tag:blogger.com,1999:blog-35467683959628465802024-03-13T04:54:35.484-12:00Eindrücke aus AfrikaDr. med. Klaus Eckerthttp://www.blogger.com/profile/07090729118001582566noreply@blogger.comBlogger32125tag:blogger.com,1999:blog-3546768395962846580.post-83433471088685864102009-10-05T00:32:00.019-12:002009-10-05T01:07:53.440-12:00White man, give us money...<a onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}" href="http://2.bp.blogspot.com/_mjXHVekca8Y/Ssnn1goEPrI/AAAAAAAADWc/6adh8qbkhmY/s1600-h/IMG_5490.JPG"><img style="float:left; margin:0 10px 10px 0;cursor:pointer; cursor:hand;width: 320px; height: 214px;" src="http://2.bp.blogspot.com/_mjXHVekca8Y/Ssnn1goEPrI/AAAAAAAADWc/6adh8qbkhmY/s320/IMG_5490.JPG" border="0" alt=""id="BLOGGER_PHOTO_ID_5389093335602577074" /></a><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br />...so werde ich immer wieder am Strand oder auf der Straße angesprochen. Der ghanaische Präsident formuliert das etwas unverbindlicher und diplomatischer, was aber auf die gleiche Einstellung hinaus läuft: „ Help Africa deal with financial problems“. Mit diesem Satz hat Präsident Mills seine Rede vor den Vereinten Nationen am 24.9.2009 begonnen.<br /><br />Löst Geld wirklich die Probleme in Afrika? Man kann es bei einer einfachen Beantwortung belassen: nein. Das ist nicht nur meine persönliche Meinung, sondern auch die anerkannter afrikanischer Ökonomen. Ich verweise auf einen meiner Blogs aus dem Jahre 2007. Deutschland hat seit 1983 insgesamt 161 Millionen Euro nach Ghana transferiert. Wo ist das Geld geblieben, und was ist daraus entstanden? Darauf bekommt man keine Antwort.<br /><br />Mir ist immer wichtig zu sehen, was die Menschen erreicht, die in Armut leben. Genau diese Menschen nämlich müssen wir mit unserer Hilfe erreichen. Sie haben kaum Fürsprecher und stehen immer an letzter Stelle. Das Gesundheitssystem in Ghana steckt trotz aller Fortschritte immer noch in den Kinderschuhen und hinkt unserer Entwicklung circa 30 Jahre hinterher. Es gibt weiterhin zu wenig Ärzte und für diese wiederum zu wenige attraktive Stellen, die eine gute Versorgung der Menschen dann gewährleistet. Krankenhäuser sind ausreichend vorhanden, die Ausstattung lässt jedoch immer zu wünschen übrig. Was mir aber viel wichtiger erscheint, ist die Versorgung der Bevölkerung mit medizinischem Personal und Ausrüstung im Bereich von Public Health. Vorbeugung und Aufklärung ist angesagt, Schulung und Beratung zu spezifischen Problemen muss in den Focus rücken. Damit wird Geld gespart, und die Menschen werden weniger krank. Bei uns muss man sich um die Wohlstandserkrankungen kümmern, das ist in Ghana eher ein Rand-<br />problem. Die Infektionserkrankungen sind es, um die es geht, und Familienplanung, HIV/AIDS, Teenagerschwangerschaften, das macht etwa 80% unserer täglichen Arbeit aus, und an diesen Erkrankungen versterben die Kinder und jungen Frauen. Für die Aufklärungs-<br />arbeit braucht man kaum Ärzte, aber junge engagierte Menschen könnten viel bewegen. <br /><br />In unserer PHC arbeiten derzeit etwa zehn Schwestern mit unterschiedlicher Qualifikation. Sie sind aber fast ausschließlich im Bereich HIV/AIDS tätig, allerdings nicht mehr in der Aufklärungsarbeit, nein, sie sind nur noch mit den erkrankten Menschen beschäftigt und mit deren Versorgung. Anders wäre so ein Ansturm von Infizierten kaum zu bewältigen. Die monatlichen Reports, die an das Gesundheits-<br />ministerium geschickt werden, fragen unter anderem nur nach den verordneten Pillen und den Neuerkrankungen, niemanden interessieren die Aktivitäten bezüglich Aufklärungskam-<br />pagnen in den Dörfern.<br />Dabei hatte alles mal ganz gut angefangen. Frau Dr. Köthe ist selbst in den Dörfern unterwegs gewesen und das Team war äußerst kreativ, um den einfachen Menschen eine komplexe, tödliche Erkrankung zu erklären. Mir wurde von lebhaften Diskussionen berichtet und dem großen Interesse der Zielgruppe. Jeder wollte helfen und sich schützen. All das ist verloren gegangen, und man betrachtet nur noch müde den AIDS Patienten. Gerade jetzt wäre mit Blick auf die vielen Erkrankten eine groß angelegte Kampagne vonnöten. Es ist so viel Geld im Topf der WHO und des Global Fund, aber man gibt es lieber für Therapien aus, von denen einige Wenige und die Organisationen profitieren. Die Infizierten sterben nach wie vor und wesentlich früher als in der westlichen Welt. Das ist nicht eine Folge von mangelndem Geld, wie uns die afrikanischen Staaten und einige NGOs weiß machen wollen, das ist die Folge fehlende Aufklärung.<br /><br />Ghana hat kaum eine Rohstoff verarbeitende Industrie. Die Rohstoffe werden exportiert, die verarbeiteten Produkte dann wieder für viel Geld importiert. Der Kakao kommt aus Ghana, die Schokolade, die man im Land produziert, ist aber kaum genießbar. Es muss doch möglich sein, Menschen in Ghana so auszubilden und einen Stand der Produktionstechnik zu erreichen, dass die ghanaischen Produkte wettbewerbsfähig werden. Ich weiß nicht, ob wir uns mit unserem Wissen und einem fehlenden Wissenstransfer eventuelle Konkurrenten vom Hals halten oder ob die Afrikaner keine Notwendigkeit in einer qualifizierten Ausbildung sehen. Zumindest beobachte ich, dass die Ghanaer eine schnelle Auffassungsgabe besitzen und - wenn sie wollen- auch können. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass fast alle in Ghana produzierten Waren in Europa nicht konkurrenzfähig wären. Die Ghanaer selbst begnügen sich mit dem billig produzierten Müll aus China.<br /><br />Die Straßen in Ghana sind eine Katastrophe. Sie werden einmal ( und das auch noch schlecht) gebaut und dann selten gewartet. So kommen fast jeden Tag schwer unfallverletzte Menschen in unser Krankenhaus. Die riesigen LKWs, immer überladen, ruinieren in Kürze den Asphalt und es entstehen durch Sonne und Regen große Schlaglöcher, denen jeder Autofahrer auszuweichen versucht. In uneinsehbaren Kurven führt dies häufig dazu, dass es knallt. So ist die Todesursache Nummer zwei in Afrika der Verkehrsunfall. Die ghanaischen Tiefbauingenieure müssten besser ausgebildet werden. Unsere Entwicklungshilfe lässt aber lieber Hochtief oder wen auch immer aus Deutschland die Arbeit machen.<br /><br />Ghana hat sich von China die Stadien für die afrikanische Fußballmeisterschaft im Jahre 2008 bauen lassen und sich damit verschuldet. China hat seine Strafgefangenen auf den Baustellen eingesetzt, konnte damit billig produzieren und blieb konkurrenzlos günstig im Angebot. Um ein bisschen Nationalstolz zu befriedigen wurden Schulden gemacht, dafür wurde Geld ausgegeben. <br /><br />"Help Africa deal with financial problems."<br /><br />Kreieren die Afrikaner nicht auch selbst ihre Probleme? Sicher, vieles ist auf diesem Kontinent nicht einfach. Das Klima, die fehlende Bildung, der schnelle Eintritt in die Globalisierung unserer Welt, die politische Instabilität und die damit verbundenen Kriege, die Naturkatastrophen etc., all das wirft den Fortschritt manchmal zurück und erklärt häufig auch die Not. Aber der Ruf nach Hilfe ist immer die erste Handlung, die Besinnung auf Eigenverantwortung fehlt. Verantwortung wollen die Politiker erst wieder übernehmen, wenn das Geld aus dem Westen eingetroffen ist. Dieser Mechanismus muss ein Ende haben. <br /><br />Versteht mich nicht falsch, ich bin immer dafür Bedürftigen zu helfen. Solche Hilfe sollte aber eher auf dem Boden einer Kleinkreditvergabe erfolgen, so wie es uns der Friedensnobel-<br />preisträger Muhammad Yunus vorgemacht hat. Vielleicht z.B. einen Motor für das Boot einer Dorfgemeinschaft anschaffen. Dann könnten die Bewohner weiter auf’s Meer hinaus fahren und mehr Fisch fangen. Mit dem Mehrfang könnte das Geld zurückgezahlt werden, ein zweiter Motor gekauft werden, Geld für einen weiteren Lehrer, Geld für Ausbildungen zur PHC Schwester... <br />Unsere Schwestern gehen schon seit langem so einen Weg. Sie schicken junge Menschen in Ausbildungen jeglicher Art, nicht nur für das Krankenhaus. Ein junger Mann leitet so inzwischen eine Bank in Takoradi und vergibt auch kleine Kredite an Menschen mit Ideen. Die Menschen können dann stolz auf sich sein, werden unabhängig und fragen den weißen Mann nicht mehr nach seinem Geld. <br /><br />Meine Zeit in Eikwe ist in einer Woche beendet. Ich habe wieder etwas helfen können, fahre aber mit gemischten Gefühlen heim. Wie ich schon geschrieben habe, bedrückt mich eine immer wieder auftretende Hilflosigkeit, wenn ich Menschen sterben sehe, die in unserem System niemals sterben würden. So habe ich heute einen 26 Jahre alten Mann mit einer dialysepflichtigen Niereninsuffizienz zum Sterben heimgeschickt, ein zweiter junger Mann wird das gleiche Schicksal erleiden. Ich versuche noch eine Therapie mit Kortison, die vielleicht sein Sterben hinauszögern mag. Auf der Kinder-<br />station liegt ein Kind, aufgeblasen wie ein Ballon, das kaum noch Urin ausscheidet und vielleicht in seinem Wasser erstickt. Das kann ich nur noch sedieren. Gestern ist ein 38 Jahre alter Farmer verstorben. Er hatte eine hohe Querschnittslähmung. Ein gefällter Baum war ihm ins Kreuz gefallen. Er ist sehr merkwürdig verstorben. Die Symptome lassen sich mit der Verletzung nicht erklären. Die Schwestern meinen, dass er sich Gift besorgen ließ. Eine befreundete Kinderärztin, die im Frühjahr hier war, fand diese Form des Sterbens kaum akzeptabel. Aber das ist der Stand der Medizin in Ghana, das sind die 30 Jahre, von denen ich zu Anfang sprach. Das Krankenhausteam schlägt sich jeden Tag tapfer und bewundernswert, sie schaffen viel, und müssen Prioritäten setzen, und dazu gehört auch das Sterben zu akzeptieren. <br />Ich habe das Gefühl, dass die Menschen in Ghana das besser schaffen als wir in unserer behüteten Welt. Sie nehmen das Leben so, wie es sich ihnen bietet, leben im Jetzt und hadern nicht permanent mit dem Schicksal. Sie wollen nicht mit Gewalt ihren Willen durchsetzen, und zerbrechen selten an Schicksalsschlägen. Ich kann da nur von ihnen lernen. <br />So geht eine anstrengende Zeit vorüber, ich verlasse Freunde und Mitarbeiter und freue mich dafür auf Renate, Bremen und Euch. Die vertrauten Gespräche habe ich des öfteren vermisst.<br /><br />Auf bald,<br />Euer KlausDr. med. Klaus Eckerthttp://www.blogger.com/profile/07090729118001582566noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-3546768395962846580.post-39316421994339861402009-09-21T23:54:00.020-12:002009-09-23T19:14:56.175-12:00Ghana und seine Geschichte<a onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}" href="http://1.bp.blogspot.com/_mjXHVekca8Y/Sri7NT0JcXI/AAAAAAAADV8/09rxDRvpzZg/s1600-h/IMG_5287.JPG"><img style="float:left; margin:0 10px 10px 0;cursor:pointer; cursor:hand;width: 214px; height: 320px;" src="http://1.bp.blogspot.com/_mjXHVekca8Y/Sri7NT0JcXI/AAAAAAAADV8/09rxDRvpzZg/s320/IMG_5287.JPG" border="0" alt=""id="BLOGGER_PHOTO_ID_5384259191853117810" /></a><br /><a onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}" href="http://2.bp.blogspot.com/_mjXHVekca8Y/Sri7NDr_WhI/AAAAAAAADV0/qq6WS_BWLQU/s1600-h/IMG_5340.JPG"><img style="float:left; margin:0 10px 10px 0;cursor:pointer; cursor:hand;width: 320px; height: 214px;" src="http://2.bp.blogspot.com/_mjXHVekca8Y/Sri7NDr_WhI/AAAAAAAADV0/qq6WS_BWLQU/s320/IMG_5340.JPG" border="0" alt=""id="BLOGGER_PHOTO_ID_5384259187523934738" /></a><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br />Liebe Freunde,<br /><br />nun ist schon meine sechste Woche in Eikwe angebrochen, die Zeit vergeht wie im Fluge. Heute werde ich nicht über meine Arbeit berichten, sondern versuchen etwas über Kultur und Geschichte Ghanas zu vermitteln. Anlass war ein traditionelles Fest, Kundum genannt, zu dem mich der deutsche Botschafter Ghanas eingeladen hatte. Dr. Marius Haas hatte am Tag zuvor das Krankenhaus besucht, und so ergab sich für mich eine fabelhafte Gelegenheit unmittelbar die Hauptbeteiligten des Festes kennenzulernen, den Omanhene von Lower Axim Awulae Atibrukusu III (siehe Foto) und sein Gefolge.<br /><br />Bis zum Jahr 1471 hatte Westafrika noch keinen weißen Mann gesehen. In diesem Jahr landeten die Portugiesen als erste Europäer an der westafrikanischen Küste. Das war nicht unbedingt gewollt, denn eigentlich suchten die Seefahrer einen Weg um Afrika herum, Richtung Osten, um einen lukrativen Handel mit Asien zu beginnen. Sie hatten keine Idee, was sie von Afrika zu erwarten hatten. Die arabischen Länder im Norden Afrikas waren ihnen bekannt, sie wussten, dass es die Sahara gab, die aber bis dato kein Weißer durchquert hatte. Von dem, was weiter südlich lag, hatten sie keine Vorstellungen. <br />Die Stadt Elima, die nicht weit entfernt von Eikwe liegt, war der erste Stützpunkt der Portugiesen. Sie bauten dort ein Fort mit der Erlaubnis des dort regierenden Chiefs, auch Omanhene genannt. Das Fort wurde vor allem zur Seeseite abgesichert, da man nur von dort Gefahr erwartete. Die Festung ist heute noch zu besichtigen, da dieser Ort durch den Sklavenhandel zu trauriger Berühmtheit gelangte. <br /><br />Ghana war zum Ende des 15. Jahrhunderts eine Art Monarchie mit lokalen Führen in jedem Dorf. Die Bevölkerungsgruppe der Akan, mit einem König in Kumasi, war die politisch und militärisch stärkste Ethnie. Die Könige wurden aus der mütterlichen Linie gewählt, sie konnten abgewählt werden aber auch das Amt ablehnen, wenn sie ihre Gründe dafür hatten oder nach einigen Dienstjahren zurücktreten wollten. <br />Die Omanhene waren sogenannte Unterfürsten, die jedoch zur Familie gehörten. Das System setzte sich bis zu den lokalen Chiefs in den jeweiligen Dörfern fort. Die Machtkompetenzen waren entsprechend verteilt. Dieses Herrschaftssystem hat sich bis in die heutige Zeit erhalten.<br />Ghana ist seit 1953 eine Demokratie mit einem gewählten Präsidenten und einem Parlament, das die politische Macht hat, die traditionellen Fürsten sind aber nicht unbedeutend in diesem System. Sie haben z. B. Einfluss auf das Wahlverhalten ihrer Leute, sie wollen bei wichtigen Entscheidungen gefragt werden und haben ihren eigenen Rat, in dem sie sich absprechen können. Sie besitzen Land und sind für das Wohl ihrer Untertanen zuständig. Die Untertanen melden sich, wenn ihnen etwas nicht passt.<br />Der Chief von Eikwe hat dem Krankenhaus hier das Grundstück offiziell überschrieben. Ihm war wichtig, dass die Schwestern die Arbeit in Eikwe fortführen, als es um Erweiterungsbauten ging.<br />Einige der lokalen Chiefs sind allerdings nicht besonders klug und sehr kurzsichtig in ihren Entscheidungen, besonders dann, wenn sie nur auf den eigenen Vorteil aus sind. Die soziale Kontrolle funktioniert jedoch, die Menschen fordern häufig die Abdankung oder belegen den Chief mit einem Fluch, der manchmal mit dem Ableben des Betroffenen endet. <br />Auf höherer Ebene sieht das schon anders aus. Awululae III. hat in den USA Jura studiert und ist ein gebildeter Mensch, der wie ein Maschi-<br />nengewehr und sehr emotional reden kann. Wenn man ihn in seinem traditionellen Kostüm mit all dem Gold sieht, wie er in der Menge agiert und seine Macht demonstriert, dann kann man sich den modernen Menschen darunter nicht vorstellen. Vor 500 Jahren haben die Herrscher wohl kaum anders ausgesehen.<br />Zurück zu den Portugiesen. Sie haben sich wenig um Eroberungen oder Ähnliches im Land bemüht, sie haben sich um den Handel gekümmert und die Erkundigungen einigen Priestern im Rahmen der Missionierung überlassen. Die Potugiesen waren zahlen-<br />mäßig nur eine kleine Gruppe von Männern, die allerdings reichlich Mischlinge gezeugt haben. Manchmal sieht man noch etwas hellhäutigere Menschen in unserem Einzugsgebiet.<br />Die Portugiesen entdeckten, dass es unter anderem auch Gold im Lande gibt und entsprechend richtete sich der Handel aus. Der Name Gold Coast wurde geprägt, und weitere Geier waren bald im Anflug. 1530 kamen die Engländer, 1542 die Franzosen, dann die Holländer, die 1637 das Fort in Elima kurz und klein schossen und die Portugiesen hinauswarfen. Selbst Dänemark und Schweden haben sich in Ghana sehen lassen. 1665 war die Zeit der Holländer allerdings vorüber, und die Engländer übernahmen das Kommando. Sie legten sich auch mit dem Königreich der Ashanti an und erlitten zwei verlustreiche Niederlagen, trotz moderner Waffentechnologie. Sie blieben jedoch Kolonialmacht bis zur Unabhängigkeit Ghanas im Jahre 1953.<br /><br />Die Portugiesen begannen den Sklavenhandel, erstaunlicherweise importierten sie aber zunächst Sklaven, um die Salzproduktion in Elima zu intensivieren. Mit dem Salz und anderen Produkten aus Europa finanzierten sie den Goldhandel. Etwa 10% des damaligen Weltaufkommens an Gold kam aus Ghana und machte somit die portugiesische Krone reich. Dann rückte aber der Sklavenhandel in den Focus der Europäer. <br />Man muss dabei sagen, dass die Sklaverei keine europäische Erfindung war. Durch die kriege-<br />rischen Auseinandersetzungen der einzelnen afrikanischen Stämme untereinander haben die Sieger immer die Besiegten als Beute betrachtet und mit ihnen verfahren, wie sie es wollten. Mitunter geschah das auch friedlich, es entstanden Lebensbeziehungen, die die Gräuel der uns bekannten Geschichten vermissen ließen. Erst der transatlantische Handel ließ die versklavten Menschen zur Ware werden. Dieser Handel war aber nur mit Hilfe der Afrikaner möglich. Sie jagten die Menschen, überfielen friedliche Dörfer und verkauften die Gefangenen an die Europäer. Es war für die Chiefs ein einträgliches Geschäft. Mitunter verkauften sie sogar eigene Stammesangehörige, wenn die Jagd nicht erfolgreich gewesen war. Die Sklaven wurden unter anderem mit Waffen bezahlt.<br />So hat England z.B. im 17. Jahrhundert jährlich 100.000 Gewehre nach Afrika verkauft. Mit diesen Gewehren wurden in Kriegen mit den Afrikanern auch Engländer erschossen. (So etwas kommt einem bekannt vor, siehe die USA und Afghanistan.) Mit Ende des 18. Jahrhun-<br />derts war dann Schluss, der Sklavenhandel wurde weitestgehend beendet und dann auch von den meisten europäischen Staaten verboten. Ich weiß nicht genau, wie viele Menschen Afrika verlassen haben, jedoch erreichten lediglich 50% der gefangenen Menschen ihre Bestimmungs-<br />ziele lebend. Ein wirklich trauriges Kapitel der Menschheitsgeschichte.<br /><br />Wie ich schon erwähnte, versuchten die Engländer mit der Eroberung des Landes die Kolonialisierung voranzubringen. Das bedeutete, die unbedingte Macht im Lande zu erlangen, so wie sie es auch in anderen Teilen der Welt getan hatten, um den maximalen Profit aus dem jeweiligen Objekt zu ziehen. Dabei wurde kaum versucht die traditionellen Strukturen und Systeme zu tolerieren, was die vorherigen Partner der Chiefs noch getan hatten. Diese Haltung kostete die Engländer einige Niederlagen, denn die kriegerischen Ashanti hatten das Klima und die Insekten auf ihrer Seite.<br />1902 musste das Königreich Ashanti dann doch klein bei geben. Der letzte König Prempreh wurde mit weiteren einflussreichen Menschen ins Exil auf die Seychellen geschickt, ein gefügiger Ashanti an seiner Stelle inthronisiert, damit die Untertanen Ruhe gaben. Jüngere Mitglieder der Königsfamilie erhielten eine Ausbildung in England, wo man sie nach eigener Vorstellung prägen konnte, um sie dann als hilfreiche Vasallen zurück nach Ghana zu schicken. <br />Des weiteren hatten die Engländer ein System der Korruption eingeführt, das ihnen ein unbeschwertes Handeln ermöglichte. Jetzt war es Zeit das Land zu plündern. Alles von Wert wurde außer Landes geschafft. Die Wälder an der Küste waren die erste Beute. Es war einfach die großen Bäume zu fällen und zu verschiffen.<br />Heute gibt es nur noch ein kleines Stück Regenwald in unserer Nähe, das jetzt endlich Naturschutzgebiet geworden ist und hoffentlich erhalten bleibt.<br />Damals wurde der Wald auch gerodet, um im Tagebau Gold zu schürfen. Die Landschaft sieht heute entsprechend aus. Was mich am meisten verärgert ist, dass die Menschen hier in Ghana von dem Erlös dieser Ausbeute nie etwas abbekommen haben. Sie waren und bleiben die Verlierer. <br />In den Anfängen speiste man die Afrikaner mit für uns unbrauchbarem Zeug ab wie Metalltöpfe und wertlosem Schmuck, aber man bezahlte sie auch mit Waffen. Waffen sind auch noch heute das Zahlungsmittel der ersten Wahl. Vor allem kleine und leichte Maschinengewehre, damit die Kindersoldaten sie auch handhaben können. Es gibt keinen Kontinent auf der Welt, der so von Waffen starrt. Die Konflikte werden dann nicht mehr diplomatisch gelöst, sondern nach dem Gesetz des Stärkeren. Es entstehen Anarchien, und Kriminelle terrorisieren die verbliebenen Menschen und nehmen ihnen das letzte Wenige, vor allem die Menschenwürde. Es sind nicht mehr die einzelnen Waffenschieber, die sich eine goldene Nase verdienen, es sind Länder wie China und Staaten aus der ehemaligen Sowjetunion. <br />Ich habe bei meiner Arbeit im Sudan diesen Tauschhandel gesehen: sudanesisches Erdöl gegen chinesische Maschinengewehre. Das Perverse dort ist, dass China die potentiellen zukünftigen Kriegsgegner des Sudan mit demselben Material beliefern. Ein besseres Geschäft lässt sich kaum machen. <br /><br />Wenn denn wirklich einmal Geld in afrikanische Hände fließt, wandert es zu einem großen Teil in die Taschen korrupter afrikanischer Politiker. Häufig machen sie sich nicht einmal die Mühe diese Tatsache zu verbergen. Ich bin immer wieder verwundert über die Geduld, mit der die Menschen diese Tatbestände ertragen. Schaut man auf die Villen am Comer See oder in London, so findet man viele Besitzer aus Afrika, zumeist ehemalige oder noch aktive Politiker. Leider sind deren Bankkonten nicht öffentlich einsehbar, die Milliarden Dollar werden bestens in der Schweiz oder sonst wo gehütet und profitabel verwaltet. Würde man diese Werte zurück nach Afrika zurück transferieren, so könnte man sehr viel für die bedürftigen Menschen verändern. Daran ist aber keiner der Beteiligten interessiert. So bleibt mir die Hoffnung, dass die Menschen in Afrika sich doch irgendwann einmal wehren werden. Die jetzt umfassender werdende Schulbildung, auch für Mädchen in Ghana und die damit verbundene Fähigkeit denken zu lernen, wird sich hoffentlich positiv auf die Entwicklung der Gesellschaft auswirken. Ein erstes Beispiel von Ungehorsam hat in unserer Nähe stattgefunden. Ein australisches Unternehmen wollte Gold im Tagebau gewinnen. Dazu hätten zwei Dörfer umgesiedelt werden müssen. Der Chief eines Dorfes hat dem zugestimmt, gegen seine eigenen Leute, der andere Chief wollte dies nicht. Man ließ den positiv gestimmten Chief verfluchen, und er starb. Vielleicht hat man auch etwas nachgeholfen. Wie auch immer, der neu gewählte Chief ist vorsichtig und hat jetzt auch abgelehnt. Die Australier klagen nun und wollen ihre Projektentwicklungskosten zurück, ca. acht Millionen Dollar. Soviel haben die Dörfer nicht. Dumm gelaufen für die Aussis, gut für die Menschen und die Umwelt. Die Menschen aus den Dörfern hätten in jedem Fall verloren. Es wurde ihnen viel versprochen, sie glauben den Politikern und Konzernen aber nicht mehr. <br /><br />Um auf meinen Omanhene zurückzukommen: <br />er berichtete uns von langen Meetings mit ghanaischen Politikern und Konzernmanagern in den vergangenen Wochen. Leider wurde auch vor der Küste von Ghana Öl gefunden. 2011 will man mit der Förderung beginnen. Es ist ihm ein Anliegen, vertraglich festzulegen, wie viel von den Erträgen in dieser Region bleibt, wie viele Arbeitsplätze an Ghanaer vergeben werden, dass Versicherungen abgeschlossen werden etc.<br />Dieser Anspruch auf vertragliche Regelung ist absolutes Neuland. Der Chief will der Förderung aber nur seinen Segen geben, wenn seine Forderungen erfüllt werden. Er weiß, dass seine Leute auf ihn hören. Ohne seine Zustimmung geht nicht viel. Er fühlt sich seinen Leuten verpflichtet und will keine Korruption dulden. Er ist sehr engagiert und hat uns seine Einstellung entsprechend demonstriert, in der so typischen afrikanischen Art: laut, sich wiederholend und sehr gestenreich. <br />Ich kenne ihn nicht, diesen Chief, möchte ihm aber glauben. Unser Botschafter hat ihn als sehr integer beschrieben. So hoffe ich, dass er die Wahrheit spricht und sich zu guter Letzt nicht doch noch kaufen lässt.