese Einfachheit, solch einen Schmutz habe ich noch in keinem Krankenhaus diverser Organisationen gesehen. In diese Betten legt man die frisch Operierten und hoch fiebernden Kinder. Nach der Entlassung findet keine Reinigung statt, es sei denn, die deutschen Krankenschwestern erledigen diese Aufgabe. Sudanesische Pfleger kommen nie auf die Idee und erledigen einen Auftrag recht widerwillig oder schicken eine Putzfrau. Trotzdem bekommen die Kranken nicht mehr Infektionen als bei uns, und wenn, dann sind sie einfacher zu therapieren als in der westlichen Welt. Ich kann und will mich dennoch nicht an diese Zustände gewöhnen.

Dann gibt es noch einen extra Compound für die „Geburtshilfe und Wöchnerinnen“. Dieser liegt etwas abseits und hat noch dunklere Kammern. Die Neugeborenen sehen sicher keinen Unterschied zur gerade entflohenen Gebärmutter. Die Mütter gehen aber noch meistens am Tag der Geburt. Hier werden fast ausschließlich Schwangere versorgt, die an einer Malaria erkrankt sind, was sehr gefährlich für Mutter und Kind ist. Im Moment kümmert sich Petra um das MCH, eine sehr erfahrene Kranken- schwester, die diesen Job jetzt seit sechs Monaten macht.So brauche ich mich dort nur bei Notfällen sehen lassen. Leider geht Petra in drei Wochen, dann habe ich diese Arbeit auch noch an der Backe. Die einheimischen Hebammen sind aber sehr erfahren, so dass normale Geburten ohne mein Zutun laufen. Was die Kaiserschnitte angeht, so habe ich in dieser Woche nochmals zwei gesunden Jungen auf die Welt helfen können. Müttern und Kindern geht es sehr gut, dem Doktor auch. Jetzt, nach dem dritten Eingriff hat sich meine Angstschweiß- produktion sicherlich um die Hälfte reduziert. Ich hoffe, dass ich mich dran gewöhne und meine Aufmerksamkeit nicht einer falschen Sicherheit weicht. Also in drei Wochen schließt sich eine Visite bei den Frauen an.

Danach mache ich meine Sprechstunde. Ich will vor allem die Kinder sehen. Die drei anderen Paramediziner, die Sprechstunde halten, schicken mir alle Patienten, die von mir gesehen werden sollten. Über die Qualität dieser Kollegen mal später mehr.
Um 13 Uhr ist Mittagspause bis etwa 14 Uhr. Da niemand für uns kocht, muss man sehen, was es zu essen gibt. Ich esse nicht draußen vor der Tür. Die Gründe sind nahe liegend. So gibt es meistens ein Brot und Kaffee, der bald zur Neige geht. Dann gibt es Tee. Um 16 Uhr haben wir die Patienten geschafft und sie uns. Im Schnitt 200 pro Tag. Ich mag nicht daran denken, was da alles übersehen wird.

Dann noch einen schnellen Blick auf die stationären Patienten, eine Schöpfdusche
und Abendessen, was auch von uns zubereitet werden muss. Cap-Anamur scheint nur die Härtesten zu nehmen. Manchmal fragt man sich schon, wie verrückt man sein muss, um damit leben zu können. Einzig der stumme Dank der bedauernswerten Menschen lässt einen den kommenden Tag fröhlich angehen.

Auf bald
Euer
Klaus

Das Foto zeigt das Krankenhaus. Das Steingebäude ist unser OP. Rechts Aim
Grünen wohnen wir.

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