Sonntag, 6. Mai 2007

Abschied












Liebe Freunde,

jetzt sitze ich wohl an meinem letzten Sonntag in den Nuba Bergen vor dem PC und versuche meinen Abschied zu formulieren, was ich sehr schwer finde, denn es wird Zeit brauchen, all die Eindrücke zu verarbeiten.

Am Dienstag kommt der Geschäftsführer von Cap-Anamur mit meinem Nachfolger und einem zweiten Techniker, einige Tage später werde ich meinen Heimweg antreten. Das große Problem ist immer, einen Flug nach Kenia zu bekommen. So weiß ich nicht ganz genau, wann es losgehen wird.

Ich freue mich auf mein Zuhause, vor allem auf Renate, die mir doch sehr fehlt. Das ist zumin-
dest eine der Erkenntnisse: dass ich nicht mehr so lange in irgendwelche Projekte oder Arbeit gehen will.

Es ist auch klar geworden, dass ich mir in Zukunft Einsatzorte und eventuelle Organi-
sationen viel genauer ansehe, bevor ich eine Zusage gebe. Diese Erkenntnis hatte ich schon früher, habe sie aber durch meine eigene innere Unruhe verdrängt. Alle Organisationen, für die ich tätig war, haben sicher etwas Gutes im Sinn und sind motiviert in der Umsetzung ihrer Zielvorgaben. Sie helfen vielen Bedürftigen. Die Nachhaltigkeit und die Anleitung zur Selbsthilfe der Betroffenen tritt aber vielfach in den Hintergrund. So werden die ursprünglichen Ideen immer weniger bedacht, und manche Projekte laufen schließlich irgendwie um ihrer selbst willen. Konzepte verliert man aus den Augen, oder es gibt keine mehr. Auch das hat mir mein Einsatz mit Cap-Anamur gezeigt.

Erst wenn ich mir wieder sicher bin, was meine Ziele und mein Konzept für eine Arbeit in der Dritten Welt oder sonst wo sind, werde ich erneut aufbrechen. Ich habe eine Menge Ideen im Kopf, die ich mit Renate und guten Freunden besprechen möchte. Ich bin mir sicher, dass etwas Vernünftiges und Tragfähiges dabei heraus kommen wird. Es kann aber nicht sein, dass Organisationen oder Privatpersonen Aufgaben für einen Staat übernehmen, mit dem man sich noch nicht einmal identifizieren kann und dass die Repräsentanten solch eines Staates sich die Erfolge fremder Arbeit von ihrem Volk honorieren lassen. Wirkliche Veränderungen treten nur dann ein, wenn sie gewollt werden oder die Verantwortlichen sich dem Druck der Wähler oder Menschen beugen müssen. Mit so einer Arbeit, wie ich sie im Moment leiste, handle ich diesem Prozess zuwider, ich stütze ein falsches System.

Es wird dann natürlich immer wieder das Argument der Humanität und das Sich- Sorgen um die Menschen in die Waagschale geworfen. Aber machen wir uns doch nichts vor: die Welt geht auch ohne humanitäre Hilfe nicht unter. Sie wird nicht schön sein, solche Phasen dauern aber nicht unendlich, und die Welt erneuert sich auch von allein. Es ist immer wieder unser Ego, das uns vorgaukelt, nur wir könnten etwas verändern, nur wir könnten die Menschen retten. Wir können zwar Hilfe anbieten, wir können Liebe und Mitgefühl geben, den Rest muss aber jedes Individuum leisten, muss selbst entscheiden können, wie es leben will. So sehe ich immer mehr auf das Wohl der Kinder. Sie sind abhängig und können vielfach nicht selbst entscheiden. Ihnen muss man Entscheidungen abnehmen, ihnen muss man eine Chance geben gesund aufzuwachsen und Bildung zu erlangen. Das sind dann Startvoraussetzungen zu einem selbstbestimmten Leben. Vielleicht werden sich in diesem Bereich meine Energien und Bemühungen konzentrieren.

Des weiteren finde ich die Unterstützung von einzelnen Personen über einen kurzen Zeitraum sinnvoll. So habe ich hier in Lwere einen jungen Mann kennen und schätzen gelernt, der als eingearbeiteter Pfleger sehr selbstständig arbeitet und eine große Stütze des Projekts ist. Er hatte eine Ausbildung zum Clinical Officer angefangen, die er aus finanziellen Gründen jedoch abbrechen musste. Rotarier aus Hamburg haben sich nun bereit erklärt, die restlichen zwei Jahre zu finanzieren. Ich konnte ihm bei der Vermittlung des Stipendiums helfen, im Wissen, dass er heimatverbunden ist und nach Nuba zurückkehren wird. Er träumt davon beim Aufbau seines Landes sinnvoll zu helfen. Solche Menschen gilt es zu unterstützen. Große Aktionen und Projekte helfen häufig mehr dem Ego der Ausführenden, wenig bleibt für die Betroffenen.

Fazit: Ich komme ernüchtert, acht Kilo leichter, aber nicht unzufrieden heim. Ich habe eine Menge gelernt, über mich, was die Medizin betrifft, über Regierungen und Regierungs-
organisationen, NGO`s und die damit ver-
bundenen Strukturen. Da ich vielfach im Mangel leben musste, kann ich sicher viele der alltäg-
lichen Dinge zu Hause mehr wertschätzen, über die ich sonst nicht nachdenke, so zum Beispiel sauberes und ausreichend vorhandenes Wasser, gesunde Ernährung, funktionierende Kommuni-
kationsmöglichkeiten, sichere hygienische Verhältnisse und vor allem Freunde, die mir ganz wichtig sind. Ich freue mich darauf, Euch wieder zu sehen. Ich werde langsam ankommen und mich dann melden.

Euch allen noch eine schöne Zeit,

Euer Klaus