<br />Leider löst man Schwierigkeiten in diesem Land oft auf eine Art, die für den Kontrahenten letal sein kann. Ich hoffe aber immer noch, dass am Ende das Gute siegt. Ich verstehe darunter ein leichteres Leben für die Menschen in Eikwe, Ghana oder überall dort, wo ich Elend gesehen habe oder das Chaos regiert. <br /><br />Das Interessante am Reisen, Arbeiten und Leben in fremden Kulturen ist, dass der eigene Horizont erweitert wird und man dabei viel lernt. Ich versuche mich in die Menschen hinein zu versetzen, mich nicht von ihnen getrennt zu sehen. Indem ich Ungerechtigkeiten sehe und fühle, sie benenne, werde ich zu einem Betroffenen und kann einen kleinen Teil zur Lösung beitragen. Solidarität zu bekunden ist ganz schön, es hilft den betreffenden Menschen aber nicht. Erst wenn ihr Problem zu unserem wird, kann durch das Mitfühlen und hilfreiche Taten eine Veränderung eintreten. Wir müssen nicht alle hungern, aber wir müssen uns für den Hunger interessieren.<br />Das ist der Grund, warum ich immer wieder solche Artikel schreibe. Mittlerweile bekomme ich auch Kommentare von Menschen, die ich nicht persönlich kenne, die mich im Internet gefunden haben. Es gibt mir das Gefühl, dass es immer Interessierte geben wird und ich nicht allein bin mit meiner Sicht der Welt und dass aus Diskussionen, manchmal auch mit sehr konträren Positionen, alle Beteiligten lernen können. Fühlt Euch angesprochen.<br /><br />Euer KlausDr. med. Klaus Eckerthttp://www.blogger.com/profile/07090729118001582566noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-3546768395962846580.post-65284808489301103772009-09-12T21:42:00.023-12:002009-09-12T22:09:22.997-12:00Medizin mit GrenzenMeine lieben Feunde,<br /><br />schon wieder eine Woche, die wie im Fluge vergangen ist. <br /><br />Der Nachmittag ist ruhig, nicht nur, was die Arbeit angeht. Das ganze Dorf scheint zu schlafen. Es wird jetzt wärmer, es kommen mehr Fliegen und andere Insekten, es regnet weniger. Die Bar von schräg gegenüber ist seit einigen Tagen geschlossen, und damit ist eine Ruhe eingetreten, die ich kaum für möglich gehalten hätte. <br /><br />Sehr angenehm und erfreulich, konnte ich dafür heute morgen einer a-cappela Band vor meinem Küchenfenster zuhören. Vier Bauarbeiter saßen auf einem Sandhaufen und haben 30 Minuten gesungen. Dazu haben sie Baueisen, Holz und eine alte Blechdose als Rhythmusinstrumente benutzt. Das war auftrittsreif und hätte in manchem Jazzschuppen begeistert. Meinen Applaus bekamen sie, was die Vier aber eher irritierte. Es war eine nette Abwechslung.<br /><br />Ansonsten beschäftigt mich im Moment die Tatsache, dass ich Patienten zum Sterben nach Hause schicken muss, die bei uns überleben könnten. Mir ist klar, dass viele Menschen, die in Eikwe sterben, bei uns in Deutschland eine bessere Überlebenschance hätten oder erst gar nicht krank geworden wären, da unsere Lebensumstände denen eines Paradieses entsprechen. <br />Ich rede im Speziellen von Patienten, die dialysiert werden müssten. Natürlich fallen mir als Nephrologen solche Patienten auf. Frau Köthe meint, dass es die nur gäbe, wenn ich vor Ort sei. Das ist aber sicher eine Fehleinschät-<br />zung, die nur zeigt, dass Nierenerkrankungen nicht zu den Differentialdiagnosen des Hauses gehören. <br />Bei meinen ersten Aufenthalten sah ich zumeist junge Leute mit einem akuten Nierenversagen, ausgelöst durch eine schwere Malaria, durch Kräutermedizin oder andere nephrotoxische Substanzen. In dieser Woche wurde ich nun mit dem Problem von chronischem Nierenversagen konfrontiert. Mir wurde ein 16 Jahre alter, völlig überwässerter Patient vorgestellt. Er hatte zusätzlich eine Anämie mit einem Hämoglobin von 4 mg/dl (normal 13-14 mg/dl). Er erkrankte vor 8 Monaten. Weil es ihm so schlecht ging, wurde er in einen sogenannten Healingcom-<br />pound gebracht. Dort gibt es alle Spielarten von Behandlungen. Was genau mit ihm angestellt worden war, wurde mir nicht berichtet. Mitpatienten erzählten mir später, dass er mit Seilen um die Beine gefesselt wurde, auch der Bauch wurde umwickelt. Dann bekam er eimerweise kaltes Wasser über den Körper geschüttet. Vielleicht wollte man ihn wie einen Schwamm auswringen?<br />Ich würde gern mal so ein Zentrum sehen. Als Arzt bekomme ich aber keinen Zutritt. Als es dem Patienten immer schlechter ging, brachte man ihn dann doch zu uns. Ich konnte ihn durch Verabreichung von intravenösen Medikamenten noch etwas ausschwemmen, damit erschöpften sich jedoch die Möglichkeiten vor Ort. Wohl gibt es in Accra und Kumasi Dialysezentren, die sind aber teuer und immer ausgelastet. Mir scheint, dass diese Zentren fast nur akute Nierenver-<br />sagen behandeln. Nun denke ich den ganzen Tag an diesen Jungen und an eine 42 Jahre alte Frau mit dem gleichen Schicksal.<br />Sie kam aus der Elfenbeinküste und war dort in diversen Krankenhäusern gewesen. Die Familie hatte schon viel Geld für Behandlungen ausgegeben, niemand hatte jedoch die Krankheit diagnostiziert. Der Ehemann war sehr erschüttert von meiner Diagnose und der schlechten Prognose dieser Krankheit. Er wollte Land verkaufen, um seiner Frau zu helfen. Schließlich verstand er jedoch, dass er gar nicht genug Land besitzt, um die lebenslange Behandlung seiner Frau zu bezahlen. Damit hätte er der gesamten Familie die Lebensgrund-<br />lage entzogen.<br />Er und zwei Söhne haben der Frau und Mutter noch Blut gespendet, dann sind sie alle gemeinsam gegangen. Die Blutspende war möglich, da die Patientin im Gegensatz zu dem Jungen nicht überwässert war. Der Ehemann wollte sie einfach kräftiger mit nach Hause nehmen und noch ein paar „normale“ Tage mit ihr verleben. <br /><br />Jeden Tag muss ich mich hier mit dem Sterben auseinandersetzen. Es ist so geballt und hört nie auf. Allein heute Nachmittag wurden 8 Kinder mit Malaria aufgenommen, die eine Blutübertragung brauchten, fünf Kinder kämpfen im Moment gegen ihren Typhus, die Sterberate liegt bei 50%. Manchmal denke ich, dass mir dieses Sterben gar nicht mehr auffällt, dass ich abschalte. Ich gehe an den Müttern vorbei, die ihre Kinder auf dem Schoß sitzen haben, während Blut in die kleinen Körper läuft, ich mag manchmal nicht mehr hinschauen.<br />Es gibt kaum eine Frau in Ghana, die nicht zumindest ein Kind durch eine dieser Krankheiten verloren hat. Ich denke mir, dass mit jedem Kind auch etwas in diesen Frauen stirbt. Es kann nicht so spurlos an ihnen vorbei gehen, auch wenn es manchmal so scheint. Das ist sicher auch einer der Gründe, dass die Frauen so oft schwanger werden wollen und bei jeder Schwangerschaft immer wieder das eigene Leben aufs Spiel setzen. Dessen sind sie sich sicher bewusst. <br />Ich bin keine Frau und kann nicht unmittelbar mitfühlen, ich sehe aber immer wieder die traurigen Augen. So kommen Frauen auch häufig als Patienten mit unspezifischen Symptomen zur Aufnahme. Sie benehmen sich, als seien sie todkrank, reagieren nicht auf Ansprache, und ihnen ist egal, was man mit ihnen macht. Sie wollen einfach nur Ruhe haben und stationär aufgenommen werden. Dann liegen sie den ganzen Tag im Bett und genießen, dass man sich um sie kümmert. Sie brauchen kein Fufu zu stampfen, es gibt keine Kinder und keinen Mann, der nerven könnte. So lassen wir ihnen diesen kleinen Kurlaub in dem Wissen, dass sich nach ein paar Tagen alles von allein regelt. Diese Patienten machen dem Doktor wenig Arbeit.<br /><br />Ich habe heute auch eine Frau entlassen müssen, die eigentlich einen Herzschrittmacher benötigt hätte. Auch sie war schon in mehreren Kliniken gewesen, weil sie immer umfiel. Ich habe kein EKG oder Echogerät, meine Finger scheinen aber sensibel genug zu sein, um die Diagnose stellen zu können. Sie bekam mehrere Malariabehandlungen, natürlich Antibiotika und was auch immer. Dieses Geld kann sie sich in Zukunft sparen. Leider konnte ich ihr nur einige Verhaltensregeln mit auf den Weg geben. Als Internist gibt es in diesem Land sicher eine Menge zu tun, nur wenn die Konsequenz die ist, eine Diagnose zu stellen und dann nichts tun zu können, frustriert das doch auf lange Sicht.<br />Entwicklungsländer müssen Prioritäten setzen und ihre finanziellen Mittel und Ressourcen zum größtmöglichen Nutzen ihrer Bürger einsetzen, das leuchtet jedem Menschen ein. Ich stoße aber immer wieder durch die persönliche Beziehungen zu betroffenen Menschen an Grenzen, die ich schwer akzeptieren kann. Allerdings muss ich auch zugeben, dass die Medizin in diesen Ländern häufig 30-40 Jahre hinter dem Standard der westlichen Welt hinterher hinkt, was von offizieller Seite natürlich anders beschrieben wird.<br />Dennoch will und kann ich keine Hilfe in solchen unterentwickelten Fachbereichen anbieten. Eine Dialyseabteilung im Busch wäre keine Alternative. Allenfalls könnte man über eine Bauchfelldialyse diskutieren. Für dieses Verfahren braucht man zwar keine technischen Apparaturen, doch an die zu erwartenden Infektionen mag ich gar nicht denken. Angeblich gibt es in Uganda eine funktionierende Einheit. Ich fände es spannend, diese mal zu besichtigen. Das würde aber nur mein persönliches Interesse befriedigen, einen praktischen Nutzen für Eikwe hätte es sicher nicht. <br /><br />So versuche ich weiterhin meine Erfahrung und mein Wissen als Internist weiterzugeben. Dazu bieten sich die Frühbesprechungen an, meine Vorlesungen werden gerne angenommen. Als Gegenleistung lerne ich weiterhin viel auf dem Gebiet der Gynäkologie und vertiefe meine Erfahrungen bei den Tropenerkrankungen. Mein klinischer Blick wird klarer, was die Tropen-<br />medizin und die Afrikaner angeht und das ist wichtig, denn aufgrund der vielen Sprachpro-<br />bleme ist es mitunter kaum möglich eine verwertbare Krankengeschichte zu bekommen.<br />So sind die Schwestern immer wieder verwun-<br />dert, wenn ich z.B. sofort nach Alkohol frage, sobald ich einen entsprechenden Patienten sehe. Die Alkoholiker sehen auf der ganzen Welt gleich aus und haben die gleichen Antworten und Entschuldigungen. Da bin ich im Rote-<br />Kreuz-Krankenhaus in Bremen durch eine harte Schule gegangen. Aber über Alkohol redet man hier nicht, obwohl ein kräftiges Gebräu auf dem Markt ist.<br />Am letzten Sonntag brachten sie mir einen bewusstlosen Achtjährigen. Alle Angehörigen waren blau, und nachdem ich eine cerebrale Malaria ausschließen konnte, war mir klar, dass der Kleine auch etwas getrunken haben musste. Der Opa war ein Palmwein Hersteller. Am anderen Morgen wachte der Junge auf, war etwas konfus, strahlte aber stolz, dass auch er der Familientradition gefolgt war. So viel zum klinischen Blick.<br /><br />Soviel für heute aus Eikwe,<br />Euer KlausDr. med. Klaus Eckerthttp://www.blogger.com/profile/07090729118001582566noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-3546768395962846580.post-89204123126239615402009-09-11T21:26:00.012-12:002009-09-11T21:40:04.446-12:00Eindrücke Ghana 2009<a onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}" href="http://2.bp.blogspot.com/_mjXHVekca8Y/Sqtp_UaPA4I/AAAAAAAADVs/W44VF4q1TNE/s1600-h/IMG_5136.JPG"><img style="float:left; margin:0 10px 10px 0;cursor:pointer; cursor:hand;width: 320px; height: 214px;" src="http://2.bp.blogspot.com/_mjXHVekca8Y/Sqtp_UaPA4I/AAAAAAAADVs/W44VF4q1TNE/s320/IMG_5136.JPG" border="0" alt=""id="BLOGGER_PHOTO_ID_5380510716355609474" /></a><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br />Meine lieben Freunde und Leser meines Blogs, <br /><br />es sind schon wieder zwei Wochen nach meiner Ankunft vergangen. Die Zeit rast nur so vorüber bei der Fülle der Arbeit. <br />Diesmal brauchte ich länger als sonst um hier anzukommen, mich auf das Leben in dieser Kultur und seinen Anforderungen einzustellen. Das verwunderte mich zunächst, da es keine großen Veränderungen in Eikwe gibt und mir vieles bekannt ist. Doch offenbar hat in mir eine Veränderung stattgefunden, der ich mit mehr Ruhe begegnen musste. So habe ich mich erst jetzt dazu bereit erklärt, auch Nacht- und Wochenenddienste zu übernehmen und in den normalen Rhythmus einzutauchen. <br /><br />Die Ruhe im Außen und Innen, die ich immer mehr zu schätzen lerne, ist hier in Ghana nicht zu leben. Vielleicht mag das noch im Busch möglich sein, dort wo es keine Elektrizität gibt. Ansonsten ist ein permanenter Lärmpegel um mich herum: Musik aus allen Ghettoblastern, viel Straßenlärm, und zudem wird im Moment an sieben Tagen in der Woche an der Straße vor dem Haus und im Krankenhaus gebaut. Dazu kommt ein dauerndes Klingeln der Mobil-<br />telefone. Die Ghanaer haben manchmal nichts zu beißen, aber dennoch so ein Teil in der Tasche. In fast jeder Steckdose im Krankenhaus werden Akkus aufgeladen. Man kann tausendmal darum bitten, dass doch die Schwestern zur Visite bitte das Gerät ausstellen mögen, einer hat das Telefon immer an. Da unsere Telefonanlage im Haus nicht funktioniert, ersparen sich die Schwestern die Botengänge, indem sie das externe Netz benutzen.<br />Die Patienten wollen, dass ich die Untersuchung unterbreche, wenn sie angerufen werden. Selbstverständlich telefonieren Mitpatienten während der Visite. Erst ein Donnerwetter der Schwestern lässt dann die verärgerten Telefonierer den Raum verlassen. Diese Telefonitis ist ja inzwischen weltweit anzutreffen und gehört wohl zu unserem Leben dazu. Ohne die Sendemasten vor der Tür gäbe es auch keine Informationen aus dem Busch, also akzeptiere ich diesen Zustand. <br /><br />Ansonsten bin ich von der gesamten Mannschaft wieder recht herzlich empfangen worden. Es gab und gibt, wie schon angesprochen, einige bauliche Veränderungen im Haus. Der Kreisssaal ist jetzt der anfallenden Arbeit entsprechend groß. Das ist gut zu sehen. Auch wird durch eine Erweiterung der Ambulanz der täglichen Menge der Patienten Rechnung getragen. Die Aufnahmestation hat auch zwei neue Zimmer bekommen. Vielleicht müssen wir bald die Patienten nicht länger auf dem Präsentierteller untersuchen. Ein schweizer Architekt überwacht die Baumaßnahmen, und so ist der Standard wirklich gut. <br /><br />Des weiteren erfreut mich zu sehen, dass sich auch endlich junge Ärzte aus Ghana in diese abgelegene Region trauen. Ghana bildet wohl sehr viel neue Ärzte aus, die dem Verdrängungsdruck aus den Großstädten weichen. Es hat sich herumgesprochen, dass man in diesem Missionshospital viel lernen kann, schnell ans Operieren kommt und Kontakt mit deutschen Ärzten hat. So haben zwei Kollegen länger dauernde Verträge unterschrieben. Sie brauchen noch einige Anleitungen, das ist aber auch bei unseren deutschen Jungärzten ja nicht anders. <br />So hoffe ich, dass ich als „Senior Doktor“ hier positiven Einfluss nehmen kann. Die Ausbildung der Ghanaer ist sehr praktisch und meistens auf die Infektiologie bezogen. Die Kenntnisse in der inneren Medizin sind nicht so ausgeprägt und verbesserungsbedürftig. Ich hoffe, dass die Rotarier dem Rechnung tragen und weitere Internisten schicken werden.<br /> Jeden Tag sehe ich Patienten mit internistischen Erkrankungen, die in Unkenntnis nicht richtig behandelt werden. Es ist aber auch nicht einfach, Patienten, die viel Zeit zur Diagnostik und Therapie beanspruchen, in diesen Betrieb zu integrieren. <br />Solche internistischen Patienten bestelle ich mir immer am Dienstag, Donnerstag oder Samstag ein. Meine Übersetzerin ist von dieser zusätzlichen Arbeit nicht immer erfreut. Der Standard der medizinischen Behandlung wird in Ghana immer besser, die Krankenversicherung macht manches möglich.<br />Dieser Entwicklung kann und sollte sich Eikwe nicht entziehen. Dies macht auch die Einführung von Qualitätsstandards für Krankenhäuser in Ghana deutlich. Das Gesundheitsministerium verlangt eine Akkreditierung mit dem Nachweis der Funktionsfähigkeit der Krankenhäuser. Dabei scheint der Staat ein besonderes Augenmerk auf die privaten Kliniken und die Missionskrankenhäuser zu legen. Das ist allerdings ein Witz, denn wenn Krankenhäuser funktionieren, dann diese. Die staatlichen Kliniken leisten nur die Hälfte vom dem, was bei uns passiert. <br />Die Ärzte dort gehen und kommen, wann sie Lust haben. Am Wochenende bekommen wir ihre Kaiserschnitte aufgedrückt, weil dort kein Arzt anwesend ist. Mein Eindruck ist, dass der Staat an die Geldtöpfe der Missionskrankenhäuser herankommen möchte. Die verlangten Einschreibungen in Kurse kosten das Haus viel Geld, Zeit und Nerven. Die Ärzte müssen Fortbildungen besuchen und bekommen dafür Punkte, genau wie bei uns in Deutschland. Die Ärzte in Ghana brauchen 20 Punkte für dieses Jahr, und es ist gar nicht einfach auf diese zu erreichen.<br />So fahren drei Fachärzte, die beiden Drs. Cooper und Dr. Köthe, Ende September für 5 Tage nach Accra, um die volle Punktzahl zu bekommen. Ich bin dann mit nur noch einem Arzt allein vor Ort. Zwei Krankenhäuser um uns herum sind dann ganz ohne Arzt. Wo bleibt da die Qualität?<br />Die Fortbildungen kosten das Krankenhaus eine Menge Geld. Die Inhalte der Veranstaltungen sind bis heute noch nicht bekannt. Da ich Vorlesungen in Eikwe gebe, hat das Krankenhaus versucht auch dafür Fortbildungspunkte zu erhalten. Theoretisch wäre das durchaus möglich. Dazu bräuchte das Haus eine Berechtigung, aber diese kostet ebenfalls sehr viel Geld. Die Bearbeitung dauert so lange, dass ich schon wieder in Deutschland bin, wenn sie denn durchkommt. <br />Auch ich habe meine Zulassungspapiere vor meiner Einreise zum ersten Mal einreichen müssen und bekam eine offizielle Arbeits-<br />erlaubnis. So weit so gut, auch dafür muss bezahlt werden, und das, obwohl ich unendgeldlich arbeite. Die Rotarier haben sich geweigert dafür aufzukommen, was ich durchaus verstehe. Schwester Irmgard ist dem Streit aus dem Weg gegangen, indem sie das Krankenhaus die Gebühr zahlen ließ. <br />Sie ihrerseits wartet schon seit fünf Monaten auf das Geld der staatlichen Krankenversicherung für die durch uns geleisteten Behandlungen. Sie muss wohl einiges gespart haben, ansonsten könnte sie das Krankenhaus gar nicht weiter betreiben. Monatliche Pauschalen sind in diesem System unbekannt.<br /><br />Nun vielleicht etwas Lebendigeres. Heute war Großkampftag, was die Lobpreisungen des Herrn anging. Eikwe ist ein Dorf mit vielleicht dreitausend Einwohnern. So genau weiß das niemand. Es gibt aber sehr viele Kirchen und Glaubensgemeinschaften. Alles, was es an christlichen Gruppen gibt, ist vor Ort vertreten. Hinter meinem Apartment, ca. 500m Luftlinie, lärmt die Action Church. Vor dem Altar stehen ein Schlagzeug, große Lautsprecherboxen und andere Trommeln. Der Gottesdienst besteht aus sehr viel Schlag- und Rhythmusinstrumenten, Singen und Tanzen. Dafür langweilt der Priester die Gemeinde nicht mit langen Predigten. Die Action dauert 3-4 Stunden. Manchmal erinnert mich das mehr an ein Gymnastikstudio als an eine Kirche. Wenn die Anwesenden nicht so festlich gekleidet wären, könnte solch ein Eindruck entstehen. Freundliche Menschen, die zum Tanzen einladen. Nur tanze ich auch zu Hause selten. <br /><br />Dann hatten die Methodisten heute ein besonderes Ereignis. Eine neue Pastorin wurde geweiht. Es ist eine Mitarbeiterin aus dem Haus, die eine theologische Ausbildung bekommen hat und nun das Wort verkünden darf. Am frühen Morgen ist die gesamte Gemeinde und viele Gäste von außerhalb mit einer Band durch das Dorf marschiert. So stelle ich mir die Marching Bands in New Orleans vor. Alle hatten einen Mordsspaß und waren fröhlich. Ein bunte Mischung von gut gekleideten Christen. Die Messe dauert noch an.<br /><br />Die Katholiken waren natürlich auch nicht untätig. Drei Messen lesen sie am Sonntag. Früh für die Kinder. Die Messe besuchen auch unsere Schwestern. Werdet wie die Kinder. Sie wird weitestgehend auch in Englisch gehalten. Dann kommen die Erwachsenen dran. Manchmal gönne ich mir auch hier einen Besuch und gehe, wenn der Priester nach oben steigt, um seine Schäfchen abzukanzeln. Da wird der Gemeinde mit dem Zeigefinger und der Bibel das Evangelium eingebläut. Trägt man da wohl der afrikanischen Seele Rechnung?<br />Viele Gottesdienstbesucher sind Mitarbeiter des Hauses. Sie sehen ganz anders aus, wenn sie so fantasievoll und gut gekleidet sind, wenn die Frauen traditionell ihre Kinder auf dem Rücken tragen und mit Gold behangen sind. Von der Predigt mal abgesehen ist die Messe recht bunt. Es wird viel gesungen und getanzt. Es gibt eine Menge Rituale, Weihrauch und Gebete. Die Stimmen der Menschen sind sehr einprägsam. <br />Ich habe das Gefühl, dass die Kirche in Ermangelung anderer Ereignisse immer derart voll ist. Einige Menschen wirken irgendwie unbeteiligt, andere sind vor Verzückung außer sich, wenige wirken auf mich wirklich tief in sich ruhend. Die Kollekte ist ebenfalls bunt und umfangreich. Es wird nicht nur Geld gesammelt, sondern es gibt auch Naturalien wie Eier und Hühner, Seife und Plastiktöpfchen. <br />Nach der Messe bleiben wohl einige Familien zusammen und beenden so den einzig freien Tag der Woche. Life is very simple in Eikwe.<br /><br />Die medizinischen Probleme haben sich zu denen vom Vorjahr nicht großartig verändert. Malaria, Malaria und wieder Malaria, HIV in einem erschreckenden Maße (davon mehr extra in einem weiteren Blog) und gynäkologische Erkrankungen aller Art und Ausmaße. Die Malaria tötet nicht nur die kleinen Kinder, auch die Ungeborenen versterben bereits im Mutterleib. So haben wir heute Morgen die Geburt eines toten Kindes einleiten müssen. Die Mutter war an Malaria erkrankt. <br />2008 sind allein in unserem Haus 144 Kinder an Malaria verstorben. Die Kinder kommen völlig anämisch, brauchen schnell Blut und eine Chinintherapie. Häufig schaffen wir das nicht mehr und die Kinder versterben noch auf dem Rücken der Mutter. Das ist wirklich ein afrikanisches Problem. Es sterben weltweit mehr Menschen an Malaria als an AIDS. Schaut man aber, wie viel Geld in die Programme beider Erkrankungen fließen, dann bekommt das Projekt HIV den Löwenanteil. Denn HIV ist eine weltweites Problem, das heißt. es ist tötet auch weiße Menschen, und das wirkt sich bestimmend auf den Markt, den Einsatz und die Verwendung der Gelder aus. <br /><br />Schlechte hygienische Verhältnisse verursachen Durchfälle, die tödlich enden. Darmdurch-<br />brüche als Komplikation von Thyphus sind an der Tagesordnung. Als wenn das nicht schlimm genug wäre, sehe ich fast täglich aufgetriebene Bäuche, die durch Einläufe mit Kräutern verursacht wurden. Die Großmütter scheinen irgendwie auf die Darmtätigkeit der Enkelkinder fixiert zu sein. Wenn sie meinen, dass es sein muss, lauert auch schon die tödliche Gefahr. Sie lernen nicht oder wollen nicht lernen. So gibt es viel Aberglauben in der Bevölkerung und durch die Unkenntnis der Physiologie eines Menschen auch falsch verstandene Eingriffe. Aber darüber habe ich ja schon geschrieben. Es müsste einfach ein größeres Team von kundigen Gesundheits-<br />arbeitern her, die durch die Dörfer ziehen, sich schlau machen, wie die Menschen leben und ihnen Verbesserungsmöglichkeiten und Hilfe anbieten. Das muss schon bei den Kleinsten beginnen.<br />Sauberes Wasser wäre ein Meilenstein. Da kommt aber die Korruption ins Spiel und nichts geht mehr. So hat ein ehemaliges Mitglied des Parlaments am Ortsrand von Eikwe sich eine respektable Villa gebaut. Eine große Mauer sichert das Gelände. Auf dem Grund stand auch eine Pumpe, die das Dorf bzw. der Staat bezahlt hat. Der Besitzer des Grundstücks hat einfach seine Mauer um die Pumpe gebaut. Jetzt gehört sie ihm allein, und die Dorfbewohner holen das Wasser aus einem kleinen Fluss, der schmutzig ist. Am anderen Dorfende gibt es auch einen Brunnen, nur ist der Weg dorthin zu weit. Die Menschen scheinen stoisch solch eine Ungerechtigkeit zu akzeptieren. Sie sollten die Mauer einreißen und ihm sein Haus anmalen. Der Typ hat als Politiker viel Geld zusammen-<br />gegaunert und nimmt den Menschen das gute Wasser. Ein Unrechtsbewusstsein scheint ihn nicht zu plagen.<br /><br />So meine lieben Freunde. Ich werde jetzt noch eine Runde durch das Haus drehen, danach ein gutes Buch lesen und dann wohl<br />müde einschlafen. <br />Euer KlausDr. med. Klaus Eckerthttp://www.blogger.com/profile/07090729118001582566noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-3546768395962846580.post-33622944561409713302008-07-04T19:22:00.007-12:002009-09-22T00:19:23.818-12:00Kann Afrika die westliche Welt kopieren?Liebe Freunde,<br /><br />Ihr fragt Euch jetzt sicherlich: über was will er denn heute berichten?<br />Ich bin nun schon fast ein Jahr in Afrika tätig, und mir fällt immer wieder auf, wie von Politikern versucht wird, die sogenannte „afrikanische Rückständigkeit“ schnellstens auszugleichen und Afrika ins 21. Jahrhundert zu katapultieren. Den guten Vorsatz will ich dabei nicht einmal in Frage stellen, es fehlt aber an genügend ausgebildeten Menschen, die die Pläne in die Tat umsetzen und mit Leben füllen könnten. Dazu einige Beispiele.<br /><br />Der derzeitige Präsident hat - unter anderem mit dem Versprechen der Einführung einer Krankenversicherung - die Wahl gewonnen. Jeder Einwohner Ghanas hat nun die Möglichkeit sich zu versichern. Finanziert wird das System durch die Beiträge der Versicherten und einer Sondersteuer, also einem staatlichen Zuschuss.<br />Das Ganze begann vor zwei Jahren recht schleppend. Es gab Probleme mit der Aufklärung der Menschen, der Registrierung mit einem Pass und Foto etc... Natürlich waren die Akademiker und Stadtmenschen die Ersten, die sich versicherten. Bei uns auf dem Lande sind bislang nur wenige Menschen registriert. Sie brauchen mehr Zeit für die Aufklärung um zu verstehen, welche Vorteile ihnen diese Neuigkeit bringen kann. Das muss in den verschiedenen Stammessprachen geschehen. Und sie brauchen Geld, um den ersten Jahresbetrag zu zahlen. Auch wenn der nicht hoch ist, ist es doch für Viele eine nicht zu nehmende Hürde. Unser Personal nimmt sich wenn möglich Zeit, um die Kranken aufzuklären, leider ist Zeit aber immer knapp.<br /><br />Jetzt haben schon viele Menschen für die Versicherung gezahlt und wollen auch etwas dafür bekommen. Ich will den Menschen in Ghana nicht einmal einen Vorwurf für diesen Anspruch machen, denn selbst von den „gebildeten Deutschen“ wird das Solidaritätssystem nicht verstanden. <br />Gerade bei meinem zweiten Aufenthalt fällt mir jedoch auf, dass die Versicherten mit jeder Kleinigkeit angelaufen kommen und Medizin einfordern. „Can not sleep at night”, “can not go to toilet”, “all body pain”. Einige kommen ohne eine Anamnese, einfach mit der Forderung nach einer Sonographie oder einem Röntgenbild. Wird es ihnen verweigert, können sie recht böse werden. Wie bei uns in Deutschland gibt es ein „Doktor hopping“, das heißt, ein Arzt nach dem anderen wird konsultiert. So kommt es zu Mehrfachverschreibungen und unnötigen Kosten. Davon mal abgesehen, ist es auch gefährlich für die Patienten. Sie bekommen mit der Medizin keine „Waschzettel“ wie bei uns, zumal sie deren Inhalt ohnehin nicht verstehen würden. <br /><br />Die Operationsambulanz wird vermehrt frequentiert. Alle Männer mit Leistenbrüchen wollen operiert werden, die unfruchtbaren Frauen wollen chirurgische Eingriffe. Schwester Irmgard muss sich dann allerdings mit der Verwaltung der Versicherung um das Geld schlagen. Das angebotene Geld für die Operationen reicht nicht einmal zur Deckung der Selbstkosten. Verständlicherweise sind wir zurückhaltend mit unseren Operationen, Selbstzahler haben eine größere Chance auf die OP. Auf das uns zustehende Geld wartet die Verwaltung immer sehr lange und bekommt nie alle Rechnungen gezahlt, monatlichen Pauschalen sind völlig unbekannt. Wenn der Staat nicht seiner Zahlungspflicht nachkommt, wie soll dann die Versicherung zahlen können?<br /><br />Seit gestern müssen wir Ärzte den Versicherungen Diagnosen mitteilen, die von trainierten Verwaltungsleuten codiert werden sollen. Das geschieht alles von Hand. <br />Wir Ärzte sollen den Patienten mitteilen, dass sie mit ihrem Hochdruck nur noch vier Mal im Jahr kommen dürfen und sollen die Medikamente gleich für drei Monate rezeptieren. Auf meine Frage, wer sich denn diesen Schwachsinn ausgedacht hat, bekam ich zur Antwort, dass wir Westler unsere Patienten auch nicht anders therapieren würden. Klug gedacht, dabei wird unterstellt, dass es sich um die gleichen Menschen mit gleichem Bildungsniveau handelt. Man setzt einen Menschen, der nur seinen Esel als Transporttier kennt, in ein Auto, sagt ihm wo die Bremse und das Gas ist und lässt ihn fahren. Man kann ihn sicher am nächsten Baum verletzt abholen. <br /><br />Die politischen Vorgaben können so einfach nicht umgesetzt werden, was man den Wählern aber vorgaukelt. Es bedarf mehr vernünftig ausgebildeter Menschen, die beraten können und die gute Idee umsetzen. Das kostet Geld. Politiker sind überall auf der Welt gleich, sie versprechen Dinge, von denen sie schon im Vorherein wissen, dass sie nicht zu halten sind. Die Wähler sind auch überall dumm genug, ihnen die Lügen abzunehmen.<br /><br />Zweites Beispiel. Im Zuge dieser Codierungs-<br />reform träumt unser Verwaltungschef von einer Vernetzung der Abteilungen mit Computern an jedem Arbeitsplatz. Hat ja auch jedes Krankenhaus in Europa und den USA. Wie das funktionieren soll, kann ich mir nun überhaupt nicht vorstellen. Die Ghanaer schaffen es ja noch nicht einmal unsere Telefonanlage zum Laufen zu bringen. Die Anlage hat von Anfang an nicht ordnungsgemäß gearbeitet. Ein deutscher Techniker konnte bei der vorhanden Installation kein System erkennen und Abhilfe schaffen. Obwohl die Firma aus Accra keine vernünftige Arbeit gemacht hat, kommt sie gerne zum Reparieren, da sie dafür trotzdem kassiert. Wie soll dann so eine EDV funktionieren? <br />Von der hohen Luftfeuchtigkeit in Eikwe will ich nicht einmal reden. Die Software und Menschen, die PCs bedienen können, werden sich finden lassen. Die Hardware kann jedoch niemand warten. Trotzdem wird es an vielen Orten versucht, im Vertrauen darauf, dass es irgendwie und halbwegs klappt.<br />Zum Glück verwaltet Schwester Irmgard das Geld mit eiserner Hand, und diese Hürde muss der liebe John, mein geschätzter Verwaltungschef, erst einmal nehmen.<br /><br />Dass die Menschen in Ghana den Wunsch nach einem guten Leben und Fortschritt haben, ist nur zu verständlich. Sie sehen fern, haben Angehörige in Europa und den USA und wollen ihren Standard verbessern. Außerdem können sie sich der Globalisierung unserer Welt nicht entziehen. Dabei wird aber vergessen, dass es in der westlichen Welt ein langsamer, kontinuierlicher Weg war, auf dem auch wir Fehler gemacht haben. Die Afrikaner können diese Entwicklung nicht so einfach und schnell nachholen. Wenn sie es versuchen, werden sie krank, vor allem auch an ihrer Seele.<br />Einige der jungen Menschen, die die traditionellen Strukturen aufgebrochen haben, haben niemanden mehr, an dem sie sich orientieren können. Sie schauen auf den westlichen Konsum und sehen nicht, wie hart man dafür arbeiten muss und was er uns kostet. Häufig werden sie kriminell und schaden sich und anderen. Das Krankenhaus wurde gerade neulich um viel Geld betrogen, welches ein junger Mitarbeiter unterschlagen hat. <br /><br />So ist meine Forderung immer wieder die Gleiche: steckt viel mehr Geld in die Bildung und setzt die trainierten Leute verantwortungs-<br />voll ein! Ich sehe jede Menge kluger Menschen um mich herum. Sie wollen lernen. Es gibt soviel geistiges Potential in Ghana und sicher in der gesamten Dritten Welt. Lasst die Menschen ausprobieren und ihren eigen Weg gehen. Gebt ihnen, was ihnen zusteht. <br />Es macht keinen Sinn sie mit Preisen für Energie und Lebensmittel auszunehmen, um dann später großzügig Darlehen zu gewähren, die sie wiederum teuer bezahlen müssen. Gerade jetzt explodieren die Preise für Benzin und die Grundnahrungsmittel in Ghana. Die Menschen können die Waren kaum noch bezahlen. Das Fahrtgeld zum Krankenhaus wird bald zu einer unüberbrückbaren Hürde werden, um sich noch behandeln zu lassen. <br />Reis und Mehl ist um fast 30% teurer geworden. Wenn das Geld bei uns in Deutschland für die Familie nicht mehr reicht, gibt es noch den Staat und die Sozialhilfe, die Menschen hier jedoch hungern, werden krank und sterben.<br />Ich bin kein Pessimist und sehe, dass das Leben weiter gehen wird. Die Menschen bemühen sich trotz all der Widrigkeit und haben trotzdem ihre Fröhlichkeit und Vertrauen ins Leben. Davon kann ich immer wieder lernen und könnte mir denken, das es manchen Menschen in unserer reichen Welt gut tun würde, sich so etwas anzuschauen. <br /><br />Ich will nicht zu moralisch werden und schließe daher für heute meine Ausführungen,<br /><br />Euer Klaus.<br /><br />____________________________________________________________________<br />Ihre Messenger, Communities und E-Mails jetzt in einem Programm!<br />WEB.DE MultiMessenger http://www.produkte.web.de/messenger/?did=3071Dr. med. Klaus Eckerthttp://www.blogger.com/profile/07090729118001582566noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-3546768395962846580.post-20009242524285157282008-06-24T20:32:00.003-12:002008-06-24T20:37:27.208-12:00KorruptionLiebe Freunde,<br /><br />lange habe ich überlegt, ob ich darüber schreiben soll und wie ich es darstellen kann. Die Bestechung an allen Orten des täglichen Lebens in Ghana gehört aber zum Leben der Menschen hier, und daher sollte ich auch darüber berichten. Es ist ein Thema, das alle kennen und irgendwie auch akzeptieren, es redet aber niemand darüber, höchstens heimlich und hinter vorgehaltener Hand. Lediglich Auswüchse in größerem Rahmen werden verfolgt, und es wird versucht eine verlässliche Lösung zu finden. So auch in unserem Missionshospital.<br /><br />Mir selbst fällt immer wieder auf, dass heimlich Geld zwischen den ghanaischen Schwestern ausgetauscht wird. Ich habe mir keine Gedanken darüber gemacht, bis mir Schwester Gabi berichtete, dass sie immer wieder einschreiten müssten, wenn es zu offensichtlich wird. Grundsätzlich soll und darf es Bestechlichkeit in Eikwe nicht geben, verhindern lässt sie sich aber nicht.<br />Niemand von den Mitarbeitern aus dem Westen spricht die Sprachen der Patienten. Die meisten Patienten haben vielleicht Angst vor uns und den Folgen für sie, wenn sie sich über Korruptionen beschweren würden. Also spielen sie dieses Spiel bis zu einem gewissen Grad mit. <br />Ich wundere mich manchmal, wenn ich die Schwestern bitte einen Patienten von einer Liege in ein reguläres Bett zu verlegen, dass später jemand anderes darin liegt. Auf Nachfrage erhalte ich jede Menge Erklärungen, die mich selten befriedigen. Den Patienten wieder rauswerfen kann ich auch nicht. Die Hebammen bekommen auch immer etwas Extra zur Geburt, angeblich nur eine Seife, die sie schließlich zur Entbindung bräuchten. Es wurde ihnen aber vor längerer Zeit nachgewiesen, dass sie auch Geld verlangten, vor allem hohe Beträge von Frauen aus der Elfenbeinküste. Es gibt einen Disziplinarausschuss, der solche Vergehen bespricht und Konsequenzen aussprechen soll, Bestrafungen gibt es aber kaum. So erhalten die Betroffenen eine Verwarnung. Nicht einmal das Geld müssen sie zurückzahlen. Eine Krähe hackt der anderen schließlich kein Auge aus. Mich macht es immer traurig, wenn ich so ein Verhalten sehe, vor allem, wenn es sich dabei um Schwestern handelt, die ich sonst für ihren Einsatz schätze .<br /><br />Die Schwestern zahlen ihrerseits wiederum Bestechungsgelder, wenn sie ihre Kinder in einer guten Schule unterbringen wollen. Von dem hohen Schulgeld mal abgesehen, bekommen die Schulleiter große Geldsummen, damit sie das Kind überhaupt zulassen. Ist diese Hürde geschafft, zocken die Lehrer die Eltern ab. Sie erwarten an ihrem Geburtstag eine Party, die von den Eltern finanziert wird. Pech haben diese dann, wenn noch ein Angehöriger des Lehrers stirbt, dann müssen sie auch noch einen Teil der Beerdigung zahlen. <br /><br />An den Straßen stehen Polizeibeamte mit Laserpistolen. Es wird angeblich immer „zu schnell“ gefahren. Für den Staat nehmen die Polizisten wenig Geld ein. Warum wohl? <br />Frau Cooper, eine der Ärztinnen, hatte eine falsche Steuermarke an ihrem Auto. Das Auto sollte still gelegt werden. Erst nachdem sie zum dritten Mal die Papiere vorgezeigt hatte, die Banknote wurde natürlich größer, konnte sie fahren und hoffen, nicht in die nächste Kontrolle zu geraten. <br /><br />Die drastischste Geschichte, die mir erzählt wurde, lautete folgendermaßen: Ein alter Mann musste notfallmäßig operiert werden. Zwei Enkelinnen betreuten ihn. Angeblich hatte der Arzt darauf bestanden mit beiden Frauen zu schlafen, bevor er bereit war zum Messer zu greifen. Der Großvater verbot es seinen Enkelinnen und verstarb nach all den Diskussionen. Keine erfundene Geschichte, die Quelle ist verlässlich.<br /><br />Unsere deutschen Schwestern hatten sich bislang immer standhaft geweigert am Zoll und sonst wo irgendwelche Zahlungen zu leisten. So dauerte es immer, bis die entsprechenden Waren freigegeben wurden. Erst nachdem eine Zollbeamtin, die wohl etwas zu sagen hatte, bei uns erfolgreich behandelt wurde, erhöhte sich das Arbeitstempo. Einige Naturalien aus den Paketen aus Deutschland werden dann aber immer verteilt, über die man sich dann freut.<br /><br />Nicht nur die sowieso schon armen Leute werden ausgenommen, auch die Reichen untereinander scheuen sich nicht, sich in die Tasche greifen zu lassen oder selbst die Hand aufzuhalten. So ist unser junger Kollege Dr. S. jetzt gerade nach Accra unterwegs, um seine ärztliche Zulassung zu verlängern. Es gilt, etliche Professoren aufzusuchen, die ihre Unterschrift zu leisten haben. Leider sind alle sehr beschäftigt, und es wird ihn reichliche Zeit kosten, den amtlichen Verpflichtungen nachzukommen. Geld würde die Türen schneller öffnen. Uns fehlt er hier aber dringend. <br /><br />Auf allerhöchster Stelle lässt sich man am meisten verdienen. Es gilt dann, die Familienangehörigen in entsprechende Positionen zu bringen. Haben diese Verantwortungen für den Handel und die Vergabe öffentlicher Aufträge, kommt dies praktisch einer Lizenz zum Gelddrucken gleich. <br /><br />Das Verhalten unseres einheimischen Personals, wenn sie denn Geld verlangen, finde ich nicht zu entschuldigen. Sie selbst sind ohne jegliches Schuldgefühl für diese Handlungsweise. Mir ist klar, dass ich über sie urteile, ohne je selbst in so einem System gelebt zu haben, nur finde ich, dass doch irgendwo mal ein Anfang gemacht werden muss, damit sich auf dem Gebiet der Korruption etwas tut. Vielleicht würden öffentliche Diskussionen etwas bringen, mehr Demokratieverständnis und den Willen zur Veränderung. Davon aber ist Ghana sicher noch 50 Jahre entfernt. <br /><br />Als Nebenbemerkung dazu möchte ich Euch noch etwas erzählen. Heute morgen habe ich einen Patienten in die Universität nach Accra verlegt. Er hatte wohl gute Beziehungen zum örtlichen katholischen Priester. Dieser stellte nämlich für die Verlegung sein Auto zur Verfügung. Einen neuen schicken japanischen Landcruiser mit Aircondition, Vierrad getrieben. Der Clou war ein transportabler DVD Player, an den Kopfstützen der Vordersitze angebracht, so wie ich es von den Familien-<br />kutschen aus Deutschland kenne. Im Hinblick auf die hohen Einfuhrzölle des Staates Ghana ist das eine große Investition. Wozu braucht der Mann so ein Auto? Es gibt keine Kirchensteuer in Ghana, nur die Kollekte am Sonntag und die Spenden aus Deutschland oder der weiteren Welt. Alle im Dorf wundern sich, doch niemand traut sich den Geistlichen zu kritisieren. Pfaffen sind halt auch nur Menschen. Vielleicht fühlen sie sich dem lieben Gott näher und ziehen daraus eine Berechtigung für Vorzugs-<br />behandlung?<br /><br />Jetzt will ich aber meinen Mund halten, die schlechten Beispiele sollten reichen. Ein ganz anderes Licht fällt da für mich immer wieder auf unsere Ordensschwestern, die solchen Luxus nicht brauchen, geschweige denn wollen und die jeden Spendeneuro für die Armen ausgeben, ihre Kraft opfern und ihr Leben dieser Aufgabe gewidmet haben. Es sind Frauen, die Liebe nicht predigen, sondern leben.<br /><br />Meine Zeit rast nur so dahin, am 18.7.08 bin ich wieder zurück. Bis dann<br /><br />Euer KlausDr. med. Klaus Eckerthttp://www.blogger.com/profile/07090729118001582566noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-3546768395962846580.post-47477195104042152542008-06-14T21:00:00.005-12:002008-06-14T21:06:50.162-12:00Ghana , die ZweiteLiebe Freunde,<br /><br />ich melde mich heute wieder aus Ghana. Ich arbeite seit dem 4.6.08 an altbekannter Stelle im Missionskrankenhaus in Eikwe. Der Empfang war sehr freundlich, es war eher ein großes Hallo, was mich sehr gefreut hat. So wurde ich noch am gleichen Abend in die anstehenden Probleme eingewiesen. Irgendwie hatte ich das Gefühl nur für ein Wochenende fort gewesen zu sein. Es hat sich nicht viel geändert, die Anzahl der Patienten hat - bedingt durch die Jahreszeit - weiter zugenommen. <br />Wir haben Regenzeit, es ist in der Nacht kühler als um die Jahreswende, tagsüber ist es heiß und feucht. Ein ideales Klima für die Malariamücke und alle Arten von Infektionen. Dazu kommt, dass die umliegenden Krankenhäuser und deren Personal noch fauler geworden sind. Die Ärzte verlassen ihre Kliniken am Freitag um 13 Uhr und tauchen irgendwann montags wieder auf. So versorgen wir auch noch deren Patienten mit Kaiserschnitten und sonstigen Notfällen.<br />Für mich ist es immer wieder unfassbar, wie man so verantwortungslos sein kann. Das Verhalten der Ärzte hat jedoch für sie keinerlei Konsequenzen, weil sich niemand für diesen Missstand interessiert. Die meist armen Patienten haben keine Lobby in diesem Land. Häufig genug kommen sie auch gleich zu uns und sparen sich den Umweg. Hier wird niemand abgewiesen, auch wenn das über die körperlichen und emotionalen Grenzen von Schwestern und Ärzten geht. Ich bin ja immer nur kurz in Eikwe, umso mehr bewundere ich die langjährig anwesenden Mitarbeiter für ihren Einsatz und die nicht enden wollende, aufopfernde Arbeit.<br /><br />Ich möchte Euch heute über meine Erfahrungen in der Arbeit mit HIV/AIDS Kranken in Eikwe berichten. Da Dr. Cooper zur Zeit Urlaub hat, habe ich die Betreuung der Patienten in dieser Abteilung des Krankenhaus übernommen.<br />Der Einzugsbereich der Klinik ist sehr groß, die Patienten kommen von weit her. Das Gesundheitsministerium von Ghana hat ein nationales Programm erarbeitet, das sich an den Richtlinien der WHO orientiert. Sie haben die HIV Center mit all dem ausgerüstet, was man nach diesen Richtlinien zur Diagnostik und Therapie benötigt. Sie haben Kranken-<br />schwestern ausgebildet, die auch zu regelmäßigen Fortbildungen erscheinen müssen. Für Ärzte gibt es ähnliche Veranstaltungen. HIV Medikamente der ersten Generation sind ausreichend vorhanden, Tuberkulosemedikamente fehlen leider immer wieder. Das theoretische Konzept klingt gut, lässt Ghana in einem recht positiven Licht erscheinen und stellt die Geldgeber zufrieden.<br />Das Geld für dieses Programm kommt aus den Töpfen der WHO und dem Fund von Bill Gates, nur ist die Verteilung des Geldes nicht öffentlich. Es ist zu vermuten, dass ein großer Betrag anderweitig abgeschöpft wird. Dafür müssen die Patienten jeden Monat ca. 4 Euro für die Medikamente bezahlen plus ihre Fahrtkosten zum Hospital. Eine Menge Geld, wenn man bedenkt, dass sie häufig nicht mehr arbeiten können oder nur Minieinkommen haben. Eine neue Studie aus Kenia hat gezeigt, dass die Therapie gerade dort unverhältnismäßig häufig abgebrochen wird, wo die Patienten zahlen müssen. Ich unterstelle mal, dass, wenn das an Ghana gezahlte Geld insgesamt ausgeschüttet würde, die Behandlung von HIV kostenlos sein könnte.<br /><br />Wenn ich nun das theoretische Konzept mit der Realität vergleiche, so kann man nur verzweifeln. Von staatlicher Seite geht man davon aus, dass die Konzepte, die in den westlichen Ländern erfolgreich sind, auch für Ghana gelten können, was aber völlig unrealistisch ist. Wie will ich einem Analphabeten und kaum gebildeten Menschen erklären, was Viren sind, wie sie den Körper zerstören und ihn töten? Alles muss mündlich vermittelt werden. Informationen können sie nicht lesen, das Internet nicht nutzen. Im Center gibt es einen Fernseher und ein DVD Gerät zur Aufklärung. Meistens laufen aber für die Menschen interessantere Dinge wie Kampffilme oder Soap Operas.<br />Es gibt vier Schwestern, die die Aufklärungs-<br />gespräche führen können, die sind jedoch ständig unter Zeitdruck. Gerade unsere Patienten bräuchten viel mehr Zeit, will heißen, wir benötigen mehr Personal, was es nicht gibt. Ein Arzt ist im Moment für mehr als 100 Patienten unter Therapie zuständig und einer weit größeren Anzahl HIV Positiver ohne Behandlung. Undenkbar in Deutschland.<br /><br />Die Aufklärungskampagnen halte ich für nicht ausreichend. HIV wird wie Aussatz behandelt, man will nicht viel davon hören. Alles bleibt streng geheim und die Patienten verheimlichen häufig ihren Status. Auf den Krankenakten erscheint an einer Ecke klein die Zahl 279, das bedeutet HIV positiv. Einige Betroffene werfen ihre Karte fort, damit ihr Stigma sich auflöst, sie wollen und können ihre Erkrankung nicht akzeptieren. Beim nächsten Krankenhausbesuch verlangen sie eine neue Karte, schildern ihre Beschwerden und hoffen auf Hilfe. Wenn nicht zufällig eine Schwester sich an den Patienten erinnert, werden alle Untersuchungen erneut durchgeführt mit einem hohen Ansteckungspotential für alle Beteiligten.<br />Über ihre Verantwortungslosigkeit sind die Menschen hier sich noch nicht einmal bewusst. Für die meisten Patienten ist diese Krankheit nur ein persönliches Problem, an die Konsequenzen für den Partner, die Familie, geschweige für die Gesamtbevölkerung denken Wenige. Über den Gebrauch von Kondomen wird gesprochen, die Schwestern müssen ihnen die Gummis aber fast nachtragen. <br />So habe ich gestern bei einer Frau eine HIV Therapie begonnen, die im vierten Monat schwanger ist und seit sieben Monaten weiß, das sie positiv ist. Der Mann ist vor einigen Jahren gestorben, ebenso die letzten zwei Kinder. Sie hat einen Freund, der verheiratet ist. Nun wird er sicher auch seine Frau anstecken. Vielleicht war er ja noch negativ, bevor er seine Freundin kennen lernte, die sicher schon eine längere Zeit das Virus hat. Im Konzept der Regierung steht, dass eine gute Aufklärung Erfolg haben wird.<br /><br />Heute kam eine HIV positive Frau nach einer häuslichen Entbindung in die Ambulanz. Sie war so stark gerissen, dass sie sehr viel Blut verloren hat und genäht werden musste. Das Blut ist sicher in ihrer Hütte verteilt, durch die Laken in die Matratze gelaufen. Die Schwiegermutter, die geholfen hat, hatte keine Handschuhe an oder sich auch nur irgendwie geschützt. Im Programm der WHO und Ghana steht, dass man bei HIV positiven Schwangeren - wenn möglich - einen Kaiserschnitt favorisieren soll.<br />Einen vorzeitigen Blasensprung gilt es zu vermeiden, Scheidenrisse sollte es nicht geben. Das Baby soll am besten mit wenig Körperflüssigkeiten der Mutter in Kontakt kommen. Darüber wurde diese Mutter im Vorfeld aufgeklärt, sie sollte bei uns entbinden. Die Schwiegermutter hat aber auf die Hausgeburt bestanden. „Was für mich gut war, ist mindestens genau so gut für Dich.“ Die Schwiegermutter wusste von der Erkrankung nichts, es wäre ihr sicher auch egal gewesen. So sahen wir das Baby noch früh genug, dass es wenigstens noch seine Prophylaxe bekommen konnte. <br />So weit klaffen Theorie und Praxis auseinander.<br /><br />Dass die HIV Therapie wirkungsvoll ist, sehe ich auch in Eikwe. Die Menschen fühlen sich wieder besser und werden mitunter auch wieder arbeitsfähig. Ein positiver Effekt. Sie werden aber auch wieder sexuell aktiv, was ich vielfach als etwas Negatives sehe, wenn die Kranken nicht die entsprechenden Schutzvorkehrungen treffen. Sie fühlen sich halt nicht mehr krank und kommen dann auch nicht mehr zu den Kontrollen, sondern brechen die Therapie ab.<br />Für die Mitarbeiter ist es häufig schwer die Patienten zu suchen und zur Rede zu stellen. Es gibt kein Telefon, keine vernünftige Adresse. Am Fluss vierte Palme links, was immer das auch heißen mag. <br />So warten wir halt, bis der Betroffene wieder schwach, müde und abgemagert gebracht wird. Resistenzmessungen und andere spezialisierte Untersuchungen können wir nicht machen. So bleibt zu hoffen, dass die Medikamente, die wir noch zu Verfügung haben, wirken werden. Das ist die Realität, und ich weiß nicht, ob diese Daten in den Berichten an die Geldgeber erscheinen, oder wie die Statistiken aussehen. Wir melden unsere Zahlen korrekt an die übergeordnete Behörde.<br /><br />Ich glaube fest, dass Ghana oder ganz Afrika das Problem HIV/AIDS nicht in den Griff bekommen wird. Es ist nicht damit geholfen eine Diagnostik und Therapie anzubieten, ohne die Lebens-<br />umstände der Menschen in Afrika oder der gesamten Dritten Welt zu verändern. Die HIV positiven Menschen in Afrika sterben sehr schnell, worüber ich immer wieder betroffen bin. Ich fände es weitaus sinnvoller, wenn das Geld für Bildung ausgegeben würde. Unsere Schwestern gehen häufig in Schulen, um mit Jugendlichen, die bald ihre Sexualität entdecken, zu reden. Sie versuchen eine umfassende Aufklärung zu geben und finden dabei eine große Aufmerksamkeit. <br />Das sollte die Zielgruppe aller Kampagnen sein, denn die bereits Erkrankten sind eigentlich schon verloren. Die Bildung und Aufklärung der jungen Bevölkerung ist dagegen eine Investition in die Zukunft. Leider denken Politiker selten an die Zukunft, da sie jetzt gewählt werden wollen und sofort vorzeigbare Ergebnisse wollen.<br /><br />Noch einige Daten:<br />· derzeit gibt es weltweit etwa 40 Millionen HIV positive Menschen, davon leben ca. 90% südlich der Sahara, Tendenz steigend<br />· 5,7% oder 2,3 Millionen davon sind Kinder unter 15 Jahren, Tendenz steigend <br />· jede Minute stirbt ein Kind an einer durch HIV verursachten Erkrankung<br /><br />Mehr will ich nicht dazu sagen, wir kämpfen in Eikwe weiter. Gibt es sonst andere Alternativen? Ich hoffe nur, dass es nicht schlimmer wird.<br /><br />Jetzt gehe ich schlafen, der Freitag ist immer ein harter Tag.<br /><br />Euer KlausDr. med. Klaus Eckerthttp://www.blogger.com/profile/07090729118001582566noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-3546768395962846580.post-91196960018566919152008-03-04T04:59:00.004-12:002008-03-04T05:08:20.265-12:00Abschließende GedankenLiebe Freunde,<br /><br />nun bin ich schon wieder 14 Tage in Bremen und bin immer noch sehr mit meinen Gedanken in Eikwe, zumal ich Ende Juni nochmals für 6 Wochen dort arbeiten werde. Dieser erneute Einsatz zeugt auch davon, dass ich mich mit der Arbeit und den vorgefundenen Bedingungen sehr wohl gefühlt habe im Vergleich zu der Arbeit im Sudan. Die Organisation „German Rotary Volunteer Doctors e.V.“, kurz GRVD, hält es für notwendig, regelmäßig deutsche Ärzte zur Unterstützung in das Missionshospital Eikwe zu entsenden.<br />Das wirft natürlich die Frage auf, warum Entwicklungsländer immer wieder diese Hilfe brauchen. Wo sind die ghanaischen Ärzte? Z.B. In London! Es gibt mehr ghanaische Ärzte in London als in der Hauptstadt Accra, ganz zu schweigen von den ländlichen Regionen. Ich habe gehört, das 80% der in Ghana oder für Ghana ausgebildeten Ärzte im Ausland arbeiten. Das sogenannte „Brain Drain“ Afrikas. Warum muss das so sein? Ich kann einerseits die afrikanischen Kollegen verstehen, dass sie sich für sich und ihre Familie ein besseres Leben wünschen, andererseits sind sie aber ihrem Land und den Menschen zu einem gewissen Dank verpflichtet. Wenn immer wieder Eliten das Land verlassen, kann sich kein wirklicher Fortschritt entwickeln. Der Kollege Cooper hat in Russland Medizin studiert. Russland hat für lange Jahre die Ausbildung von Afrikanern unterschiedlicher Nationen finanziert, warum auch immer. Es war wohl noch ein Relikt aus den Zeiten des kalten Krieges und der Einflussnahme auf diesen Kontinent. Danach hat Dr. Cooper eine erste Stelle in Eikwe gefunden. Die war an sich schon untypisch, da die meisten Ärzte in großen Städten arbeiten wollen. Nach zwei Jahren in Eikwe hat er ein Stipendium bekommen und in Deutschland eine gynäkologischen Facharztausbildung erhalten, die ihm auch die Möglichkeit gegeben hätte, bei uns zu arbeiten und zu leben. Er ist aber zurück in den Busch gegangen. Seine Motivation war die Entwicklung Ghanas und seine Liebe zu den Menschen dort. Diese Einstellung muss aus dem Herzen kommen, man kann sie kaum lernen. <br />Da den meisten afrikanischen Ärzten so ein Mitgefühl fehlt, muss man ihnen das Bleiben abringen. Das kann der ghanaische Staat nur bedingt leisten. Ein finanzieller Anreiz und die Aussicht auf eine ausländische Facharzt-<br />ausbildung wären sicher eine Verlockung. Dazu gehört aber auch die Mitarbeit der westlichen Staaten. Sie müssten den afrikanischen Ärzten nach der Facharztausbildung eine Anstellung verweigern. Dann und nur dann würden die Kollegen in Afrika bleiben, da ihnen die fehlende finanzielle Basis in den westlichen Ländern entzogen würde. Die entwickelten Staaten und das Kapital bedienen sich aber an dem afrikanischen geistigen Potenzial und Reichtum in jeglicher Hinsicht und es ist ihnen egal, wie es dem Land in der Ferne und seinen Menschen ergeht. Das schlechte Gewissen wird durch Spenden verdrängt, am wirkungsvollsten, wenn uns von neuen Katastrophen berichtet wird. Wir entsorgen dort unseren Müll, unsere alten Autos (in Ghana dominiert Opel), zerstören ihre Landschaft und betrachten es irgendwie als gutes Recht, legitimiert durch die Zahlung der Waren und Leistungen, wobei das Kapital des Westens den Preis bestimmt. Die Zahlung von Entwicklungshilfe gibt dem Ganzen dann noch ein humanes Mäntelchen. Die Frage nach Gewinnern und Verlierern ist schnell beantwortet.<br /><br />Die kranken Menschen in Ghana sind die Verlierer, wenn man die medizinische Situation betrachtet. Daher finde ich es auch richtig, dass deutsche Ärzte kommen und sich um diese Menschen kümmern. Ebenso gilt es, die afrikanischen Ärzte zu unterstützen und zu motivieren. Ich empfand unsere Zusammenarbeit in Eikwe als sehr kollegial und befruchtend. Wir haben jeder voneinander gelernt und einander unser Wissen zur Verfügung gestellt. Ich habe einen Schnell-<br />durchgang durch die Gynäkologie erlebt und konnte die neuen Diagnostik- und Behandlungsmethoden in der inneren Medizin und Tropenmedizin vermitteln. Gemeinsam wurden neue Standards und Richtlinien definiert. So habe ich es mir immer gewünscht in Deutschland zu arbeiten, nur leider viel zu selten erlebt. Auch hier können wir von unseren afrikanischen Kollegen lernen. <br /><br />So gut wie wir z.B. in Deutschland ausgebildet sind, so gut können wir als Ärzte in Afrika nie sein. Zum einen fehlt uns häufig die technische Ausrüstung, von der wir abhängig geworden sind, zum anderen fehlt uns das Verständnis für die fremde Kultur und Sprache. Auch da haben uns die afrikanischen Ärzte Einiges voraus. Ärztliche Arbeit lebt von der Sprache, darüber bekommen wir einen Zugang zu den Patienten. Wenn sie mir ihr Leid erzählen, ist vielfach schon geholfen. Sie können Vertrauen schöpfen, wenn ich meine Anteilnahme ausdrücke. Ich rede aber nicht in ihrer Muttersprache und muss alles übersetzen lassen. Was davon dann zum Patienten gelangt und in welcher Form, entzieht sich meiner Kenntnis. Viel liegt dabei auch an der Motivation und Erfahrung des Übersetzers. Wegen dieser Sprachbarriere sind immer wieder eigene Erfahrung, gute medizinische Kenntnisse und der klinische Blick gefragt. Ich bin zwar jetzt seit 10 Jahren mit der Drittweltarbeit vertraut, kann aber nicht sagen, dass ich immer richtig liege mit meiner Diagnostik und Therapie, wenn ich die Ergebnisse meiner Arbeit sehe. Es gibt im Kontakt mit den Menschen so viele Unwägbarkeiten, die in diese Arbeit einfließen. Sie lassen einen manchmal verzweifeln. Da fangen plötzlich Wunden an zu eitern ohne erkennbaren Grund. Später erfahre ich, dass die Angehörigen dem Operierten eine Masse auf den Bauch oder die Wunde geschmiert haben, die alles sein kann bis zum Morgenurin der Ziege. Von den jungen Menschen, die im Nierenversagen sterben, habe ich schon berichtet. Im Sudan habe ich Menschen in einem zentralen Fieber versterben sehen, auch sie hatten aus irgendeinem Grund Kräuter von Fetischpriestern bekommen. Für uns in Deutschland unvorstellbar, in Afrika die Regel.<br />Jeder Ort in der dritten Welt, an dem ich gearbeitet habe, hatte seine eigenen Probleme und Eigenarten. Sie mussten mir erklärt werden, meine Aufmerksamkeit musste darauf gerichtet werden, die einheimischen Kollegen kennen die Details, manchmal sogar die Menschen, die für die Probleme verantwortlich sind. So muss man irgendwie versuchen, einen Zugang zu den Menschen zu finden. <br />Anfänglich war ich nur sauer, aber auf wen? Ich bemerkte, dass ich der Außenseiter war, und dieses Gefühl behagte mir nicht. Ich habe dann versucht, nicht nur die Unvollkommenheiten zu beklagen, sondern auch das Positive zu sehen und zu betonen. Erst da bekam ich einen besseren Zugang zu den Menschen und ihren Problemen. So haben wir in Eikwe eine Zusammenarbeit mit einem Heiler begonnen, der schon seit vielen Jahren Knochenbrüche in der Region behandelt. Ich hatte in Deutschland von einer Frakturbehandlung nach Samiento gehört. Genau nach diesem Verfahren arbeitet der Bone Setter in Eikwe. Er hat zwar nicht so schöne Plastikmanschetten wie wir in Deutschland, sein fein bearbeiteter Bambus hat aber die gleiche Wirkung. Wir haben ihn angesprochen, da uns der Gips fehlte und ich ihn außerdem gerne kennen lernen wollte. Ich habe ihm zugeschaut und bin von seiner Arbeit nun überzeugt. Er schickt die Patienten in bestimmten Abständen zum Röntgen und wir sehen den Erfolg. Allen ist dabei geholfen. Der Heiler fühlt sich akzeptiert, er schickt uns Patienten, die zusätzliche Hilfe brauchen, der Patient bekommt eine kostengünstige Behandlung ohne Messer und Infektionen, das Hospital wird noch besser akzeptiert.<br /><br />Ich habe es aufgegeben die Menschen verstehen zu wollen. In dieses Verstehenwollen fließt immer eine, vor allem meine, Wertung und Bewertung mit ein. Dieser Fakt verbaut mir aber den Zugang zu einer fremden Kultur. Ich versuche sie zu nehmen, wie sie ist, was nicht heißen soll, dass ich alles kritiklos schlucke. Ich kenne meine Grenzen und versuche diese deutlich zu machen, genau so wie ich ihre Grenzen akzeptiere und sie nicht überschreite. Manchmal ist das ein mühevolles Unterfangen. Es lässt mich aber in der fremden Kultur überleben. Das ist meine Erfahrung in all den Jahren meiner Arbeit und des Reisens in fremde Länder. Respekt vor den Menschen zu haben ist mir wichtig, Mitgefühl und Liebe für den Nächsten zu praktizieren. Dabei ist es unerheblich, wie gut oder schlecht der Mensch gekleidet ist, welcher Religion er angehört oder wie „gebildet“ er ist. <br />Der Dalai Lama sagte einmal: „Wenn wir das Mitgefühl sorgfältig pflegen, werden wir sehen, dass es die anderen guten menschlichen Eigenschaften hervorbringt“. Die Liebe zu den Menschen und die Vermittlung dieser Haltung öffnet Tore. Meines Erachtens ist Liebe die Grundlage des Mitgefühls. Liebe und Mitgefühl sind an keine Lehre oder Überzeugung gebunden, auch an keine Religion. Sie sind der Ursprung des Lebens selbst. Sie sind das, worauf sich wahre Menschlichkeit gründet. <br /><br />So fahre ich auch ein zweites Mal und wohl auch noch des öfteren nach Eikwe. Ich werde weiterhin versuchen etwas von mir zu geben, versuchen zu lernen und zu wachsen. Auf die Kollegen und Mitarbeiter freue ich mich. Ich weiß, dass ich wieder viel arbeiten muss, diese Arbeit aber macht mich zufrieden. Der oft stumme Dank der Kranken und das fröhliche Lachen der wieder genesenen Kinder machen mir ein gutes Gefühl. Ich lebe!<br /><br />Meine freie Zeit nutze ich im Moment auch für Dinge, die sonst liegen bleiben. So findet Ihr unter www.picasaweb.google.de/dr.med.klauseckert ein Fotoalbum von mir. Zur Zeit gibt es Bilder aus Ghana, dem Sudan, Nepal und von einigen von Euch. Die Galerie wird je nach Zeit erweitert.<br /><br />Ich wünsche Euch allen einen blühenden Frühling<br />Euer <br />KlausDr. med. Klaus Eckerthttp://www.blogger.com/profile/07090729118001582566noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3546768395962846580.post-86991973918850134992008-01-28T02:32:00.000-12:002008-01-28T02:46:23.095-12:00Ach, Afrika, Teil dreiLiebe Freunde,<br /><br />heute beginnen meine letzten vier Wochen in Eikwe. Es ist sicher noch nicht die Zeit, um ein Fazit zu ziehen, es scheint aber so, dass es heute hier etwas ruhiger zugehen wird - was sich in Eikwe allerdings schnell ändern kann. So nutze ich die Zeit, um mich wieder bei Euch zu melden. Die Schwestern beten schon den ganzen Morgen, und die Action Church lärmt im Hintergrund. Es scheint eine Art von Sekte zu sein, von denen es viele in Ghana gibt. Diese Kirche zeichnet sich dadurch aus, dass ihre Gottesdienste enorm laut sind, es wird viel getrommelt, und dazwischen wird Jesus! geschrieen oder ein Halleluja!. Also Action im Sinne des Wortes. Das dauert immer so etwa drei Stunden, und die Menschen kommen ziemlich verschwitzt, aber strahlend, aus der Bretterbude heraus, die sie sich als Versammlungsraum gezimmert haben. Diese Form von Gottesdienst scheint den Menschen in Afrika am liebsten zu sein.<br />Der Sonntag ist den Menschen hier heilig und etwas Besonderes. Das erinnert mich an meine Kindheit. Auch damals wurde für meinen Vater der Sonntagsanzug herausgelegt und wir Kinder bekamen eine ähnliche Verkleidung verpasst. Fürchterlich, da man sich nicht schmutzig machen durfte und der Tag irgendwie kein Ende zu nehmen schien. Immerhin blieb uns später der Kirchgang erspart. Hier ist der Besuch der Kirche aber die einzige Abwechslung vom täglichen Trott und dem immer währenden Kampf ums Überleben. Wenn man noch nie in solchen Verhältnissen gelebt hat, kann man sich das kaum vorstellen. Da die wenigsten von Euch solche Erfahrungen kennen, möchte ich einfach mal einige Schicksale beschreiben. Ich blicke jetzt auf zehn Jahre Arbeit in Drittweltländern zurück und kann sagen, dass es dabei egal ist, ob man in Südamerika, Asien oder Afrika tätig ist. Dort, wo es Armut gibt, leiden die Menschen und werden zwangsläufig krank und sterben früh. Diese Situation ist überall ähnlich.<br /><br />Ich will jetzt nicht über die einzelnen Kulturen sprechen, da gibt es sicher Unterschiede, und der Wille zur Veränderung ist unterschiedlich stark ausgeprägt. Eines ist jedoch offensichtlich: die Armut ist nicht selbst verursacht und die Menschen werden kaum eine Chance haben, sich aus dem Dreck zu ziehen, wenn sich die Rahmenbedingungen der Weltwirtschaft und der Globalisierung in Zukunft nicht wesentlich ändern. Die Menschen in den Drittweltländern sind seit jeher ausgebeutet worden, und diese Ausbeutung hält unverändert an. Wir Weißen versklaven sie nicht mehr im ursprünglichen Sinne, wir geben ihnen aber einfach nicht, was ihnen zusteht, und so betrügen wir sie weiterhin. Die Macht des Kapitals, das Geld der weltweit operierenden Firmen, hat ein Monopol aufgebaut, das billig Arbeitskräfte einkauft, die Bodenschätze der Länder plündert und zerstörte Landschaften zurück lässt. Die Menschen, die bleiben müssen, werden allein gelassen und sterben an den Folgen des Raubbaus. Sie haben sowieso nicht viel von der Ausbeutung der Bodenschätze gehabt. Die gut dotierten Posten gehören den Weißen, die einfache Arbeit bleibt über. Arbeitsschutz ist dabei ein Fremdwort. Das tägliche Leben wird teurer, die Töchter prostituieren sich, wollen raus aus dem Dreck, aber der „Freund“ wird sie nicht mitnehmen... Er hinterlässt, wenn die Mädchen Glück haben, nur ein Kind, wahr-<br />scheinlicher ein Kind und HIV. Das Kapital zieht weiter auf seinen Beutezügen, ohne sich Gedanken über die Folgen zu machen. Dem Ganzen wird ein Mäntelchen der Legalität umgehängt, indem man Verträge mit den jeweiligen korrupten einheimischen Politikern abschließt. Das Geld wandert wiederum auf europäische Konten der Potentaten und wird in Villen in London, in der Schweiz oder sonst wo investiert. Die großen Firmen haben sogar Privatarmeen in Afrika, um zum Beispiel ihre Diamanten oder Goldminen zu schützen. Es wird auch vor keinem Tyrannenmord zurück-<br />geschreckt, wenn es dem Profit nutzt. Diese Form des Postkolonialismus findet man vor allem in Afrika. Peter Scholl-Latour hat vor einiger Zeit ein sehr interessantes Buch darüber geschrieben: „Afrikanische Totenklage. Der Ausverkauf des Schwarzen Kontinents“. Er konnte sehr einfach nachweisen, dass all die fürchterlichen Kriege in Afrika nach der Selbstständigkeit der Staaten letztlich Stellvertreterkriege der großen Firmen und ideologische Grabenkämpfe der Weltmächte USA/kommunistische Staaten waren. Vor allem die Amerikaner haben da immer die Finger im Spiel, um ihre Interessen zu wahren. Für ein gutes Geschäft wird gemordet, gefoltert und weiß Gott welche Perversitäten angeordnet. Wie sollen sich einfache und dazu noch ungebildete Menschen gegen diese Macht wehren? Es gibt da eigentlich nur zwei Wege. In Demut alles hinnehmen, was sich in Afrika zur Zeit noch abspielt oder radikal werden und alles zerstören. Die Frage ist, wer mehr zu verlieren hat, die Armen oder die Reichen. Für mich ist die Antwort ganz klar. Wenn wir Europäer kein Auto mehr fahren können, weil es kein Öl mehr gibt oder wenn ein Flugzeug in ein Hochhaus knallt, dann kracht bei uns die Börse in den Keller, Panik bricht aus, wir fühlen uns verloren. Wenn ein Wirbelsturm über die Grashütten in Afrika hinweg rauscht, sind diese zerstört, stehen aber wieder in drei Tagen. Die Menschen haben ihr Hab und Gut verloren, leiden in dem Sinne aber kaum, da es eh nicht viel zu verlieren gab. Sie haben aber ihren Zorn und Stolz, der für uns kaum zu verstehen ist. Ich finde die Menschen in Afrika nicht berechenbar, soweit ich das nach sechs Monaten sagen kann, was aber Langzeitexperten bestätigen. Sie können in einem Wahn töten und morden, der für uns nicht vorstellbar ist. Beispiele sind die Exzesse in Liberia und Sierra Leone. <br /><br />Afrika scheint noch weit entfernt von Europa zu sein. Der Exodus findet aber schon statt. Ich erinnere da an die vielen Afrikaner, die auf unseren heiß geliebten Kanaren jeden Tag anlanden. Noch können wir unseren Urlaub nur einige Kilometer entfernt genießen, das kann sich aber schnell ändern. So hohe Zäune kann es nicht geben, dass Menschen sie nicht über-<br />winden könnten, wenn ihnen die Not keine andere Wahl lässt. Dann werden wir die afrikanischen Probleme am eigenen Leib spüren und erleben. Diese Emigranten werden sich nicht in unsere Lebensgemeinschaft integrieren lassen. Dazu ist die Lebensweise zu verschieden, der Bildungsstandard zu unterschiedlich. Die Kriminalitätsrate wird ansteigen, denn, was man mir nicht freiwillig gibt, das nehme ich mir, lautet die Devise. Wir Westler sind es nicht gewohnt uns entsprechend wehren zu müssen. Wahrscheinlich werden wir uns dann später in bewachten Wohngegenden wiederfinden, in denen wir unseren Rassismus pflegen können, da alles Böse von Außen kommt.<br /><br />Jetzt bin ich aber etwas abgeglitten. Nun wieder zurück zu meinem derzeitigen kleinen Mikrokosmos. Viele der Menschen in Eikwe sind Fischer und leben seit Jahrhunderten von ihrer Arbeit. Seit etwa 5 – 8 Jahren besteht ein Abkommen zwischen der EU und den Regierungen Westafrikas. Der Fischfang innerhalb der staatlichen Fischereizonen wurde den großen Flotten erlaubt. Das Vertrags-<br />volumen beträgt etwa 40 Millionen Euro jährlich. Die großen Flotten haben unserer nordeuropäisches Meer leergefischt, jetzt geht es vor Afrika weiter. Der Wert der gefangenen Fische beträgt auf dem europäischen Markt etwa 200 Millionen Euro. Die Fischer von Eikwe fangen seitdem nur noch wenig. Ich sehe auf dem Markt selten einen großen Fisch und wenn, dann landet der unter Umständen noch auf unserem Tisch. Die kleinen Fische kann man nur räuchern, was den Nährwert beträchtlich schmälert. So haben die Fischer große Verdienstausfälle, das gute Eiweiß fehlt in der Nahrung, die Unterernährung nimmt zu. Einen Ausgleich des Verdienstausfalls gibt es nicht. Wer ist der Verlierer? Einen der Fischer habe ich gestern als Patienten gesehen. Die Tuberkulose war schnell diagnostiziert bei ihm. Er kann jetzt erst einmal für längere Zeit nicht arbeiten. Bei uns bekommt er die TB-Medizin kostenlos, die Kosten des Krankenhauses und die Begleitmedikation muss er aber selbst zahlen. Da sind seine wenigen Ersparnisse schnell aufgebraucht. Er hat noch Glück, dass er bei uns gelandet ist. Ein kleineres Krankenhaus, weiter westlich von uns, verkauft die Medikamente an die TB-Kranken, obwohl es Spenden aus Dänemark sind und auf der Packung steht, dass sie nicht verkauft werden dürfen! Die Patienten wissen das nicht, der betrügerische Arzt will das zusätzliche Einkommen, die Behörde will den Arzt nicht vergraulen, da sie froh ist, dass er überhaupt dort arbeitet. Es interessiert sie auch nicht wirklich. Eigentlich müsste der Staat viel mehr Geld für die Patienten ausgeben, da er Geld aus dem Topf der WHO bzw. des Global Fund bekommt. Schaut man auf die offizielle Seite des Gesundheitsministeriums von Ghana, dann wird die sogenannte DOTS TB Behandlung angeblich nach den Richtlinien der WHO durchgeführt. Das stimmt jedoch nicht, zumindest nicht in unserer Region. Nach den DOTS Richtlinien muss ein unabhängiger, allgemein respektierter Mensch die tägliche Medikamenteneinnahme überwachen. Das verlangt, eine entsprechende Infrastruktur in den Dörfern zu schaffen. Diese Mühe machte man sich von offizieller Seite nicht, und vom Personal unsres Hauses ist diese Aufgabe nicht auch noch zu schaffen. Es gibt im derzeitigen System lediglich Familienmitglieder, die die Therapie unter einander überwachen. Diese Form ist aber von den Geldgebern nicht gewollt, und sie funktioniert auch nicht. Entsprechend hoch ist die Rate der Therapieversager und der Patienten, die ihre Therapie vorzeitig abbrechen. Im Jahr 2007 waren das immerhin 15%, was unglaublich viel ist. Diese Zahlen findet man natürlich auf keiner offiziellen Verlautbarung des Staates. So kann keine sinnvolle TB-Therapie durchgeführt werden. Der Staat lässt die Menschen wieder allein. Da die antibiotische Therapie der TB sehr effektiv ist und schnell anschlägt, fühlen die Menschen sich schnell besser und sehen dann natürlich nicht ein, warum sie sich länger behandeln lassen und dafür Geld ausgeben sollten, Geld, das auch nicht vorhanden ist und für das sie sich verschulden müssten. In Indien dagegen habe ich gesehen, wie das DOTS-System funktionieren kann, wenn man sich bemüht und die entsprechende staatliche Unterstützung gewährleistet ist.<br /><br />Ghana exportiert leckere Ananas. Diese wird während des Reifungsprozesses mit Chemikalien besprüht, die in Europa/USA/Indien hergestellt werden. Es ist das pure Gift. Im Beipackzettel steht, dass man beim Spritzen entsprechenden Schutz, Atemmasken etc. benutzen soll. Der Arbeiter kann das nicht lesen, den Planta-<br />genbesitzer interessiert das nicht, er will nicht in diese Dinge investieren. Der Arbeiter sprüht ohne jegliche Vorsichtsmaßnahmen. Dann kommt zu uns mit einer zunehmenden Luftnot. Man hört zwar kaum Lungengeräusch, der Mensch sieht noch irgendwie rosig aus. Im Röntgenbild sieht man allerdings dann eine schlimme atypische Pneumonie, die nur mit teuren Antibiotika intravenös behandelt werden kann. Wenn der Patient wieder gesund geworden ist, hat er seinen Job verloren, ca. 50 Euro Behandlungskosten gezahlt und einen Schaden an der Lunge, der ihn in Zukunft häufigere Entzündungen erleben lässt. <br /><br />Über das Problem HIV/AIDS will ich heute nichts berichten. Das ist die Zeitbombe überhaupt. Das Problem bekommt Afrika nicht in den Griff, auch wenn es andere, offizielle Meinungen darüber gibt. Einzig eine Impfung könnte die jungen Leute retten. Die Infizierten sind verloren. <br /><br />Manchmal habe ich das Gefühl, ich sollte von meiner medizinischen Arbeit Abstand nehmen und mich mehr politisch engagieren. Dann sehe ich jedoch die Politiker, die sich wichtiger nehmen als sie sind, denn Macht besitzen sie eh nicht. Sie lassen sich korrumpieren, weil sie ihr bisschen Ego bestätigt sehen wollen und kleben an ihrem Posten. Die Macht ist aber auf Seiten der großen, weltweiten Konzerne. Sie mani-<br />pulieren und suchen sich die Politiker aus, die ihnen genehm sind. Dazu habe ich wenig Lust und zudem kaum eine Chance. Gibt es unab-<br />hängige Organisationen, die wirklich etwas für die Armen und Rechtlosen machen und mit denen man arbeiten kann? Ich habe mich noch nicht bemüht, das genauer zu erforschen. Ist es nicht ebenso gut, auf dem Kissen zu sitzen und der Welt etwas von der guten Energie, die sich daraus ergibt, zukommen zu lassen? Ich beschäftige mich im Moment sehr viel mit Mystik und versuche in der Stille eine Antwort zu finden. Williges Jäger hat mir gesagt, dass der mystische Weg immer wieder zurück in die Welt und in die Weltverantwortung führt. „Er führt in Aktion, ins Handeln und zum Mitmenschen und ist Grundlage einer Ethik der Liebe, die im anderen Menschen sich selbst erkennt. Wir brauchen diese mystische Erfahrung, um die Erde und die Menschen heil in die Zukunft zu bringen“. Ich konnte es nie so gut ausdrücken wie Williges, habe die Wahrheit dieser Worte aber immer tief in meinem Innern gespürt. Im Moment überprüfe ich mich sehr, ob es für mich noch stimmig ist in solcher Aktion zu bleiben. Ich habe viel erlebt und eine Menge Erfahrungen gesammelt. Diese Erfahrungen gilt es neu zu überdenken. Ich fühle mich häufig allein. Renate fehlt mir, der Austausch mit meinen Freunden fehlt mir. Vieles geht in meinem Kopf herum und will bedacht sein. <br /><br />Erstaunlicherweise ist es so, dass ich immer wieder Menschen ein wenig Mut machen kann, gerade dann, wenn ich stimmungsmäßig selbst etwas down bin. Dies wird dann an kleinen Begebenheiten deutlich. Gerade hier in Eikwe. Die Menschen sind schon froh, dass es dieses Krankenhaus gibt, von dem ich ein Mitglied geworden bin. Gelegentlich kommt doch ein leises Danke oder mal ein Handvoll Bananen. Was will ich mehr?<br /><br />Also, bis in vier Wochen.<br />Euer KlausDr. med. Klaus Eckerthttp://www.blogger.com/profile/07090729118001582566noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3546768395962846580.post-6405474517611414362008-01-14T22:02:00.000-12:002008-01-14T22:19:59.009-12:00Ach, Afrika, zweiter TeilAus dem Sudan hatte ich ja schon berichtet, wie schwer es mir fällt, die Afrikaner zu verstehen. Ich hatte allerdings gehofft, dass es vielleicht nur in diesem vom Bürgerkrieg so zerstörten Land so sein würde, da die Menschen dort nur Krieg kennen, Krieg, der sie zu dem werden ließ, was ich erlebt und beschrieben habe. Ghana dagegen ist ein freies Land und politisch stabil, dennoch erlebe ich die Menschen in Eikwe ähnlich wie die Menschen, die 2.000 km weiter östlich leben. Die sprichwörtliche afrikanische Fröhlichkeit erscheint mir oberflächlich und als Teil einer Kultur, die mir kaum zugänglich ist. Es wird getanzt und alles locker gesehen; immer ist man dabei auf den eigenen Vorteil und den der Familie bedacht. Um sich einen Vorteil zu verschaffen, benutzt man alle Tricks, die zur Verfügung stehen. Die Ehrlichkeit bleibt dabei auf der Strecke. Ich finde es sehr befremdlich, dass ich den Menschen eigentlich nie trauen kann. Man wird immer wieder so offensichtlich belogen, dass ich nur noch vorsichtig und teilweise sehr misstrauisch bin, was ganz gegen meine Natur ist und mir Kummer bereitet, weil so nicht sein will. Normalerweise begegne ich den Menschen in meiner offenen Art und Weise, die viele von Euch kennen, die aber sicher in Afrika nicht üblich ist. So verstehen sie mich wohl auch nicht, weil sie es nicht gewohnt sind, dass es jemand gut mit ihnen meint. Sie sind eher damit vertraut, dass man sie anschreit und warten lässt. Wie man dieses Knäuel auflösen kann, dafür fehlt mir jede Vorstellung. <br /><br />Der Stamm der Ensema, der zu unserem Einzugsgebiet hört, hat über viele Jahrhunderte ziemlich isoliert gelebt und mehr Kontakt zu den Menschen der Elfenbeinküste als zu denen im eigenen Land gehabt. Die Ensema sind ein stolzes Volk und lassen Außenstehende wenig Raum Fuß zu fassen. Das gilt sowohl für Weiße als auch für Schwarze. Irgendwann kamen die Missionare, die Händler und Kaufleute, die ihren Regenwald abholzten, und es kam zur Gründung dieses Krankenhauses und zum Kontakt mit der westlichen Medizin. Mit dieser Entwicklung kam nicht unbedingt eine Verbesserung ihres Lebensstandards zustande. Auch die Tatsache, dass heute in jeder einfachen Hütte ohne Strom und Wasser ein mobiles Telefon klingelt, bedeutet keine wesentliche Aufwertung ihres Lebens. Die Menschen glauben allerdings, dass der Besitz eines Handys den modernen Menschen ausmacht. Die Telekom-<br />firmen sind in der Hand von Franzosen und Südafrikanern. Das Analphabetentum ist noch enorm hoch, trotz einer staatlichen Schul-<br />pflicht. Die Schulen in unserer Umgebung sind aber schlecht, und die etwas wohlhabenderen Menschen schicken ihre Kinder in die größere Stadt zu Verwandten. Deutlicher Ausdruck der fehlenden Bildung ist das enorme Bevölkerungs-<br />wachstum. Jede Frau bekommt in ihrem Leben acht bis zehn Kinder, von denen häufig die Hälfte in den nächsten Jahren wieder stirbt. Die Fehlgeburten und induzierten Aborte sind dabei nicht mit eingerechnet. Für diese Fälle ist das Hospital ein wirklicher Segen für die Frauen und Kinder.<br /><br />Bevor man jedoch ins Krankenhaus geht, versucht man immer zuerst bei einem lokalen Heiler Hilfe zu bekommen. Das hat vielerlei Gründe. Er ist billiger als unser Krankenhaus, man hat den Heiler vor Ort, man ist ihnen verpflichtet und man hat Angst vor ihnen. Der Heiler gehört zu einer Jahrhunderte alten Kultur. Vielleicht macht unser Hospital aber auch Angst und bleibt so die letzte rettende Insel, wenn man gar nicht mehr weiter weiß. Ich kenne nun keinen dieser Heiler, denn sie vermeiden jeden Kontakt zum Krankenhaus. Ich sehe nur die tödlichen Nebenwirkungen ihrer Medizin. Im Sudan starben die Menschen, die von solchen Heilern kamen zumeist an einem cerebralen Fieber, hier im Nierenversagen oder an nicht beherrschbaren Blutungen. Auch das Traktieren mit dem Glüheisen gehört zum Standard und hinterlässt grausame Spuren. Ich bin sicher kein Gegner von Naturheilverfahren und kenne die Schwächen der Schulmedizin, Afrika hat aber wenig Positives auf dem Gebiet der alternativen Medizin zu bieten. In Asien und anderswo auf der Welt habe ich niemals solche tödlichen Effekte einer Medizin gesehen. Jeder Bauchschmerz oder irgendwelche Verstopfungen werden mit Einläufen und Kräutergetränken aus dem Busch therapiert, die oftmals verheerende Folgen haben. Die Kenntnis von Viren und Bakterien ist den Menschen nicht geläufig, und so glaubt der Erkrankte daran, dass er verhext wurde und einem Zauber ausgeliefert ist, dem man durch einen Gegenzauber begegnen muss. Solche Auffassung erinnert an Verhältnisse des Mittelalters in Europa. <br />In den Weihnachtstagen 2007 wurden zwei kleine Mädchen gefangen und barbarisch geschlachtet. Das Blut wurde offenbar getrunken, Organe wie Herz und Leber wurden gegessen. Geschehen hier in unmittelbarer Nähe. Eines der Mädchen war die Nichte einer unserer Hebammen. Die Angehörigen der Opfer wagen es nicht einmal diesen barbarischen Mord polizeilich verfolgen zu lassen, obwohl man Vermutungen hat, wer hinter diesen rituellen Morden stehen könnte. Sie haben einfach Angst vor weiteren bösen Flüchen. Als einzige Reaktion auf diese Vorfälle achten die Familien jetzt besser auf ihre Kinder. Auch einzeln reisende Personen wurden gelegentlich nicht wieder gefunden. Die Täter sind angeblich getaufte Menschen, was offenbar nichts bedeutet. <br />Die Menschen hier gehen jeden Sonntag brav in die Kirche und ertragen die Einschüchterungen des Priesters, die sie nach zwei Stunden berechtigterweise einschlafen lassen. Lebendig werden sie, wenn sie beteiligt werden, singen können und endlich den Ort der Segnungen verlassen dürfen. Die Kirche unterliegt in Afrika an den Orten, die ich kennen gelernt habe, einem Irrtum, wenn sie meint, die Menschen bekehrt zu haben. Sie sind auf dem Papier Christen, sind aber ihrer alten Kultur und deren Riten so sehr verhaftet, dass sie bislang noch nicht davon Abstand nehmen. <br /><br />Ich begreife so langsam, dass hier ein Teil meines Unverständnisses zu suchen ist. Wenn man in Afrika arbeiten will, muss man sicher diese Umstände akzeptieren und damit leben lernen. Zu meiner Standardfragen gehört mittlerweile immer die nach „local treatment“. Leider gibt niemand freiwillig zu etwas genommen haben. Erst nach längerem Befragen am nächsten Tag, wenn die Menschen ein wenig Vertrauen gewonnen haben, erfährt man manchmal die Wahrheit. Selbst ein Pfleger aus unserem Haus, dessen Bruder im akuten Nierenversagen verstorben war, gab erst später zu, dass dieser vorher von einem Heiler behandelt worden war, der mit seiner Behandlung das Nierenversagen auslöste. Jetzt ist dieser Pfleger kooperativ und will mir die Kräuter besorgen, die seinen Bruder umgebracht haben. Ich will versuchen, sie in Deutschland analysieren zu lassen, um wenigstens einen Anhaltspunkt zu finden, in welche Richtung man die Erkrankten therapieren könnte. An Aufklärungskampagnen seitens der Behörden zu diesem Thema sind die Verantwortlichen nicht interessiert. <br /><br />Es wird in Afrika einfach soviel ignoriert, und man hofft stets, dass sich ein Problem von alleine lösen wird. Augen zu und durch, irgendwie wird es schon klappen. Wie kann ich einem Analphabeten erklären, was Viren sind und wie tödlich die unsichtbaren Dinger wirken können. Nein -das muss doch Voodoo-Zauber sein! Den einzigen kostenlosen Spaß, Sex ohne Kondom, will man mir jetzt auch noch nehmen! Die spinnen doch, die Weißen oder die intellektuellen Schwarzen! Also geht es munter weiter so, bis es eben nicht mehr geht. Dann soll Medizin helfen, die ich als HIV-Patient regelmäßig einnehmen soll, mit den Mahlzeiten, vor den Mahlzeiten. Was ist aber, wenn ich mir die Mahlzeiten nicht einmal leisten kann? Und wenn es mir besser geht, soll ich wieder gut und viel essen, aber wovon denn bitte schön? Die Patienten müssen auf Nebenwirkungen achten, die sie nicht einmal sprachlich beschreiben können. Es gibt Medikamente für 30 Tage, sie kosten etwa 4 Euro. Woher nehmen, ich bin sogar zu schwach zum Stehlen. Dann habe ich kein Geld für den Bus, also kann ich mir keine neuen Medikamente besorgen. Einige Tage ohne Medikamente können unter Umständen die gesamte Therapie in Frage stellen. Das ghanaische Gesundheitssystem hat im ganzen Land HIV-Zentren eingerichtet und zur Zeit mit ausreichenden Medikamenten versorgt. Das Geld aus dem Ausland scheint zu fließen. Die verantwortlichen Schwestern fahren immer wieder zu Fortbildungen, es gibt einen Laptop, Fernsehen und Video, somit wird den Geldgebern Rechnung getragen. Trotzdem wird die Erkrankung unter dem Siegel einer völligen Verschwiegenheit geheim gehalten. Der erkrankte Ehepartner kann mit seiner Frau normal weiterleben, ohne sie von seiner Erkrankung in Kenntnis zu setzen. Zufällige positive HIV-Testergebnisse, zum Beispiel im Rahmen von Blutspenden, werden den Patienten berechtigterweise nicht mitgeteilt. Es gibt aber auch keine Überlegungen, solche HIV-Positiven zu einer Beratung zu schicken, um dann über einen Test zu sprechen. So wartet man, bis AIDS ausbricht, der Mensch also richtig krank wird, um ihn dann zu behandeln. Ich bezweifele, dass man das Problem jemals vernünftig in den Griff bekommt, auch wenn man noch mehr Geld in das System pumpt und weitere Medikamente bezahlbar werden. Der Mensch kann nur gesund werden, wenn er etwas von seiner Krankheit versteht und sich selbst hilft, seine Selbst-<br />heilungskräfte aktiviert. Wenn die Menschen aber an Magie als Auslöser glauben, sind wir mit unserer westlichen Medizin und unseren Vorstellungen nicht die richtigen Therapeuten, insofern werden wir in Afrika mit der Therapie von HIV/AIDS meiner Meinung nach scheitern. Mit dieser Meinung rufe ich sicherlich eine Menge Protest hervor, sie mag auch provokativ klingen. <br />Wenn ich aber jeden Tag gesunde Kinder an Malaria und Durchfallerkrankungen sterben sehe, junge Mütter während der Geburt versterben, dann möchte ich meine Prioritäten anders setzen und sinnvolle Hilfe auf solche Behandlungen konzentrieren. Man kann eine HIV-Behandlung in Deutschland nicht mit einer HIV-Behandlung in Afrika vergleichen. <br />Die wirklich guten Erfolge, die man in Deutsch-<br />land oder den westlichen Ländern sieht, bleiben hier Raritäten. Die HIV-Erkrankten in Afrika haben so viele andere Erkrankungen zu durchleben, die Lebensumstände auf dem Land und in den Riesenstädten sind so anders als bei uns, so dass diese Faktoren den Erfolg der Therapie immer gefährden werden. Die HIV-Infizierten erleiden den Ausbruch ihrer Krankheit sehr viel früher als in den westlichen Ländern und versterben daran. Was Statistiken uns sagen und wie sie erhoben werden, was für Manipulationsmöglichkeiten bestehen, weiß jeder, der mit solchen Statistiken arbeitet. Vielfach bekommt man das präsentiert, was man sehen möchte. <br /><br />Es gibt sicher noch sehr viel über dieses Thema zu sagen. Andere Themen bewegen mich immer wieder in meiner täglichen Arbeit. Ich erlebe so viele Kontraste in der afrikanischen Lebens-<br />weise, über die ich noch viel erfahren muss. Die Schwestern und Pfleger sind sehr gut ausgebil-<br />det und ich kann von ihnen viel lernen, andererseits machen sie dann wieder mit Nachlässigkeiten ihre so gute Arbeit zunichte. <br /><br />Mit dem Leben und Sterben geht man hier völlig anders als bei uns um. Emotionen werden Außenstehenden nie gezeigt. Es wird schnell geboren und mindestens so schnell wieder gestorben. Manchmal habe ich den Eindruck, dass das einzelne Leben in Afrika wenig zählt, was ich dann wiederum kaum glauben kann, wenn ich die übermüdeten Mütter an den Betten der Kinder schlafen sehe. Das Leben ist in Eikwe/Afrika enorm hart und für mich als reichen Europäer nur ansatzweise nachzuvoll-<br />ziehen. Alles ist so schwierig, und kleine Hilfen scheitern vielfach an dem mangelnden Geld, was benötigt wird, um das Auto oder den Bus ins Krankenhaus zu zahlen. Niemand hilft oder kann es sich leisten etwas umsonst zu machen. Der Staat müsste und könnte sicher mehr für die Menschen erreichen, wenn das Geld nicht immer wieder in korrupte Kanäle fließen würde. Das ist aber ein weiteres Bücher füllendes Problem.<br /><br />Ich schaue weiter positiv auf meine restliche Zeit, rede viel mit dem Personal, um mehr von dieser mir immer noch fremden Welt zu verstehen. Mein derzeitiges Leben ist sehr abwechslungsreich, anstrengend und erfüllend. Ich bin dankbar hier sein zu dürfen. Ich kann für die Menschen etwas Sinnvolles tun und entwickle mich und meine medizinischen Kenntnisse weiter. Vielleicht gelingt es mir dann später auch die Menschen in Eikwe etwas besser zu verstehen. Im Moment kann ich manchmal nur leise vor mich hin grummeln- ach Afrika, ach Eikwe- wenn ich wieder mal an meine Grenzen des Verstehens komme.<br /><br />Auf bald, KlausDr. med. Klaus Eckerthttp://www.blogger.com/profile/07090729118001582566noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3546768395962846580.post-12000664081808214232008-01-04T07:00:00.000-12:002008-01-04T07:22:30.561-12:00Ein Arbeitstag in EikweSamstag, den 30.12.2007<br /> <br />Liebe Freunde,<br /> <br />jetzt will mal versuchen, Euch etwas aus meinem derzeitigen Leben zu erzählen, das sehr aufregend und vielfältig ist. Mir gehen dabei so viele Gedanken durch den Kopf, dass ich nicht recht weiß, wo ich anfangen soll.<br /> <br />Meine Tage fließen dahin, ich wundere mich, wie schnell es schon wieder dunkel wird und der Tag zu Ende geht. Erst dann merke ich, wie müde ich bin. Die Verarbeitung des Erlebten kommt dann so langsam. Renate bekommt davon am meisten mit, da wir jeden Tag lange telefonieren. Diesen Luxus gönne ich mir, zumal ich sonst keine Gelegenheit habe, mein Geld auszugeben. <br /> <br />Die Menschen in diesem westlichen Distrikt Ghanas sind schon recht arm, vor allem, wenn man die Menschen aus der Elfenbeinküste hinzu rechnet, die regelmäßig zur Behandlung kommen. Sie sind immer am schwersten erkrankt, vor allem an HIV/AIDS. Da weiß man kaum, was man zuerst und zuletzt machen soll. Die Unter-suchungsmöglichkeiten in unserem Haus sind schon recht gut, reichen aber immer noch nicht aus. Die Zeit ist vielfach auch nicht vorhanden, um sich intensiver um die Patienten zu kümmern. So ist die Therapie häufig nur symptombezogen, was mir widerstrebt, zumal ich weiß, wie man es besser machen könnte. Man kann aber nicht mit unseren deutschen Perfektionsansprüchen in diesen Bezügen arbeiten. Achtzig Prozent müssen reichen.<br /> <br />Ich will Euch einfach mal meinen gestrigen Freitag schildern. <br /> <br />Um 7.45 Uhr haben wir Ärzte uns zu einer Besprechung getroffen. Ich nutze diese Zeit, um eine kurze internistische Fortbildung zu geben, fast immer krankheitsbezogen. Ich sehe bei meinen Visiten und in der Ambulanz Fehler in der internistischen Therapie, die ich dann anspreche. Die Klinik ist halt gynäkologisch/<br />chirurgisch geprägt, und man kann als entsprechender Facharzt wirklich nicht alles wissen. So hatten wir an diesem Morgen eine längere Diskussion, die aber für alle Beteiligten lehrreich war.<br /> <br />Um 8.30 Uhr habe ich meine Visite auf der Aufnahmestation gemacht. Ich habe Patienten untersucht, entlassen, eben alles, was dazu gehört. Zwischendurch gab es Notfälle mit fieberkrampfenden Kindern und einem Alkoholiker im Delirium. Dann habe ich mir die neuen Patienten angesehen, die in der Nacht gekommen waren. Die Schwestern rufen uns Gott sei Dank nicht in jedem Fall. Darunter fand ich eine junge Frau mit einem inkompletten Abort, die entsprechend blutete. Da musste ich einfach mal zwischendurch eine Ausschabung machen, damit das Bluten ein Ende hatte. <br /> <br />Um 10.15 Uhr bin ich dann zum Ultraschall gegangen. Vor dem Untersuchungsraum saßen schon die Menschen in einer langer Reihe. Viele Routineuntersuchungen im Rahmen der Schwangeren-Vorsorge. Frau Dr. Köthe ist, nachdem sie die gynäkologische Abteilung visitiert hatte, in die Ambulanz gegangen. Kurze Zeit später schickte sie mir eine Frau, die Flüssigkeit im Bauch hatte und schwanger war. Also musste sie gleich in den Operationssaal, da es sich um eine extrauterine Schwanger-<br />schaft handelte, die sofort operiert werden muss. Der linke Eileiter war gerissen, aus dem die arme Frau blutete. Ich habe weitere schwerwiegende Befunde bei meinen Untersuchungen gesehen und dann gleich die entsprechende Therapie eingeleitet, was hier immer mit viel Schreiberei verbunden ist. Meine Kollegin, Frau Cooper, war am zweiten Gerät aktiv. Zwischendurch nehmen wir uns aber immer wieder die Zeit, wichtige Befunde zu demonstrieren und zu diskutieren. Da im Nachbarraum geröntgt wird, werden uns auch die Bilder zum Befunden immer wieder hineingereicht.<br /> <br />12 Uhr: Stellungswechsel. Ich bin kurz in mein Appartment gelaufen, um für meine Flüssigkeitsein- und -ausfuhr zu sorgen. Dann ging es in der Ambulanz weiter. Dort warteten vor meinem Zimmer schon eine Menge Leute. Viele Belanglosigkeiten, hervorgerufen durch die neue Krankenversicherung in Ghana. Der neu gewählte Präsident hat vor den Wahlen den Menschen versprochen, dass jeder Ghanaer eine Krankenversicherung bekommen kann. Sie zahlen etwa 140 Euro im Jahr. Die restlichen Kosten sollen aus dem Staatshaushalt mittels einer Art Mehrwertsteuer finanziert werden. Der Jahresbeitrag zur KV ist für die meisten Menschen noch zu-viel, so dass sich der Mittelstand versichern kann und jetzt sein Recht der Behandlung und vor allem der Therapie einfordert, denn alles zahlt die Versicherung. Dass es eine Solidarversicherung ist, verstehen die Menschen nicht, da die Gemeinschaft dem Einzelnen eh egal ist. Wenn keine Medizin verschrieben wird, gibt es immer Ärger. Das System kann so natürlich nicht funktionieren, und das Krankenhaus muss gelegentlich lange auf das Geld der Versicherung warten. Es gibt schon Krankenhäuser in Ghana, die die Behandlung auf Krankenschein ablehnen. Eikwe wird wohl bald folgen müssen. Dem neuen Präsidenten ist das jetzt aber offenbar egal. Er hat seine Wahl gewonnen und sein Versprechen eingelöst. Dennoch, es gibt auch bedauernswerte Menschen, die berechtigt nach Hilfe suchen.<br /> <br />13 Uhr Mittagspause, gebratener Reis und Fisch, war ja Freitag, wobei der Fisch vor der Tür gefangen wird und entsprechend frisch ist. Wenn sie in der Kantine die Musik leiser stellen würden, könnte man sich sogar etwas entspannen. So verschwinde ich lieber schnell in mein Zimmer, um mir noch einen Kaffee zu kochen.<br /> <br />Um 14 Uhr ging es in der Ambulanz weiter. Es kam eine HIV positive Mutter mit ihrem drei Monate alten Kind. Ich kannte sie schon aus der HIV Ambulanz. Der Mann ist vor drei Monaten an AIDS verstorben, das Kind ist auch HIV positiv, es ist der letzte Mensch, den sie hat. Das Kind hatte eine äußerst schwere Lungenent-<br />zündung und bekam kaum Luft. Die Mutter sah so traurig aus, den Kummer sah man in ihren Augen. Ich brauchte ihr nicht zu erzählen, dass es kaum Hoffnung gibt. In so einem Fall bräuchte ich mehr Zeit, um das Kind zu versor-<br />gen. Wie gerne hätte ich mit ihr persönlich gesprochen, für die Übersetzerin war das jedoch Zeitverschwendung. Allein an diesem Nachmittag habe ich drei neue HIV Fälle diagnostiziert. Auch die Syphilis treibt hier ihr Unwesen. Ein 28 Jahre alter Mann mit zwei hübschen Frauen holte sich seine Spritze ab. Beide Frauen hatten schon jeweils vier Kinder und der Spaßfaktor wurde außerehelich erhöht. So ging es im drei Minutentakt weiter, meine Übersetzerin und ich wurden leicht müde und die Schlange vor der Tür wurde nicht kürzer.<br /> <br />15.30 Uhr. Die ersten Verletzten eines Massenverkehrsunfalls wurden uns vor die Tür gelegt. Alle Mitarbeiter waren wieder hellwach. Die Verletzten hatten einen Bus gestürmt, um noch nach Hause zu kommen. Der Busfahrer hatte die Nase voll und ist einfach losgefahren. Die Leute sind von Dach und aus den Türen herausgefallen und dann in ihrer Panik übereinander getreten. Kinder waren darunter, ein Toter vor Ort. Die Patienten mit offenen Knochenbrüchen haben wir notfallmäßig behandelt und sofort ins nächste Krankenhaus verlegt, das die Brüche versorgen kann. Verletzte mit stumpfen Bauchtraumen, man war ja über sie hinweg gelaufen, habe ich sonographiert. Wir brauchten sie aber nicht zu operieren. Die meisten hatten fürchterlich schmutzige<br />Hautabschürfungen, teilweise bis auf die Knochen. So wurden die Wunden gesäubert, Verbände angelegt. Das alles inmitten der aufgeregten Angehörigen und Schaulustigen aus dem Krankenhaus. Es war wirklich ein Chaos, was auch nicht mit wütenden Ausbrüchen aufgelöst werden konnte. Frau Köthe war zwischenzeitlich im Kreißsaal, da ein Kind mit Steißlage geboren wurde und der Kopf stecken blieb, um den noch die Nabelschnur hing. Auch dieses Neugeborene musste wiederbelebt werden. Nachdem wir wieder einigermaßen einen Überblick hatten, wurden die letzten Patienten aus der Ambulanz versorgt.<br /> <br />18 Uhr, letzter Rundgang über die Aufnahme-<br />station. Die Veranda lag voll mit den Verletzten, da es kein Bett mehr gab im Hospital. <br /> <br />18.15 Uhr Geburtsstillstand bei einer Gebärenden seit einigen Stunden, genauer gesagt seit 12 Stunden. Das auswärtige Healthcenter schickte die Frau viel zu spät zum Kaiserschnitt, den sie dann auch erhielt. Mutter und Kind waren danach wieder in Ordnung.<br /> <br />19 Uhr Vorbereitung zum Abendessen, will heißen, endlich eine Dusche und raus aus den verschwitzten Klamotten. <br /> <br />19.15 Uhr Anruf aus der Aufnahmestation. Zwei Brandopfer aus der Elfenbeinküste. Benzin war explodiert und hat die beiden erwischt. Bei dem Einen war 20% der Haut betroffen, dem zweiten Opfer waren 15% der Haut verbrannt. Sie wurden entsprechend versorgt. Da wir nicht einmal ein Bett hatten, mussten zwei Patienten notfallmäßig entlassen werden. Sie haben draußen auf dem Rasen übernachtet.<br /> <br />20 Uhr Abendessen<br /> <br />21 Uhr Schlafen<br /> <br />3 Uhr klingelt das Telefon, wieder eine Frau, die so stark blutete, dass sie 30 Minuten später ausgeschabt werden musste wurde.<br /> <br />7 Uhr Anruf, Notfallkaiserschnitt. <br /> <br />Den heutigen Tag erspare ich Euch. Ich bin zwar jeden Abend müde und erschöpft, doch immer sehr zufrieden. Ich lerne jeden Tag neue Dinge, ich bin immer wieder gefordert und wundere mich, wie erfolgreich in all den Unzulänglich-<br />keiten unsere Arbeit ist. Die Brandverletzten würden in Deutschland in sterilen Spezial-<br />kliniken versorgt werden, hier muss es ohne sterile Raumluft gehen. 20 Meter weiter husten die TB Kranken Blut. Das HIV-Kind mit der Lungenentzündung schnauft wieder ruhiger, auch ohne Beatmung und Intensivstation. All diese positiven Erfahrungen lassen mich mit der Arbeit sehr zufrieden sein, lassen mich ruhig einschlafen. Ich habe jetzt nur von meinem Tag erzählt, die anderen Kollegen leisten die gleiche Arbeit und das schon seit vielen Jahren in eben diesem Tempo. <br /> <br />Ich nehme mir aber auch meine Auszeiten um in die Stille zu gehen. Meine morgend- und abendlichen Kontemplationen geben mir die Kraft, die ich im Moment sehr brauche. Vor allem auch, was die emotionale Verarbeitung der Arbeit angeht. Afrika ist wirklich ein besonderer Kontinent mit Menschen, die ich kaum verstehen kann. Doch dazu mehr im nächsten Blog.<br /> <br />Morgen werde ich mir einen Tag frei nehmen und in ein Hotel mit einem wirklich tollen Strand fahren. Weißer Sand, Palmen, frischer Fisch und viel Ruhe. Das Weihnachtsfest hält hier immer noch an. Es ist total laut und hat den Charakter von Karneval. Es gibt Umzüge mit lauter Musik und viel Alkohol. Ein so lautes Weihnachten habe ich noch nie erlebt. Auch das ist Afrika: laut und brüllend.<br /> <br />Euch Allen einen guten Rutsch ins neue Jahr. Mögen sich die Wünsche erfüllen!<br />Auf bald,<br /> <br />Euer KlausDr. med. Klaus Eckerthttp://www.blogger.com/profile/07090729118001582566noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3546768395962846580.post-60598774508863243962007-12-22T21:33:00.000-12:002007-12-22T21:38:53.683-12:00Grüße aus Eikwe, GhanaLiebe Freunde<br /><br />Nun bin ich schon annähernd drei Wochen in Ghana und habe außer dem Krankenhaus und dem örtlichen Strand wenig vom Land gesehen, was ich aber in Ordnung finde. Die Arbeit will hier nie enden.<br /><br />Nach meinen schlechten Erfahrungen im Sudan bin ich schon mit weitaus besseren Gefühlen in den neuen Einsatz gefahren. Ich war mir ganz sicher, dass ich wirklich erwünscht und willkommen bin und dass man mich mit Freude erwartet. Im Vorfeld meiner Arbeit hatte ich einige gute Telefon-<br />gespräche mit den Schwestern in Ghana wie auch in Würzburg führen können. Entsprechend war der Empfang am Flughafen und in Eikwe. Ich bekam ein dreigängiges deutsches Mittagessen und anschließend ein wirklich komfor-<br />tables Zimmer, sehr liebevoll eingerichtet, in dem ich mich sehr wohl fühle.<br /><br />Das Krankenhaus ist eine wirklich gut funktionierende Einheit, in dem sehr viel in hektischer Routine abläuft. Man sieht und spürt die langjährige deutsche Leitung in der, auch für afrikanische Verhältnisse, eine gewisse Ordnung und Disziplin eingehalten wird. Vier Schwestern aus der Gemein-<br />schaft der Missionshelferinnen aus Würzburg leben und arbeiten schon seit über 30 Jahren in diesem Hospital, welches ein wirkliches Missionshospital ist. Dazu vielleicht später etwas mehr. Die Schwestern sind schon alle älter als 60 Jahre und wünschen sich sehr, das Krankenhaus in einigen Jahren an einen indischen Missionsorden abzugeben. Dr. Gabi Köthe war für lange Jahre die einzige Ärztin in Eikwe, die Schwestern Irmgard und Ludovika sind erfahrene Hebammen, Schwester Elisabeth eine Krankenschwester, die mit ihren 72 Jahren noch immer die Ambulanz in Schwung hält. Schwester Irmgard kümmert sich jetzt um die Finanzen, Schwester Ludovika ist die Vorsteherin und macht das Personalmanagement. Ich bin wirklich beeindruckt von der Lebensleistung dieses Teams. Sie haben es geschafft, dass aus einem kleinen Missionshospital ein großes Regionalkrankenhaus geworden ist, an dem sich jetzt auch der ghanaische Staat beteiligt. So gibt es für Dr. Gabi auch eine regelmäßige Auszeit, da sie nicht mehr alle Dienste übernehmen muss.<br /><br />Sie wird seit einigen Jahren von einem Arztehepaar entlastet. Dr. Paul Cooper, ein Ghanaer, hat in Kasachstan Medizin studiert und dort seine Frau kennen gelernt, die auch Ärztin ist. Paul war anschließend noch vier Jahre in Würzburg, wo er seinen Facharzt für Gynäkologie erworben hat. So spricht er ein gutes Deutsch, fällt jedoch immer wieder ins Englische, da es ihm schneller von der Zunge geht. Sein Russisch ist perfekt, dazu spricht er noch einige Stammessprachen. Frau Cooper sonographiert leidenschaftlich und möchte irgendwann mal Radiologin werden, jetzt muss sie alles machen, einschließlich der dauernd anfallenden Kaiserschnitte.<br /><br />Dann gibt es noch zwei kubanische Ärzte, die wenig Kontakt zum übrigen Team haben, eher bedingt durch erhebliche Sprachbarrieren. Michael nennt sich Kinderarzt und Josephine ist angeblich Internistin. Der ghanaische Staat versucht durch den Zukauf von Fachkräften den Mangel an Ärzten in gewissem Maße zu beheben. Kuba schickt aber immer wieder Kollegen, die kaum Englisch sprechen und keine tropenmedizinische Ausbildung besitzen. <br />Mit mir gibt es jetzt sechs Ärzte, was aber immer noch nicht ausreichend ist. <br /><br />Jetzt mal einige Zahlen zum besseren Verständnis. Es gibt 175 Betten, unterteilt in eine Kinder- und Erwachsenenstation, Gynäkologie und Geburtshilfe sowie eine Station für Infektionen und Tuberkulose. Dann noch eine Aufnahmestation für Akutfälle und Unfallverletzte. Wir haben sogar zwei Privatzimmer zum Vorzugspreis. Täglich werden ca. 40-50 Patienten aufgenommen und entlassen. Die Betten sind immer belegt, dazu noch die überdachten Gänge und Vorräume. Die Familienangehörigen, die die Patienten versorgen und pflegen müssen, schlafen mitten drin oder auf dem Rasen, wenn es trocken ist.<br /><br />Es kommen im Durchschnitt 200 Patienten täglich in die Ambulanz und das 6 Tage in der Woche. Im Jahr werden ca. 2.000 Operationen durchgeführt und auch 2.ooo Kinder geboren. Es vergeht kein Tag ohne einen Kaiserschnitt, mitunter sind es fünf am Tag. Das Labor führt etwa 105.000 Untersuchungen im Jahr durch, die Blutbank läuft auf Hochtouren bei den vielen Anämien, hauptsächlich verursacht durch die Malaria. Die Eltern bringen die Kinder häufig eher tot als lebendig.<br /><br />Die Schwangerenvorsorge läuft fast perfekt. Jede Frau erhält fast zweimal eine Ultraschalluntersuchung während der Schwangerschaft. Man mag es kaum glauben, es gibt sogar eine Sprechstunde für ungewollte Kinderlosigkeit. Die HIV Ambulanz wird immer zeitaufwendiger, die Zahl der zu behandelnden Menschen steigt immer mehr an, das Tuberkuloseprogramm nimmt einen ähnlichen Verlauf. Etwa 6% der hiesigen Bevölkerung ist HIV positiv und man versucht, die Betroffenen entsprechend den internationalen Richtlinien zu behandeln. <br /><br />Außer dem Labor gibt es eine Röntgeneinheit, in der pro Jahr ca. 1.500 Bilder produziert werden und zwei Ultraschallgeräte mit mehr als 2.600 Untersuchungen pro Jahr, wobei eines der Gerät allerdings nicht mehr den modernen Ansprüchen genügt. <br /><br />Im Krankenhaus arbeiten etwa 200 Menschen. Bis vor einigen Jahren wurde das Haus weitestgehend privat durch Spenden und Zuwendungen des Ordens finanziert. Jetzt ist es Teil des ghanaischen Gesundheitssystems geworden. Der Staat finanziert einen Teil der Gehälter und teilweise die laufenden Unterhaltskosten. Die finanzielle Beteiligung ist sicher eine Entlastung für den Orden, der Staat stellt allerdings auch Bedingungen und nimmt Einfluss auf Entscheidungen, die nicht immer sinnvoll für die Patienten und das Haus sind. Die Patienten müssen darüber hinaus einen kleinen Anteil an den Kosten der Behandlung bezahlen. So kostet ein Kaiserschnitt zum Beispiel ca. 10 Euro. Das Krankenhaus muss sich insgesamt selbst finanzieren. Schwester Irmgard schafft es aber wohl immer noch, etwas übrig zu behalten, um notwendige Dinge außerhalb des Bedarfsplanes kaufen zu können. <br /><br />Das Areal des Hospitals entspricht etwa vier Fußballfeldern, auf denen die eben-erdigen Geschosse stehen. Alle haben die für Afrika typischen Überdachungen unter denen sich das meiste abspielt. Die Zimmer sind immer überfüllt und dadurch recht stickig und warm. Jeden Tag werden die Räume gewischt, und es gibt eine Sauberkeit im Haus, die ich in Afrika kaum für möglich gehalten hätte. Viel Wasser und Kernseife hält den Laden sauber. Teilweise helfen die Angehörigen der Patienten mit. Das weiträumige Areal hat auch zwei Arzthäuser und ein Gasthaus mit drei Zimmern und einer Küche, in dem ich mich zur Zeit allein aufhalte. Die Missionsschwestern wohnen gegenüber dem Krankenhaus in einem eigenen Haus. Da kommt das spirituelle Leben nicht zu kurz. Zwischen den Häusern gibt es blühende Pflanzen und Fächerpalmen, die dem ganzen ein sehr gutes Aussehen verleihen. Die Gärtner sind immer aktiv, und so findet man keinen Unrat oder Müll auf dem Gelände. Die Menschen genießen diesen kleinen Park sehr und schlafen im Schatten der Bäume oder schauen den Kindern beim Spielen zu. In dieser Atmosphäre kann man sicher wieder gesund werden.<br /><br />Der Operationssaal ist schon rechter Luxus. Die Klimaanlage funktioniert perfekt und lässt Operationen ohne einen schwitzenden Arzt zu. Ich bin wohl der einzige, der trotzdem manchmal ans Schwitzen kommt, wenn mir einige Dinge nicht so gut von der Hand gehen, wie ich es mir wünschen würde. Meine Kollegen wie auch das OP Team sehen das aber gelassen. Es dauert bei mir halt länger, bis der Bauch zugenäht ist. Da ich aber jeden Tag im OP bin, kommt meine alte Fingerfertigkeit so langsam zurück. Die OP Helfer sind ausschließlich von Frau Köthe ausgebildet und stammen fast ausschließlich aus Eikwe. Sie haben keine weitere Ausbildung, was zum Beispiel die Anatomie usw. betrifft. Sie wissen aber nach tausenden von Eingriffen genau, wann es gefährlich werden kann. <br /><br />Die zwei Anästhesiepfleger bekamen allerdings nach einiger Zeit ein Training an einer der Universitäten, es kommt gelegentlich ein Arzt aus Holland, der vor Ort die Ausbildung noch intensiviert. So habe ich bislang noch keine Komplikationen oder Narkosezwischenfälle erlebt. Die Infektionsrate ist sehr gering, allerdings werden die Patienten nach der OP sehr breit antibiotisch abgedeckt.<br /><br />18.12.2007<br /><br />Ich habe jetzt sehr viel Fakten geliefert und habe wenig von mir berichtet. Ich habe mir seit gestern eine kleine Auszeit genommen, was die ständige Bereitschaft betrifft. So habe ich drei Wochen keine Nacht wirklich durchschlafen können. Ich wollte möglichst schnell die Abläufe in dem Haus verstehen, damit ich auch wirklich eine Hilfe sein kann. Am ersten Wochenende habe ich den Kollegen bei sechs Kaiserschnitten assistiert und bei zwei Lapratomien bei extrauterinen Schwangerschaften. Wenigstens 10 Abrasiones (Ausschabungen) bei vaginalen Blutungen wurden so zwischendurch erledigt. Da macht man kein großes Aufhebens davon. So habe ich schnell auch diese Eingriffe lernen können. Bei dieser Fülle kommt man auch schnell an die Technik und macht seine Erfahrungen. Am schlimmsten war am ersten Sonntag ein Busunfall. Der Fahrer war eingeschlafen und hat den Bus gegen einige Bäume gefahren. Zuerst kamen die multitraumatisierten Verletzten. Irgendwie in ein Auto verfrachtet und halbtot wurden sie dann der Reihe nach auf die Waschbetonplatten gelegt. Oberschenkelfrakturen beidseits, wahnsinnige Kopfverletzungen, stumpfe Bauchtraumen. Es muss den Bus gewaltig geschüttelt haben. Ein Säugling hatte einen Oberarmbruch, die Mutter war genau so schwer verletzt. Alle, die helfen konnten, wurden eingesetzt. Wir haben genäht, es wurde geröntgt, sonographiert. Es wollte kein Ende nehmen, es kamen immer neue Verletzte. Dazwischen stritten sich die Taxifahrer mit den Verletzten, weil sie ihr Geld für den Transport wollten. Es war manchmal kaum möglich zu überblicken, wer nun noch nicht versorgt wurde. Die weniger Verletzten scharten sich dann um den Fahrer, der am Kopf schwer verletzt war. Sie wollten das Fahrgeld zurück, und er sollte die Kosten für die Versorgung bezahlen. Insgesamt haben wir 52 Personen behandelt. Drei Verletzte sind verstorben, einige auf dem Transport in ein anderes Krankenhaus. Es war nur schrecklich, kommt aber immer wieder vor. Die Verkehrsunfälle nehmen in Gesamtafrika enorm zu, es sterben an den Folgen mehr Menschen als an allen anderen Erkrankungen. Da alle Insassen bei uns im Krankenhaus waren, wurde inzwischen der Bus von Unbeteiligten geplündert. Dann hat sich doch tatsächlich der Busunternehmer bei uns sehen lassen. Er meint, dass er ruiniert sei, nachdem er alle Kosten gezahlt hat. Die Polizei hat das Ganze nicht interessiert, einige vom Staff auch nicht. Nachdem wir vier Stunden ununterbrochen gearbeitet hatten, war der Anästhesist und ein Teil des OP Teams verschwunden. Sie waren nach Hause gegangen, da sie müde und hungrig waren. Irgendwann trudelten sie dann wieder ein. Das ist Afrika live. Sie haben da kein Unrechtsbewusstsein, da ihnen ja eine Pause zusteht. Die Schwerstverletzten waren allerdings versorgt, das muss man zu ihrer Ehrenrettung sagen. Dazwischen musste dann auch noch die Routine laufen, es kamen Mütter mir hochfiebernder Kindern und einige mit Kopfschmerzen versuchten in all der Hektik auch noch zu ihrem Recht zu kommen. Wir brauchten nicht böse zu werden, das haben die Schwestern schon erledigt. Um 21 Uhr wollte ich nur noch schlafen. <br /><br />Da die Klinik schwerpunktmäßig gynäkologisch ausgerichtet ist, habe ich einen Schnelldurchgang durch dieses Fachgebiet bekommen, was ich im Studium eigentlich immer gemieden habe. Alle Notfälle sind mir mittlerweile geläufig, deren Behandlung ebenso. Frau Köthe gab mir schnell die Gelegenheit operativ tätig zu werden, gynäkologische Untersuchungen sind mir nicht mehr fremd. So war ich in den ersten drei Wochen bei jeder Operation anwesend und habe auch schon wieder zwei Kaiserschnitte durchführen können. Jetzt denke ich so häufig an die Frauen im Sudan, was hätte ich dort einfach besser machen können, wenn ich so eine Anleitung vor dem Einsatz hätte bekommen können. Ich bin sehr dankbar, dass die Frauen und Kinder überlebt haben, trotz der möglichen Fehler, die ich in Unkenntnis meiner jetzigen Ausbildung gemacht habe. <br /><br />Ich lerne also im Moment sehr viel, was die gynäkologischen Operationen angeht, gleichzeitig kümmere ich mich um eine internistische Weiterbildung meiner Kollegen und um die Fortbildung des Pflegepersonals. Ich habe neue Richtlinien für die Hochdruckbehandlung und den Diabetes erarbeitet. Da bestand Handlungsbedarf. Ich hätte nicht gedacht, dass ich dieses Problem in geballter Form in Eikwe vorfinde. Junge Menschen bekommen Schlaganfälle und wissen vorher nichts von ihrem Bluthochdruck, der über Jahre unbehandelt, zu diesem Ergebnis führen kann. Die Sonographie des Bauchraum mach ich im Moment, und Frau Cooper versucht schnell von mir zu lernen. Sie hat gute Vorkenntnisse und daher wird es kein großes Problem für sie sein, auf diesem Gebiet tätig zu sein. Ich meinerseits lerne den gynäkologischen Ultraschall, vor allem die Untersuchung der vielen Schwangeren. Da wir zusammen am Tag etwa 60 – 80 Patienten sehen, geht alles sehr schnell, und man sieht an einem Tag all die Besonderheiten, die man bei uns nur in entsprechenden Zentren und dann nicht mal in solcher Häufung antrifft. Auch ich habe in den Bäuchen Befunde gesehen, die ich bislang nur aus Lehrbüchern kannte.<br /><br />Ich will damit heute einfach mal schließen, damit die Mail bald meine Renate erreicht, die den Bericht dann ins Internet stellt. Dazu muss ich den hiesigen Priester bitten, der als einziger einen Internetzugang besitzt. So kann ich nicht genau abschätzen, wann er wieder online ist und ob dann auch alles Deutschland erreicht.<br /><br />In der nächsten Woche ist schon Weihnachten, was ich hier kaum empfinden kann. Es ist sehr heiß und man hört gelegentlich Stille Nacht, heilige Nacht in Deutsch aus dem Radio der Kantine dudeln. Die Schwestern zünden gelegentlich eine Kerze an und singen mal ein Weihnachtslied. Aber die Hektik der vielen Arbeit lässt eine beschauliche Stimmung kaum zu. Ich hoffe, dass es Euch da etwas besser geht. Hier soll es an Weihnachten häufig ein großes Fest mit einem Umzug geben, was sehr bunt sein soll. Ich bin mal gespannt darauf. Also, Euch allen ein frohes Fest und kommt gut in das neue Jahr. Ich melde mich dann wieder mit neuen Nachrichten.<br /><br />Euer KlausDr. med. Klaus Eckerthttp://www.blogger.com/profile/07090729118001582566noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3546768395962846580.post-44557334303656980592007-09-17T05:25:00.000-12:002007-09-17T05:28:53.926-12:00Bilder aus dem SudanLiebe Freunde,<br /><span style="font-weight:bold;">unter http://picasaweb.google.de/Dr.med.KlausEckert/<br />VortragRotary</span><br />findet Ihr weitere BilderDr. med. Klaus Eckerthttp://www.blogger.com/profile/07090729118001582566noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3546768395962846580.post-72451408328320515032007-08-07T20:49:00.000-12:002007-08-07T21:20:12.533-12:00Fazit meiner Erfahrungen nach vier Monaten im SudanLiebe Freunde,<br /><br />folgenden Artikel versuchte ich in diversen Zeitungen zu veröffentlichen. Leider kam ich etwas zu spät, und das Thema Entwicklungshilfe im Zusammenhang mit Afrika ist nicht mehr aktuell. Letztendlich wird die Zukunft zeigen, in wie weit die finanziellen Zusagen auch eingehalten werden oder ob sie nur Lippenbekenntisse von populistischen Politern waren. So stelle ich den Artikel nun in meinen Blog. Es ist mein Fazit nach zehn Jahren Arbeit in Dritt-Welt-Ländern und ersten Erfahrungen mit Afrika. Ich gebe nicht auf, sehe aber meine Arbeit sehr viel kritischer als zuvor.<br /><br /> <br />Durch den G8 Gipfel in Heiligendamm rückte Afrika wieder einmal in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses. Politiker feilschten um Geld, das man den Regierungen afrikanischer Staaten für sogenannte Entwicklungshilfe zur Verfügung stellen will. Globalisierungsgegner, Künstler, Kirchen und nichtstaatliche humanitäre Organisationen (NGO´s) forderten eine Unterstützung für die Not leidenden Menschen des schwarzen Kontinents. <br /><br />Die Frage ist: Welche Menschen leiden? Und sind es tatsächlich die bedürftigen Afrikaner, die unsere Unterstützung am Ende erreicht? Denken wir auch bis ins Letzte über die Auswirkungen unserer Hilfen nach - oder wollen wir mit einer finanziellen Spende nur unser Gewissen beruhigen? Sind die politisch Verantwortlichen überhaupt am Schicksal dieses Kontinents interessiert - oder sind nicht eher die wirtschaftlichen Erwägungen und Vorteile, die mit Entwicklungshilfe verbunden sind, ausschlaggebend für unsere Großzügigkeit? <br /><br />Als Arzt habe ich vier Monate für eine regierungsunabhängige deutsche Organisation in den Nuba-Bergen des Sudan gearbeitet und dort vielfältige Erfahrungen mit UN- Organisationen, privaten humanitären Organisationen unterschiedlicher Nationen, Kirchen aller Konfessionen und den staatlichen Regierungsstellen gemacht. Das Erfahrene hat mich sehr nachdenklich werden lassen. In dieser Zeit habe ich reichliche Erfahrungen mit dem System der Entwicklungshilfe machen können. Diese Erlebnisse haben zu einer radikalen Veränderung meiner Ansichten geführt<br /><br />Mittlerweile lehne ich eine uneingeschränkte Hilfe für Afrika ab und vertrete den Standpunkt, dass wir Nichtafrikaner uns weitestgehend zurückziehen und den Afrikanern die Selbstständigkeit zubilligen sollten, die ihnen zusteht. Ich finde, wir benehmen uns immer noch wie Eltern, die ihre Kinder nicht erwachsen werden lassen wollen, weil sie fürchten, damit ihren Einfluss zu verlieren. Genau wie jene Eltern beklagen wir uns aber über die Unselbstständigkeit der Kinder, obwohl diese durch unser eigenes Verhalten begünstigt wird. Gleichzeitig nehmen wir ihnen aber weiterhin die Möglichkeit eigene Initiative zu entwickeln, die man doch notwendig braucht, um Erfahrungen zu sammeln und wundern uns, dass kaum ein Kind freiwillig das „Hotel Mama“ verlässt.<br /><br />Unsere einfache Klinik wird täglich von bis zu 200 Menschen besucht. Alle medizinischen Leistungen gibt es zum Nulltarif. Das klingt gut, erweist sich in der Praxis aber nicht immer als sinnvoll. Denn es hat zu einem „Medizintourismus“ geführt, bei dem Menschen in die Nuba-Berge kommen, um dort vor allem Medikamente einzufordern. Ob diese nützlich oder gar notwendig sind, ist den vielfach ungebildeten „Patienten“ egal. Sie betrachten die Forderung nach Medizin als ihr Recht und bestehen mit allen Mitteln darauf.<br /> <br />Das Militär benutzt uns als Militärkrankenhaus und verlangt eine Sonderbehandlung, ohne auch nur einen Cent dafür zahlen zu wollen, obwohl es inzwischen eine verlässliche Einnahmequelle durch Ölfunde im Südsudan gibt, von denen vor allem das Militär profitiert. Dieses ist auch an den neuen Waffen und dem klimatisierten Geländewagen der Kommandanten abzulesen, sowie am Sold der Soldaten.<br /><br />Warum sollen deutsche Spendengelder für die medizinische Versorgung des Militärs und unnütz verordnete Medizin ausgegeben werden? Offenbar, weil sich die Empfänger keine Gedanken darüber machen, was wir für die sudanesische Bevölkerung erreichen wollen und warum wir überhaupt an diesem Ort sind. Niemand - weder Offizielle noch Militärs noch einfache Patienten - haben mir jemals eine Frage über unsere Organisation oder zu meiner Motivation gestellt. Es gibt uns, und man nimmt, was man bekommen kann.<br /><br />Die lokale sudanesische Gesundheitsbehörde verhält sich nicht anders und unternimmt keinerlei Anstrengungen, um ein eigenes System aufzubauen. Die Deutschen werden gelobt und immer wieder aufgefordert ihre Bemühungen zu intensivieren. Man hat sogar versucht unsere Klinik als HIV/AIDS- Behandlungszentrum bei der WHO zu melden, da man vom großen Kuchen des Global Fund auch etwas abbekommen möchte. Der Global Fund stellt dem Sudan 28,5 Millionen Dollar jährlich für die Bekämpfung von HIV/AIDS zur Verfügung. Ich als Experte sollte die Sache in eine Form gießen, die Statistiken fälschen (!) und die Erfolge dann den Geldgebern mitteilen. Die Qualität der Arbeit war den Verantwortlichen völlig gleichgültig. Den räumlichen und personellen Aufwand sollte unsere Organisation selbstredend aus eigener Tasche zahlen. Die Politiker des Landes wollten die Lorbeeren und das Geld einheimsen, die Ausländer sollten die Arbeit verrichten. Mein Angebot, als Berater tätig zu werden, wurde abgelehnt. Daher gibt es bis heute keine Möglichkeit der AIDS-Beratung und -Therapie in den Nuba-Bergen. <br /><br />Dann sind da noch UNO und WHO als die größten Organisationen in den Nuba-Bergen. Sie haben das meiste Geld und sind am besten ausgerüstet. Und sie verderben das Selbstwertgefühl der Sudanesen am nachhaltigsten, weil sie ihnen vorführen, wie man in der „zivilisierten Welt“ lebt. Zum einen gibt es die gut ausgebildeten, hoch bezahlten Mitarbeiter aus den westlichen Ländern, die Schlüsselpositionen besetzen und viele Ideen haben. Es sind oftmals Ideen, die das Planungsstadium nicht überleben. <br /><br />Auf der anderen Seite gibt es die Mitarbeiter für das Grobe aus Drittwelt- oder Schwellenländern. Polizisten aus Ländern, die es selbst nicht immer so genau mit demokratischen Richtlinien nehmen, bilden sudanesische Polizisten aus. Genauso fragwürdig wie die Rolle der Ausbilder ist die der Auszubildenden. Denn nur Sudanesen, die über „Vitamin B“ verfügen, kommen in solch einen Ausbildungskursus. Dabei ist es völlig gleichgültig, ob sie lesen oder schreiben können. Daher sehen die internationalen Ausbilder in ihrer Arbeit wenig Sinn und erwarten keine spürbaren Erfolge. Sie reden häufig abfällig über die Auszubildenden und lassen sie ihren Unmut spüren. Sie sind wegen des hohen Gehalts in den Sudan gekommen und machen ihren Job - mehr nicht.<br /><br />Ähnlich ist es bei den 50 Blauhelmsoldaten in unserem Distrikt, die gelangweilt in einem Zeltcamp sitzen und auf ihre Ablösung in einem Jahr warten. Sie sollen Frieden sichern, haben aber keine klaren Vorstellungen, wie. Stromgeneratoren rattern rund um die Uhr, damit die Klimaaggregate und das Kabelfernsehen funktionieren. Ihr Hightech-Ambulanzauto steht auf einer Betonplattform. Es würde keine 200 m auf der Sandpiste überleben. Der ägyptische Kollege ist nicht in der Lage das englische Handbuch der Mini-Intensivstation zu lesen. Gerne wüsste ich, welche Tageskosten so eine Einheit verschlingt...<br /><br />Die besser besoldeten Mitarbeiter der WHO schreiben viele Entwürfe zu unterschiedlichen Problemen und bieten Lösungsvorschläge an. Sie selbst müssen diese allerdings nicht umsetzen. So ist es kein Wunder, dass die Vorschläge manchmal nicht mehr wert sind als das Papier, auf dem sie stehen. <br />Wenn ich als Arzt praktische Hilfe anforderte, ging meine Bitte im Kompetenzwirrwarr der Organisation unter - und letztlich geschah nichts. So setzte ich schließlich nur noch wenig Hoffnung in Versprechungen dieser Leute. <br /><br />Man verliert offensichtlich das Gespür für ein Land und seine Menschen, wenn man in klimatisierten Büros und Autos sitzt und im Hubschrauber das Land von oben betrachtet. Es handelt sich übrigens um einen Hubschrauber, der erst nach Rücksprache mit Washington einen Krankentransport durchführen durfte. In dieser Zeit erlag der Patient seinem Leiden. <br /><br />Mit den privaten Organisationen geht es oft nicht viel besser. Eine amerikanische NGO z. B., die sich zur Aufgabe gesetzt hat Kinder zu retten, gibt ihren gesamten Etat für Gebäude-, Personal- und Unterhaltungskosten aus und bittet uns um Medikamentenspenden. Darüber hinaus werden Kinder und Schwangere, die zu sterben drohen, eilig zu uns verlegt, damit die eigenen Statistiken sauber bleiben. Wenn so eine Organisation nicht einmal Babynahrung für den Notfall bereitstellen kann - wie will sie da ihrem Namen gerecht werden?<br /><br />Die Hilfe der katholischen Kirche wird größtenteils am Bau von Kirchen sichtbar. Da lässt man aus Kostengründen gerne mal einen begonnenen Krankenhausbau ruhen. Allerdings leisten sie mit dem Bau und Unterhalt von Schulen der Bildung im Sudan einen guten Dienst. Ob die Motivation dabei rein altruistisch ist, bleibt zu fragen. Immerhin lassen sich junge Menschen leicht prägen und manche ungläubige Seele kann bekehrt werden.<br /><br />Zurück zur Frage „Wie ist Afrika zu helfen und wer soll helfen?“ <br />Mit Geld ist dem Kontinent nicht zu helfen. Das ist auch die These des Kenianers James Shikwati , Leiter des Instituts „Inter Region Economic Network“ in Nairobi. Ergänzen möchte ich sie durch die Aussage eines italienischen Priesters, den ich in Kenia kennen lernte und der seit 30 Jahren in Afrika lebt: „Lasst die Afrikaner endlich allein. Behandelt sie wirtschaftlich fair. Entweder schaffen sie es, oder sie werden untergehen. Ich kenne jedoch die Afrikaner. Sie sind stark und werden sich durchsetzen. Sie müssen nur endlich erwachsen werden.“<br /><br />Das ist auch mein Fazit, nach einer, wie ich zugebe, relativ kurzen Zeit von vier Monaten. Würde unser kleines Krankenhaus an die Sudanesen übergeben, müssten sich die Verantwortlichen selbst darum kümmern. Einige der einheimischen Mitarbeiter haben gute klinische Erfahrungen, die anderen müssten weiter ausgebildet werden. Darauf könnten die Sudanesen aufbauen. Wenn die politisch Verantwortlichen sich dann immer noch nicht bewegen würden, käme sicher Druck von unten, denn die Menschen haben durch uns eine gute medizinische Versorgung kennen gelernt. Sollte es gewünscht werden, könnten westliche Mediziner in beratender Form tätig werden. Aktive medizinische Hilfe aber sollte kein deutscher Arzt mehr leisten. <br /><br />Afrikaner bauen mittlerweile gute medizinische Ausbildungsinstitute auf, deren Studiengebühren sich jedoch nur wenige Afrikaner leisten können. Die Ausbildungskosten der Studenten könnte das Ausland übernehmen. Diese Mediziner blieben nach dem Abschluss ihres Studiums in ihrem Land - anders als die afrikanischen Studenten mit einem vollfinanzierten Auslandsstudium, die häufig nicht mehr in ihre Heimat zurück kehren. <br /><br />Die bisherige Praxis der Entwicklungshilfe erscheint mir vielfach als Selbsthilfe für uns Westler. Ein gut dotierter Job in einem fremden Land macht Eindruck. Da es auf Resultate nicht allzu sehr ankommt, entsteht nur selten Stress bei der Arbeit. Kann man sogar noch die Familie mitnehmen, umso besser.<br /> <br />So wird für die Versorgung der Helfer viel Geld aufgewendet. Ein weiterer großer Teil fließt in die Kanäle der Korruption und erst der Rest geht an die Bedürftigen. Viele Organisationen verfolgen primär ihre Eigeninteressen. Es geht um Jobs, um Rohstoffe, um politischen Einfluss und beim Einzelnen auch ein wenig um die Stärkung des Selbstwertgefühls. Mit unserem Geld und unserem Wissen sind wir die Mächtigen - wir wissen, wie die Welt zu regieren ist. Wenn dieses Abhängigkeitsverhältnis so bestehen bleibt, wird nie ein Austausch zwischen Gleichen stattfinden.<br /> <br />Deshalb spreche ich mich für einen Stopp der Entwicklungshilfe in der derzeitigen Form aus und für die Öffnung der westlichen Märkte für afrikanische Waren. Dazu gehört auch die faire Bezahlung der Rohstoffe aus Afrika und Investitionen in die wirtschaftlichen Infrastrukturen vor Ort, damit auch eine Veredelung der Rohstoffe im eigenen Land erfolgen kann.<br /><br />Für den medizinischen Bereich wünschte ich mir mehr Unterstützung von Seiten der Pharmaindustrie. Es gibt schon seit vielen Jahren kaum neue Medikamente zur Bekämpfung der häufigsten Tropenerkrankungen. Während auf HIV/AIDS geblickt wird, vergisst man zum Beispiel, dass jährlich eine Millionen Menschen an Malaria sterben. Innovationen für medikamentöse Therapien kommen – wenn überhaupt - vielfach aus der Veterinärmedizin. Unsere an Profit orientierte Industrie sieht im armen Afrika noch keine geeigneten Absatzmärkte. <br /><br />Klar ist für mich: Afrika muss geholfen werden. Das geht aber nur, wenn wir die Menschen als Partner ernst nehmen und ihnen auf gleicher Stufe begegnen. Dabei müssen wir es ertragen, dass die Entwicklung des Kontinents und seiner Menschen Zeit braucht und nicht immer nach unseren Wünschen verläuft. Wir müssen den kulturellen Unterschieden, den klimatischen Problemen und sogar Katastrophen Tribut zollen. Gezielte Hilfe ist weiterhin notwendig und sinnvoll. Sie sollte jedoch nur in Form von Ausbildung geleistet werden, nicht länger durch aktive Mitarbeit von außen. Demokratische Strukturen lassen sich nur mit gebildeten Menschen aufbauen und pflegen. Mit Menschen, die dann vielleicht einen eigenen afrikanischen Weg finden, der anders sein darf als der Weg, den wir gegangen sind.Dr. med. Klaus Eckerthttp://www.blogger.com/profile/07090729118001582566noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3546768395962846580.post-51870991486150665632007-05-06T05:22:00.000-12:002007-05-06T05:37:14.163-12:00Abschied<a onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}" href="http://1.bp.blogspot.com/_mjXHVekca8Y/Rj4PWaMLkNI/AAAAAAAAAGI/2XgDT88yH7U/s1600-h/Klaus+in+Arbeitskleidung.JPG"><img style="float:left; margin:0 10px 10px 0;cursor:pointer; cursor:hand;" src="http://1.bp.blogspot.com/_mjXHVekca8Y/Rj4PWaMLkNI/AAAAAAAAAGI/2XgDT88yH7U/s320/Klaus+in+Arbeitskleidung.JPG" border="0" alt=""id="BLOGGER_PHOTO_ID_5061499908872966354" /></a><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br />Liebe Freunde,<br /><br />jetzt sitze ich wohl an meinem letzten Sonntag in den Nuba Bergen vor dem PC und versuche meinen Abschied zu formulieren, was ich sehr schwer finde, denn es wird Zeit brauchen, all die Eindrücke zu verarbeiten. <br /><br />Am Dienstag kommt der Geschäftsführer von Cap-Anamur mit meinem Nachfolger und einem zweiten Techniker, einige Tage später werde ich meinen Heimweg antreten. Das große Problem ist immer, einen Flug nach Kenia zu bekommen. So weiß ich nicht ganz genau, wann es losgehen wird. <br /><br />Ich freue mich auf mein Zuhause, vor allem auf Renate, die mir doch sehr fehlt. Das ist zumin-<br />dest eine der Erkenntnisse: dass ich nicht mehr so lange in irgendwelche Projekte oder Arbeit gehen will. <br /><br />Es ist auch klar geworden, dass ich mir in Zukunft Einsatzorte und eventuelle Organi-<br />sationen viel genauer ansehe, bevor ich eine Zusage gebe. Diese Erkenntnis hatte ich schon früher, habe sie aber durch meine eigene innere Unruhe verdrängt. Alle Organisationen, für die ich tätig war, haben sicher etwas Gutes im Sinn und sind motiviert in der Umsetzung ihrer Zielvorgaben. Sie helfen vielen Bedürftigen. Die Nachhaltigkeit und die Anleitung zur Selbsthilfe der Betroffenen tritt aber vielfach in den Hintergrund. So werden die ursprünglichen Ideen immer weniger bedacht, und manche Projekte laufen schließlich irgendwie um ihrer selbst willen. Konzepte verliert man aus den Augen, oder es gibt keine mehr. Auch das hat mir mein Einsatz mit Cap-Anamur gezeigt. <br /><br />Erst wenn ich mir wieder sicher bin, was meine Ziele und mein Konzept für eine Arbeit in der Dritten Welt oder sonst wo sind, werde ich erneut aufbrechen. Ich habe eine Menge Ideen im Kopf, die ich mit Renate und guten Freunden besprechen möchte. Ich bin mir sicher, dass etwas Vernünftiges und Tragfähiges dabei heraus kommen wird. Es kann aber nicht sein, dass Organisationen oder Privatpersonen Aufgaben für einen Staat übernehmen, mit dem man sich noch nicht einmal identifizieren kann und dass die Repräsentanten solch eines Staates sich die Erfolge fremder Arbeit von ihrem Volk honorieren lassen. Wirkliche Veränderungen treten nur dann ein, wenn sie gewollt werden oder die Verantwortlichen sich dem Druck der Wähler oder Menschen beugen müssen. Mit so einer Arbeit, wie ich sie im Moment leiste, handle ich diesem Prozess zuwider, ich stütze ein falsches System. <br /><br />Es wird dann natürlich immer wieder das Argument der Humanität und das Sich- Sorgen um die Menschen in die Waagschale geworfen. Aber machen wir uns doch nichts vor: die Welt geht auch ohne humanitäre Hilfe nicht unter. Sie wird nicht schön sein, solche Phasen dauern aber nicht unendlich, und die Welt erneuert sich auch von allein. Es ist immer wieder unser Ego, das uns vorgaukelt, nur wir könnten etwas verändern, nur wir könnten die Menschen retten. Wir können zwar Hilfe anbieten, wir können Liebe und Mitgefühl geben, den Rest muss aber jedes Individuum leisten, muss selbst entscheiden können, wie es leben will. So sehe ich immer mehr auf das Wohl der Kinder. Sie sind abhängig und können vielfach nicht selbst entscheiden. Ihnen muss man Entscheidungen abnehmen, ihnen muss man eine Chance geben gesund aufzuwachsen und Bildung zu erlangen. Das sind dann Startvoraussetzungen zu einem selbstbestimmten Leben. Vielleicht werden sich in diesem Bereich meine Energien und Bemühungen konzentrieren.<br /><br />Des weiteren finde ich die Unterstützung von einzelnen Personen über einen kurzen Zeitraum sinnvoll. So habe ich hier in Lwere einen jungen Mann kennen und schätzen gelernt, der als eingearbeiteter Pfleger sehr selbstständig arbeitet und eine große Stütze des Projekts ist. Er hatte eine Ausbildung zum Clinical Officer angefangen, die er aus finanziellen Gründen jedoch abbrechen musste. Rotarier aus Hamburg haben sich nun bereit erklärt, die restlichen zwei Jahre zu finanzieren. Ich konnte ihm bei der Vermittlung des Stipendiums helfen, im Wissen, dass er heimatverbunden ist und nach Nuba zurückkehren wird. Er träumt davon beim Aufbau seines Landes sinnvoll zu helfen. Solche Menschen gilt es zu unterstützen. Große Aktionen und Projekte helfen häufig mehr dem Ego der Ausführenden, wenig bleibt für die Betroffenen.<br /><br />Fazit: Ich komme ernüchtert, acht Kilo leichter, aber nicht unzufrieden heim. Ich habe eine Menge gelernt, über mich, was die Medizin betrifft, über Regierungen und Regierungs-<br />organisationen, NGO`s und die damit ver-<br />bundenen Strukturen. Da ich vielfach im Mangel leben musste, kann ich sicher viele der alltäg-<br />lichen Dinge zu Hause mehr wertschätzen, über die ich sonst nicht nachdenke, so zum Beispiel sauberes und ausreichend vorhandenes Wasser, gesunde Ernährung, funktionierende Kommuni-<br />kationsmöglichkeiten, sichere hygienische Verhältnisse und vor allem Freunde, die mir ganz wichtig sind. Ich freue mich darauf, Euch wieder zu sehen. Ich werde langsam ankommen und mich dann melden. <br /><br />Euch allen noch eine schöne Zeit,<br /><br />Euer KlausDr. med. Klaus Eckerthttp://www.blogger.com/profile/07090729118001582566noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-3546768395962846580.post-37683102930835640562007-04-30T23:10:00.000-12:002007-04-30T23:28:55.407-12:00Veränderung der Lebensumstände in den Nuba Bergen<a onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}" href="http://3.bp.blogspot.com/_mjXHVekca8Y/RjcghqMLkLI/AAAAAAAAAF4/vh8Lg8Z8IJU/s1600-h/IMG_0368.JPG"><img style="float:left; margin:0 10px 10px 0;cursor:pointer; cursor:hand;" src="http://3.bp.blogspot.com/_mjXHVekca8Y/RjcghqMLkLI/AAAAAAAAAF4/vh8Lg8Z8IJU/s320/IMG_0368.JPG" border="0" alt=""id="BLOGGER_PHOTO_ID_5059548469007192242" /></a><br />Erstmals wurden die Menschen in den Nuba Bergen durch Leni Riefenstahl bekannt, die in den 60er Jahren zwei hervorragende Bildbände erstellte. Über Google kann man auf die Homepage der verstorbenen Fotografin kommen und sich einen Eindruck vom romantischen Afrika der damaligen Zeit verschaffen. <br />Der Gründer von Cap-Anamur, Rupert Neudeck, schaffte es dann 1999 die Politiker Heiner Geißler und Norbert Blüm zu einem aben-<br />teuerlichen Fußmarsch in die Berge zu bewegen. Mit dieser Werbeaktion sollte auf die Problematik des Konflikts im Südsudan aufmerksam gemacht werden, was auch halbwegs gelang. In einem weniger geglückten Buch wurde die Romantik in den Nuba Bergen beschrieben und auch die freundlichen Menschen, die nur für Seife und Lebensmittel Lasten für das Krankenhaus herbeischafften. <br />Dann wurde der Bürgerkrieg heftiger und bis an das damalige Krankenhaus in Kauda herangetragen, es wurde sogar bombardiert. <br />Aus diesem Grunde wählte man die Berge um den Ort Lwere aus, wo Cap-Anamur seit dieser Zeit das einfache medizinische Zentrum betreibt, das schon lange die Funktion eines Bezirkskrankenhauses erfüllt.<br /><br />Seit 2004 gibt es, nach 22 Jahren Krieg, einen tragfähigen Waffenstillstand zwischen der südsudanesischen Rebellenarmee (SPLA) und der Zentralregierung in Khartoum. 2011 soll in einem Referendum entschieden werden, ob sich das Land teilt oder der Sudan das flächenmäßig größte Land Afrikas bleibt. Einzig und allein finanzielle Erwägungen, hervor gerufen durch große Erdölfunde im Südsudan, haben die Parteien an den Verhandlungstisch gebracht und lassen den jetzigen Waffenstillstand zu. Nun haben die Kriegsparteien Zeit, das Öl zu fördern, Geld zu verdienen und wieder aufzurüsten. Erst nach 2011 wird sich zeigen, was dieser vorübergehende Frieden für eine Bedeutung hat. Das verbrecherische Regime in Khartoum kann inzwischen seinen Vernich-<br />tungsfeldzug in Dafour weiterführen, eben auch mit den neuen Geldmitteln.<br /><br />Die Menschen in den Nuba Bergen versuchten zunächst einmal ihr Leben so weiter zu führen, wie sie es seit Jahrhunderten kannten, was aber immer schwerer wird. Die Armee hat zum ersten Mal Geld und zahlt einen regulären Sold. Plötzlich wollen alle jungen Männer Soldaten werden. Daher schickt man die Soldatinnen heim, große Umstrukturierungen finden statt. Das hereinkommende Geld verteuert zwangs-<br />läufig das Leben. Die kapitalistische Markt-<br />wirtschaft funktioniert perfekt. Da die Männer wieder regelmäßig zu Hause sind, steigt schnell die Bevölkerungszahl. Durch das Missverhältnis Männer zu Frauen (weniger Männer) und den muslimischen Glauben ist Polygamie zwangsläufig. Kinder dominieren das Bild in den Dörfern und machen die größte Zahl unserer Patienten aus. <br /><br />Geld weckt Begehrlichkeiten, die Kriminalität steigt. Auch bei uns im Krankenhaus wird gestohlen, so z. B. ganze Betten mit Matratzen, OP Schuhe - ich operiere jetzt in Badelatschen - auch unsere Spendendosen werden von Patienten geplündert. Der Alkoholismus ist ein zunehmendes Problem, und damit verbunden steigen auch die Gewaltdelikte. Gestern musste ich einen jungen Mann nach einer Messer-<br />stecherei in ein anderes Krankenhaus verlegen. Die OP zum Stoppen der Blutung habe ich mir nicht zugetraut. Ob der Patient den Transport überlebt hat, weiß ich nicht. Mit dem Geld kommt die Prostitution, die Geschlechtskrank-<br />heiten und dann HIV/AIDS.<br /><br />Durch die Verteuerung des Lebens müssen auch die Gehälter unseres Personals angehoben werden, was das Erfordernis zusätzlicher Geldmittel aus Deutschland bedeutet. Für Seife und Lebensmittel arbeitet heute niemand mehr. Noch haben wir genügend Personal, doch Cap-Anamur zahlt auf unterstem Niveau im Vergleich zu anderen NGOs. Gäbe es andere Alternativen für die Angestellten, würden sie diese sicher nutzen.<br /><br />Am meisten Sorgen macht mir aber die Umwelt. Durch den Krieg wurde schon viel zerstört. Jetzt kommen immer mehr Flüchtlinge zurück in ihre Dörfer. Sie haben ein anderes Leben kennen gelernt, andere Menschen und Kulturen. Sie wollen nicht mehr in Lehmhütten wohnen. Sie roden die wenigen Bäume, um damit Öfen zur Ziegelgewinnung zu befeuern. So werden auch bald die tollen Affenbrotbäume diesem Vor-<br />gehen zum Opfer fallen. Sie erinnern mich, auch jetzt in der Trockenzeit, an die Urkraft, die dieser Kontinent einmal gehabt haben muss. Ich liebe Bäume und diese ganz besonders. Leider sehe ich sie nicht mehr im Grün, denn meine Abreise steht bald bevor. Ich hoffe aber, dass die Menschen selbst ein Einsehen haben oder vielleicht ihre Miniwerkzeuge den Bäumen nichts anhaben können. Irgendwann, vielleicht sogar bald, werden aber die Kettensägen anrücken, die alles klein bekommen.<br /><br />So ist die Zeit der Romantik in den Nuba Bergen Vergangenheit. Ich hoffe, dass nicht nur mir diese Erkenntnis gedämmert ist, sondern auch den Verantwortlichen in den Organisationen und Regierungen. Die Menschen brauchen Hilfe, die angemessen ist. Wie man "angemessen" definiert, darüber kann man allerdings lange diskutieren.<br /><br />Euch allen eine schöne Woche<br /><br />Euer KlausDr. med. Klaus Eckerthttp://www.blogger.com/profile/07090729118001582566noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3546768395962846580.post-19158929981694883552007-04-22T08:05:00.000-12:002007-04-22T08:22:27.716-12:00Entwicklungsarbeit, Teil zwei<a onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}" href="http://4.bp.blogspot.com/_mjXHVekca8Y/RivAc0u_UOI/AAAAAAAAAFw/ti_Vw1kjFD0/s1600-h/Artikel.JPG"><img style="float:left; margin:0 10px 10px 0;cursor:pointer; cursor:hand;" src="http://4.bp.blogspot.com/_mjXHVekca8Y/RivAc0u_UOI/AAAAAAAAAFw/ti_Vw1kjFD0/s320/Artikel.JPG" border="0" alt=""id="BLOGGER_PHOTO_ID_5056346608078115042" /></a><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br />Gestern bekam ich eine sudanesische Zeitung mit dem klangvollen Namen <span style="font-style:italic;">Sudan Vision</span> vom 17.April 2007 geschenkt. Darin fand ich den fotografierten Artikel, der mich sehr nachdenklich und später ärgerlich gemacht hat. Jetzt verstehe ich auch die Hektik, mit der offizielle Gesundheitsbeauftragte in unserer Region das Problem HIV/AIDS behandelt wissen wollen: es gibt 28,5 Millionen US Dollar vom Global Fund, von dem jeder etwas abbekommen will.<br /><br />Vor etwa zwei Monaten wurde ich zu einem Meeting über das Thema HIV/AIDS vom Secretary of Health eingeladen. Es gab wenig Informatives, keine Daten oder nähere Auskünfte zu diesem Thema. Sie wollten aber unbedingt etwas initiieren, zumindest in die Aufklärung und Diagnostik einsteigen und baten mal wieder um Hilfe. Sie hatten keinerlei Konzept, und es sollte darauf hinauslaufen, dass die ausländischen Organisationen ihnen diese Arbeit abnehmen. Cap-Anamur ist die einzige medizinische Hilfsorganisation in der Region, mit anderen Worten: ich sollte es tun. Wenn ich damit begonnen hätte, wäre für jede weitere Tätigkeit keine Zeit mehr gewesen, außerdem finde ich andere Probleme weitaus wichtiger. So habe ich klar und deutlich gesagt, dass wir nicht helfen werden. Das hat von den Offiziellen niemand verstehen wollen.<br /><br />Eine Woche später kam eine Delegation aus der Kreisstadt mit einer Wagenladung von Papier, Postern, Kondomen, HIV-Tests und vielen Formularen, damit unser Krankenhaus als HIV Anlaufstation beginnen sollte. Wir verstanden uns zunächst nicht, da ich nicht wusste, was sie von mir wollten, und sie verstanden nicht, dass ich so ablehnend war. Das Secretary of Health hatte ihnen geschrieben, dass es bei uns losgehen kann. So wurden sie echt böse mit mir, als ich sie mit all ihrem Kram wieder fortschickte und auch eine Unterschrift unter ein Formular in arabischer Sprache verweigerte.<br /> <br />Rückblickend wird mir jetzt Vieles klar. Sie wollten dem Global Fund nachweisen, dass sie aktiv sind, Zentren eingerichtet haben usw., damit sie dann dafür Geld bekommen. Dabei scheint es unerheblich zu sein, wie effektiv so ein Zentrum ist. Wenn man die Betreuung von HIV Kranken ernst nimmt, dann ist das ein enormer Aufwand, und es braucht eine Menge geschultes Personal. Das wollte man mal kurz am Wochenende ausbilden, wir sollten das Personal zahlen und die Räumlichkeiten zur Verfügung stellen. Durch viel Geld werden so immer wieder Begehrlichkeiten erzeugt, es wird irgendwie versucht, von dem Kuchen etwas abzube-<br />kommen. Statistiken werden gefälscht, alles wird immer positiv dargestellt. Die Geldgeber sind weit entfernt von jeglicher Kontrollmög-<br />lichkeit. So wird meiner Meinung nach sehr viel Geld von diesen 28,5 Millionen US Dollar in Ineffektivität und private Taschen fließen, so wie bei uns Medikamente aus der Apotheke verschwinden, weil nicht einmal ich in dieser kleinen Einheit genügend kontrollieren kann.<br /><br />Das World Food Programm versorgt viele Menschen im Südsudan mit Grundnahrungs-<br />mitteln. Auch wir bekommen für unsere stationären Patienten diese Nahrung. Es wird genau vorgeschrieben, wie viel wir abgeben dürfen. Die Menge der verteilten Lebensmittel variiert je nach Patientenzahl. So haben wir im Moment genug Vorrat in unserem Lager. Gestern bekamen wir die Aufforderung, die nächste Lieferung abzuholen. Auf die Antwort, dass wir noch genug haben, antwortete man, das sei egal, wir sollten es jetzt holen, sonst gäbe es nichts mehr. Ihnen ist es egal, ob jetzt die Ratten sich den Bauch voll fressen, Hauptsache, die Statistik stimmt. Da sitzen die Jungs hinter ihrem Schreibtisch und unser Techniker muss die Säcke allein schleppen. Auch ein Beispiel dafür, wie wir Internationalen uns um alles kümmern. Wir sind diejenigen, die die praktische Arbeit machen und sich um ihre Leute bemühen, während sie in Ruhe zuschauen. <br /><br />Es gibt im Sudan noch enorm viel zu tun. HIV/AIDS ist nur ein Problem, es gibt keine Infrastruktur, das Leben ist enorm schwer, nur: wir tun diesen Menschen keinen Gefallen damit, dass wir ihnen immer wieder Geld geben und auch bildlich gesprochen „die Säcke schleppen“. Solange fremde Menschen und vor allem weiße Menschen ihnen die Arbeit abnehmen, werden sie nie selbstständig. Jeder, der Kinder erzogen hat, weiß wovon ich rede. Wir internationalen Helfer behandeln die Afrikaner immer noch wie Kinder, denen wir eine Selbstständigkeit absprechen und sie benehmen sich auch entsprechend.<br />Das Hotel Mama verlassen in Deutschland viele der Kinder nicht mehr freiwillig, sie brauchen einen sanften Tritt. Dieser Tritt fehlt auch diesen Ländern und im Speziellen dem Südsudan. So erinnere ich mich immer wieder an meine erste Begegnung mit dem italienischen Pater und an das Verhalten von Renate mit ihren Kindern. Die Kinder in die eigene Verantwortung zu entlassen ist sicher nicht einfach, aber zwingend notwendig. Wichtig ist eine liebevolle Begleitung, da sein, wenn man gebraucht wird, es ertragen können, wenn mal etwas nicht so läuft, wie man es selbst machen würde, Fehler zulassen, die Kinder eigene Erfahrungen machen lassen und auf Gott vertrauen.<br /><br />Wie ihr aus der Entwicklung meiner Berichte und meiner eigenen Person erkennen könnt, ändert sich meine Einstellung zu meiner Arbeit ein wenig. Es ist nur gut, dass auch ich mich in diesem Kontext kritischer sehe. Ich bringe eine Menge Diskussionsstoff mit nach Hause und würde mich freuen, wenn ich von Euch dazu auch Meinungen erfahren könnte. <br /><br />So wie es aussieht, bin ich Mitte Mai wieder in Bremen. Ich habe das Büro in Köln um eine vorzeitige Ablösung gebeten.<br /><br />Auf bald, Euer<br />KlausDr. med. Klaus Eckerthttp://www.blogger.com/profile/07090729118001582566noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3546768395962846580.post-84536331258898991152007-04-19T05:02:00.000-12:002007-04-19T05:22:32.219-12:00Sinn und Unsinn von Entwicklungsarbeit<a onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}" href="http://2.bp.blogspot.com/_mjXHVekca8Y/RiehoUu_UNI/AAAAAAAAAFo/YMS0c_trIfQ/s1600-h/Klaus+mit+PC2.JPG"><img style="float:left; margin:0 10px 10px 0;cursor:pointer; cursor:hand;" src="http://2.bp.blogspot.com/_mjXHVekca8Y/RiehoUu_UNI/AAAAAAAAAFo/YMS0c_trIfQ/s320/Klaus+mit+PC2.JPG" border="0" alt=""id="BLOGGER_PHOTO_ID_5055186820879306962" /></a><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br />Jetzt bin ich seit drei Monaten in den Nuba Bergen für Cap-Anamur tätig und versuche seit zehn Jahren im Entwicklungsdienst meine Berufung zu finden. Abgeschirmt von allen westlichen Einflüssen, lebend unter extremen Bedingungen, keine Vergnügungen, kein Alkohol, Essen nur zur Nahrungsaufnahme, keinerlei Ablenkungen, dafür aber Zeit zum Spüren, Fühlen, Nachdenken, um vielleicht so langsam zu einigen Erkenntnissen zu kommen, die für meine Zukunft entscheidend sein könnten. Davon versuche ich heute etwas zu Papier zu bringen.<br /><br />Bitte versteht meine Ausführungen als eine Momentaufnahme, die sich eventuell zu Hause, nach einiger Erholung von den Strapazen hier, wieder verändern und deutlich versöhnlicher ausfallen kann. Aber im Augenblick geben die nachfolgenden Sätze meinen Standpunkt so wieder, wie ich es erlebe.<br /><br />Kurz gesagt, ob ich hier bin oder in China ein Sack Reis umfällt, wem nützt das? Ist diese Arbeit wirklich so entscheidend wichtig? Um diese Frage kreisen meine Gedanken schon seit einigen Wochen. Und damit meine ich nicht speziell dieses Projekt von Cap-Anamur, sondern die Entwicklungsarbeit in Organisa-<br />tionen im Allgemeinen. Vielleicht verdeutlicht sich meine Kritik und das damit verbundene Unwohlsein hier genauer. Ich erlebe hautnah, wie sich immer alles wiederholt, wie wenig nachhaltig die Arbeit hier ist und wie wenig des hohen finanziellen und persönlichen Aufwandes hängen bleibt. Es kommt mir wie ein großes Spiel vor, jeder nimmt sich und seine Person wichtiger als die Menschen, um die es sich eigentlich drehen sollte. Ich will mich da nicht ausschließen.<br /><br />Die großen Organisationen brauchen die armen Menschen und Krisen, um sich eine eigene Rechtfertigung zu geben, um die Kosten belegen zu können, die ihr Apparat verursacht. Extrem sind die gesamten UN Unterorganisationen, mit denen ich täglich zu tun habe. Ich höre da manchmal nicht mehr hin, da ich mir nicht merken kann, was ihre Abkürzungen bedeuten, und was sie überhaupt wollen. Sie fahren in ihren klimatisierten Geländewagen herum, haben einen enormen Personalaufwand und kommen nie weiter als über ihre Planungsphase hinaus. Aktive Arbeiter habe ich bislang noch nicht kennen gelernt. Dann gibt es hier UN Polizisten, die nach der Friedensphase sudanesische Polizisten ausbilden sollen. Die wenigsten der sudanesischen Polizisten können lesen oder schreiben, allenfalls Arabisch. Englisch versteht niemand. Uniformen gibt es nicht, Ausweise fehlen ebenfalls. Solche Leute bekommen dann Computerunterricht. Die Ausbilder kommen aus Staaten, die es mit den Bürgerrechten nicht so richtig ernst nehmen, wie zum Beispiel aus der Türkei, Ruanda, Sri Lanka, Indien. Alles Staaten, die ihre Leute teuer an die UN verkaufen. Die ausländischen Polizisten ihrerseits kommen des Geldes wegen und sagen einem klar heraus, „die lernen es nie“.<br /><br />Dann gibt es die Frommen, die aber viel prak-<br />tischer sind. Sie bilden ihre Leute wenigstens aus und versuchen ihnen damit eine bessere Beschäftigungsmöglichkeit zu verschaffen. Sie haben ziemlich viel Geld und gehen damit pragmatisch um. Sie machen keine Medizin, sondern kümmern sich darum, dass die Menschen gesund bleiben. Da gibt es Nachhaltigkeit, wenn, ja, wenn die Menschen es überhaupt wollen...<br /><br />Manchmal denke ich, dass es immer noch wir Weiße sind, die den Menschen unsere Wert-<br />vorstellungen als die richtigen verkaufen wollen. Wir können das Leid ihres Lebens nicht ertragen und wollen ihnen helfen, damit wir uns besser fühlen können.<br />Leiden die Menschen in Lwere eigentlich wirklich? Wenn es Wasser gibt, ist das gut, gibt es keines, trinke und wasche ich mich halt nicht. Wir sagen: wie fürchterlich! und fangen an zu organisieren. Dann heißt es: oh, da gibt es ja Wasser! und sie stehen bei uns Schlange. Gibt es uns nicht, auch gut. <br /><br />In diesem Kontext sehe ich mittlerweile unser Krankenhaus und meine Arbeit. Wenn ein Arzt da ist, dann geht man dort hin und lässt sich untersuchen. Es könnte ja was umsonst geben. Er ist kein Chirurg? Nun gut, dann wartet man eben, bis einer kommt. Das Krankenhaus kann nicht helfen? Dann geht man halt wieder, der Kranke kann besser zu Hause sterben. <br /><br />Sicher konnte ich einzelnen Menschen helfen und vielleicht auch das eine oder andere Leben retten, was aus Sicht der Nächstenliebe schon genug ist und mein Hiersein rechtfertigt, nur: mir reicht das nicht mehr. Ich weiß, dass die Menschen hier leben und sterben, und es ist völlig unerheblich , ob es mich gibt oder irgend jemand anderen. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich wirklich willkommen bin. Letztlich wundert es mich auch nicht, da ich mich selbst angeboten habe und sie wissen, dass die Deutschen kom-<br />men und gehen. Wenn mal keine mehr kommen, geht das Leben auch weiter. Ich glaube, dass da der entscheidende Punkt zu suchen ist. Den Menschen ist es völlig egal, aus welchen Motiven man hier ist, die Hauptsache ist die, dass sie etwas abbekommen. Davon versuchen sie soviel abzugreifen, wie sie nur bekommen können. Auf staatlicher Ebene in extremem Maße, die Korruption - auf niedriger Ebene mit verdeckten Geschenken oder Betrug und Diebstahl - wird nicht einmal verdeckt. Wir Helfer kommen mit hehren Vorstellungen hierher, in diese Welt, die keiner von uns versteht. Und da ist es unerheb-<br />lich, ob ich in Afrika oder Asien bin. Es geht mit der Sprache los, nicht bestehendem Kultur-<br />verständnis und einer Unkenntnis der Macht-<br />strukturen in den Gastländern. <br /><br />Dazu kommt, dass man häufig auch nicht die Führungsstrukturen in den Organisationen kennt, für die man arbeitet, was man sich dann aber selbst zurechnen muss. Es treten Konflikte auf, die einem die Arbeit zusätzlich erschweren können. Wenige Organisationen werden wirklich professionell geführt, was für eine gute Arbeit und Nachhaltigkeit der Arbeit wichtig wäre. Ich spreche da von Organisationen, die eine gewisse Größe angenommen haben. Sie versuchen dann, den Laden irgendwie am Laufen zu halten. Da ist es letztendlich auch egal, wer im Moment unterwegs ist. <br />Ich glaube, dass ich für keine Organisation mehr zu haben sein werde. Welche Konsequenz das letztendlich haben wird, kann ich im Moment nicht sagen. Es bedarf weiterer Überlegungen, Gespräche mit Renate, die mir jetzt besonders fehlt. <br /><br />Meine wichtigste Einsicht ist die, dass man gebeten werden sollte und dass man sich und den anderen die nötige Zeit und Ruhe lässt, um dann etwas Nachhaltiges ins Leben zu rufen. Da denke ich nicht unbedingt an ein medizinisches Projekt. Im Vordergrund sollte eine prophylak-<br />tische Arbeit stehen: Bildung, die Emanzipation der Armen und im Speziellen die Emanzipation der Frauen in den Dritt-Welt-Ländern. Kleine, individuelle Projekte, die von Betroffenen selbst geführt werden, könnten für mich eine Lösung sein. Wir weißen, reichen, ach so klugen Menschen sollten uns weitestgehend aus der Gleichung heraus nehmen. Sind unsere Motive immer so lauter, wie wir es von uns denken? Wollen wir nicht auch mehr bekommen als wir bereit sind zu geben?<br /><br />Euch einen schönen Frühling,<br />ein nachdenklicher KlausDr. med. Klaus Eckerthttp://www.blogger.com/profile/07090729118001582566noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3546768395962846580.post-4603028083100912342007-04-15T08:18:00.004-12:002007-04-17T04:24:02.325-12:00Local treatment<a onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}" href="http://4.bp.blogspot.com/_mjXHVekca8Y/RiT0k4N6c9I/AAAAAAAAAFg/EYbHkPfwlj4/s1600-h/Kinder.JPG"><img style="float:left; margin:0 10px 10px 0;cursor:pointer; cursor:hand;" src="http://4.bp.blogspot.com/_mjXHVekca8Y/RiT0k4N6c9I/AAAAAAAAAFg/EYbHkPfwlj4/s320/Kinder.JPG" border="0" alt=""id="BLOGGER_PHOTO_ID_5054433596219749330" /></a><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br />Ich hatte gerade ein sehr langes Gespräch mit UN- und zwei sudanesischen Polizisten. Der Grund sind unverhältnismäßig viele Todesfälle von Kindern und einigen Erwachsenen, die von traditionellen Heilern irgendwelche Wurzelsäfte zu trinken bekommen, an denen sie nach etwa drei Tagen schwer erkranken und nicht therapierbar versterben. Es ist nicht heraus-<br />zubekommen, wo die Medizin verabreicht wird und wer es tut. Die Eltern verneinen zuerst immer die Frage nach „local treatment“, erst wenn man heftiger wird, bekommt man verlässlichere Auskünfte.<br /><br />So habe ich in den letzten drei Monaten sechs sterbende Kinder gebracht bekommen. <br />Symptome: hohes Fieber, das auch kaum auf Paracetamol reagiert, eingeschränkte Atmung, die wie eine schwere Pneumonie imponiert, dann zerebrales Koma, in dem die Kinder dann auch versterben. Wenn es länger dauert, ist ein Nierenversagen die Todesursache.<br />Alles, was ich versucht habe, blieb stets erfolglos, ich habe keinen Patienten retten können. Es ist sicher ein Dosis/Wirkungs-<br />problem, da in dieser Schwere fast nur Kinder betroffen sind und mir auch nicht klar ist, wie viele Kinder nach so einer Behandlung zu Hause sterben.<br /><br />Mit unterschiedlichen Erkrankungen suchen die Menschen traditionelle Heiler auf. Ich weiß nichts über die Ausbildung oder Qualifikation dieser Medizin praktizierenden Nubier. Sie arbeiten sehr im Verborgenen und werden nie mit Namen genannt, sie wollen keine Kontakte zu Ärzten. Ich sehe nur die Auswirkungen ihrer Medizin, dann, wenn die Kranken zu uns kommen oder gebracht werden.<br /><br />Die traditionelle Medizin ist eher eine brachiale und hat wenig mit dem zu tun, was ich von der Arbeit von Schamanen in Asien gesehen habe. Außerdem lassen sie sich ordentlich bezahlen, was die Familien der Kranken mitunter sehr belastet.<br /><br />Gegen Durchfall entfernt man zum Beispiel die Eckzähne, gegen Gelbsucht (am ehesten Hepatits A oder E, eine selbst limitierende Virusinfektion) brennen sie über der Leber oder verletzen die Haut in anderer Weise. So findet man fast bei jedem Patienten irgendwelche Narben im rechten Abdominalbereich. Wo immer es weh getan hat, findet man solche Narben. <br /><br />Ich bin sicher kein Gegner einer traditionellen Medizin, sondern fand es immer spannend mich mit diesen Heilern zu unterhalten und auch von ihnen zu lernen. Ich halte diese Form der über-<br />lieferten Medizin jedoch für so tödlich und verstümmelnd, dass ich mich entschlossen habe, offizielle Wege zu gehen, damit das Problem bekannt wird und die Menschen wissen, was sie sich und ihren Kindern antun, denn es scheint niemand daran gelegen zu sein, diesen Men-<br />schen das Handwerk zu legen oder zumindest mit ihnen zu reden. Die örtlichen Gesundheits-<br />verantwortlichen kümmern sich nicht um das Problem, sie sind eher an Statistiken interessiert, mit denen sie in den Ministerien dann angeben können, mit Leistungen, an denen sie nie mitgewirkt haben. (Werde ich nach solchen Daten gefragt, wende ich den suda-<br />nesischen Weg der Verweigerung an, indem ich ihnen sage: „Sorry, our printer is not working, but you can have a CD“ in der Kenntnis, dass sie keinen Rechner besitzen. Das ist aber ein anderes Thema.)<br /><br />Das Bild zeigt Euch die Kinder, die primär gefährdet sind. Sie leben in Dörfern, die weit von uns entfernt liegen. Die Eltern gehen dann zu diesen Heilern in Ermangelung anderer Alternativen, es ist aber in vielen Fällen eine tödliche oder sehr schmerzhafte Alternative.<br /><br />Ich grüße alle und hoffe, dass der Frühling Euch mehr Licht und Wärme bringt. Hier habe ich genug davon und sehne, wie alle Menschen um mich herum, die Regenzeit herbei. Alle Brunnen um uns herum sind trocken, und wir holen unser Wasser täglich aus einem Ort, vierzig Minuten mit dem Auto entfernt. Unsere Nachbarn müssen das zu Fuß erledigen.<br /><br />Noch ein Nachtrag: gestern musste ich den 10. Kaiserschnitt durchführen, als Krönung gab es eine Sterilisation dazu, die für mich wiederum die erste war.<br /><br />Bis zum nächsten Mal<br />Euer KlausDr. med. Klaus Eckerthttp://www.blogger.com/profile/07090729118001582566noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3546768395962846580.post-80638524101791119802007-03-25T06:37:00.000-12:002007-03-25T06:56:49.917-12:00Malaria<a onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}" href="http://1.bp.blogspot.com/_mjXHVekca8Y/RgbByS4f95I/AAAAAAAAAFI/H1olS91OVAI/s1600-h/Baby+mit+Malaria.JPG"><img style="float:left; margin:0 10px 10px 0;cursor:pointer; cursor:hand;" src="http://1.bp.blogspot.com/_mjXHVekca8Y/RgbByS4f95I/AAAAAAAAAFI/H1olS91OVAI/s320/Baby+mit+Malaria.JPG" border="0" alt=""id="BLOGGER_PHOTO_ID_5045933502321653650" /></a><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br />Klingt doch ganz melodisch, oder? Liebe Freunde, heute muss ich Euch von dieser schlimmen Krankheit berichten, da sie mich in den Nuba Bergen täglich beschäftigt und ich Menschen daran sterben sehe, ziemlich akut oder auch langsam im Rahmen von Blutarmut, Organveränderungen, Nierenversagen.<br /><br />So wie den kleinen Jungen auf dem Bild bringen die Menschen die Erkrankten in unsere Ambulanz. Tief komatös, hoch fiebernd, ausgetrocknet und fast tot. Der kleine Junge hat es überlebt, was aber nicht unbedingt die Regel ist.<br /><br />In den Statistiken der WHO aus dem Jahr 2004 ist zu lesen, dass jährlich 350 bis 500 Millionen Menschen an Malaria erkranken, es sterben daran jährlich etwa 1,5 bis 2 Millionen. Allein in Sub-Saharian-Afrika, wozu auch der Sudan gehört, sind das ca. 900.000 Kinder. Etwa 20% der kindlichen Todesfälle sind auf Malaria zurück zu führen. 40% bis 50% der Patienten, die stationär aufgenommen werden, sind an Malaria erkrankt. Soweit die nackten Zahlen.<br /><br />Die Erkrankung ist in dieser Gegend endemisch, was bedeutet, dass es sie zu jeder Zeit gibt. Die Plasmodien (Erreger) leben im Körper der infizierten Menschen. Der Mensch ist der einzige Wirtsorganismus, den die Plasmodien zum Weiterbestehen benötigen. Die Anopheles-<br />Mücke ist der Überträger und wichtig für die Entwicklung der Parasiten. Sie brauchen die Symbiose Mensch und Mücke, um zu überleben. Dieses ist eine ganz einfache Erklärung, aber ausreichend, um zu verstehen, dass man unter den Bedingungen in Afrika immer nur die Symptome behandeln kann und das mitunter auch nicht, da die erforderlichen finanziellen Mittel fehlen. Daher hat sich der Global Fund, welcher unter anderem von Bill Gates gegründet und finanziert wird, sich dieses Problems angenommen. Er finanziert einen Teil der Forschung, stellt Mittel zur Therapie bereit und tut Einiges für die Prophylaxe. Diese beinhaltet die Bekämpfung der Brutstätten der Mücken und die Bereitstellung von imprägnierten Bettnetzen.<br /><br />Ziel ist es, Kinder unter fünf Jahren und schwangere Frauen zu schützen. Im späteren Leben entwickeln die Menschen eine Teilimmunität, die sie vor den gefürchteten Komplikationen schützt. In unserem Projekt bin ich in der glücklichen Lage, über alle guten Medikamente zur Behandlung zu verfügen, und es gibt ausreichend Flüssigkeit in Form von Infusionen. Leider kommen die Menschen fast immer zu spät, und für solche Fälle fehlt dann doch die Intensivstation.<br />So haben wir durch cerebrale Malaria schon einige Kinder und Frauen verloren, die man hätte beatmen müssen. Schwangere haben ihre Kinder in einer Abortblutung verloren. Das ist noch die „einfachere Variante“. Wenn die Mutter verstirbt, ist das ein Drama für die ganze Familie, da es einen Stall voll Kinder gibt, die die Mutter und damit ihre nächste Bezugsperson verloren haben. Im Moment behandele ich einen kleinen Jungen nach einem akuten Nieren-<br />versagen, aus dem ich ihm heraushelfen konnte. Er hatte das Glück, auf den wahrscheinlich einzigen Nephrologen im Sudan zu treffen.<br /><br />Die Menschen kennen diese Erkrankung seit Menschengedenken und akzeptieren<br />sie, wie so Vieles hier, was ich niemals könnte. Sie wollen nicht unter Moskitonetzen schlafen, da es ihnen zu heiß darunter ist. Ich kann das verstehen und schwitze auch des Nachts vor mich hin. Man muss sich halt dazu zwingen, was eine Mentalitätsfrage ist. Für das Sprühen der Hütten ist kein Geld vorhanden, der Staat kümmert sich nicht. Auch für die Bereitstellung der Medikamente gibt der Staat kein Geld aus. Das staatliche Gesundheitssystem hält an einer Therapie fest, die schon lange nicht mehr<br />wirksam ist. Das Gesundheitsministerium ist noch nicht einmal in der Lage, ein Auto bereit zu stellen, um Medikamente, die Cap-Anamur für die kommende Regenzeit zur Verfügung stellen will, bei uns abzuholen, um sie an die staatlichen Health posts zu verteilen. Das sollen wir auch noch für sie machen. So kommen die Menschen von weit her zu uns oder auch nicht. Man muss sich mal vorstellen, mit hohem Fieber bei 40°C Hitze 2 bis 6 Stunden zu laufen!<br />Ich wundere mich immer wieder, wie das geht.<br /><br />Ich selbst habe zwar auch etwas Angst zu erkranken, schütze mich aber durch ein Antibiotikum, welches ich nun sechs Monate lang schlucke, schwitze unter dem Moskitonetz und sprühe mich abends ein. Ist sicher nicht alles so gesund, aber einer Malaria vorzuziehen. Bislang ist ja noch alles gut gegangen, die Regenzeit steht vor der Tür.<br /><br />Nun noch der Bezug zur Heimat. Experten gehen davon aus, dass die Malaria auch in Europa wieder Einzug halten wird, wenn es mit der globalen Erwärmung so weiter geht. In Südeuropa soll es schon einige Erkrankungsfälle gegeben haben. Die letzte Erkrankung hatten die Engländer 1936 in Südwales diagnostiziert.<br /><br />In den nächsten zwei Wochen wird es wohl keine neuen Blogs geben, da meine Liebste mit Freundinnen in die Sonne fliegt. Sie zeichnet verantwortlich für die Grammatik, das Layout und die Veröffentlichung. Ich hoffe, dass sie sich gut erholt und von Mücken verschont bleibt. Das römische Imperium hatte unter den Soldaten dort unten auch ein Malariaproblem. Von schwarzem Urin wurde zumindest berichtet.<br /><br />Ich hoffe, dass es allen weiterhin gut geht,<br /><br />Euer KlausDr. med. Klaus Eckerthttp://www.blogger.com/profile/07090729118001582566noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-3546768395962846580.post-12340850149469666722007-03-18T08:14:00.000-12:002007-03-18T08:26:08.630-12:00Ach, Afrika – Die Promiskuität und ihre Folgen<a onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}" href="http://2.bp.blogspot.com/_mjXHVekca8Y/Rf2d9wOvv9I/AAAAAAAAAFA/JCuL0wNYHTI/s1600-h/Neugeborenes+mit+Syphilis.JPG"><img style="float:left; margin:0 10px 10px 0;cursor:pointer; cursor:hand;" src="http://2.bp.blogspot.com/_mjXHVekca8Y/Rf2d9wOvv9I/AAAAAAAAAFA/JCuL0wNYHTI/s320/Neugeborenes+mit+Syphilis.JPG" border="0" alt=""id="BLOGGER_PHOTO_ID_5043360841969156050" /></a><br />Liebe Freunde,<br /><br />heute ein ganz heißes Thema aus diesem heißen Kontinent. Ich denke da nicht einmal an die altbekannte Problematik HIV/AIDS. Dazu vielleicht später<br />mal mehr.<br />Bestimmt zweimal die Woche sehe ich Kinder, wie auf dem beigefügten Bild zu sehen. Gerade mal geboren und schon eine Geschlechtskrankheit, in diesem Fall eine Syphilis. Es ist immer schlimm anzusehen, wie die Säuglinge sich mit den Hauterkrankungen quälen und dann von uns mit Penicillininjektionen zusätzlich traktiert werden. Das Penicillin tut sehr weh, wenn es in die Muskulatur eingespritzt wird. Selbst den harten Männern treibt es die Tränen in die Augen.<br /><br />Der afrikanische Mann braucht viele Frauen und will viele Kinder zeugen, vor allem in den moslemisch geprägten Ländern. Das scheint althergebracht zu sein und ist wohl eher kulturell zu verstehen. Ich kenne die Kultur viel zu wenig, um darüber urteilen zu wollen. Fakt ist, dass es in unserer modernen Zeit nicht mehr ohne Konsequenzen und Risiken praktizierbar ist. Die Gesellschaft ist mobiler geworden, die Gemeinschaft der Sexualpartner ist größer geworden. Soldaten werden weit vom Wohnort entfernt stationiert, sind lange von zu Hause fort und suchen sich Frauen vor Ort. Männer sind zur Arbeit häufig Monate unterwegs. Die zurück gebliebenen Frauen sind auch keine Kinder von Traurigkeit und leben ihr Leben. Die wenigsten Ehen entsprechen unserem Liebesideal, sie sind eher Zweckgemeinschaften, entsprechen den finanziellen Möglichkeiten der Männer. So ist die Bereitschaft für einen Ehebruch vorhanden und das Risiko für eine Ansteckung mit einer Geschlechtskrankheit entsprechend groß. Jeden Tag diagnostizieren wir Syphilis, Gonorrhöe und was es sonst noch alles gibt. HIV testen wir nicht, da es keine entsprechende Logistik und Therapiemöglichkeiten gibt. Ich bin mir aber sicher, dass wir auch da fündig würden.<br /><br />Die Bildung der Menschen im Südsudan ist katastrophal schlecht, so dass es kaum möglich ist, die Betroffenen entsprechend aufzuklären. Im Südsudan werden so unterschiedliche Dialekte gesprochen, dass es mitunter schwer fällt, den nötigen Übersetzer zu finden. Es gibt eine Schamgrenze, die ich bei der Promiskuität nicht verstehen kann. Man spricht einfach nicht über Sexualität, man praktiziert sie nur. Meinen Übersetzern ist es oft mega-peinlich meine Fragen zu übersetzen. Kondome werden schlichtweg abgelehnt.<br /><br />Die schwangeren Frauen, die in unsere Gynäkologie zu Vorsorge kommen, werden<br />alle entsprechend getestet und zur Paartherapie einbestellt. Es ist häufig äußerst schwierig, da der Mann all seine Frauen bringen muss, auch die, die gerade nicht schwanger sind. Die Frauen leben häufig weit voneinander entfernt und wollen oft nicht kommen. Was geht sie die andere Frau an? Dann behandeln wir doch, um das wachsende Kind zu schützen. Manchmal sind die Frauen dann wieder infiziert, aus welchen Gründen auch immer. Außerdem betreuen wir nur einen Bruchteil der Schwan-<br />geren in unserem Einzugsbereich. Die anderen Frauen kommen erst mit den erkrankten Kindern.<br /><br />Ich musste feststellen, dass die gängigen Antibiotika zur Behandlung einer Geschlechts-<br />krankheit nicht mehr greifen. Kein Wunder, bei dem schnellen Griff zum Antibiotikum bei allen Gelegenheiten. Das macht die Behandlung nur noch komplizierter und teurer. Dass dafür Spendengelder benutzt werden, ist ein eigenes Thema.<br /><br />Ich glaube, dass man das Problem der Geschlechtskrankheiten und damit auch HIV/AIDS nur durch eine umfassende und bessere Bildung der afrikanischen Menschen in den Griff bekommen kann. Das ganze Geld, das jetzt für Medikamente und Therapien investiert wird, ist unnütz ausgegeben. Wir behandeln mal wieder nur rein symptomatisch, stecken den entsprechenden Pharmafirmen das Geld in die Tasche, anstatt die Ursachen zu behandeln.<br />Ursachen in Form mangelnder Bildung, Armut, Hunger, Perspektivlosigkeit, ungerechter Entlohnung der Menschen in der Dritten Welt. Die Menschen, die jetzt infiziert sind, denen ist eh nicht mehr zu helfen, sie sterben über kurz oder lang. Der kleine Junge, der jetzt schon krank zu Welt gekommen ist, ohne sein Zutun, dem gilt es zu helfen. Das ist die Zukunft Afrikas, stellvertretend für den Rest der Armen. Daran müssen wir arbeiten.<br /><br />Medizin wird für mich immer unwichtiger, denn sie ist keine präventive Hilfe, hilft vielleicht eher die Probleme zu verdecken und ist nur gut gegen ein schlechtes Gewissen.<br /><br />Euer KlausDr. med. Klaus Eckerthttp://www.blogger.com/profile/07090729118001582566noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3546768395962846580.post-24108893009935709122007-03-11T19:26:00.000-12:002007-03-11T19:34:40.885-12:00Das Wasser wird knapp<a onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}" href="http://2.bp.blogspot.com/_mjXHVekca8Y/RfUBZD6K_LI/AAAAAAAAAE4/brXC-d4R830/s1600-h/Wasserholen.JPG"><img style="float:left; margin:0 10px 10px 0;cursor:pointer; cursor:hand;" src="http://2.bp.blogspot.com/_mjXHVekca8Y/RfUBZD6K_LI/AAAAAAAAAE4/brXC-d4R830/s320/Wasserholen.JPG" border="0" alt=""id="BLOGGER_PHOTO_ID_5040936887968791730" /></a><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br />Es ist heute sehr heiß, und ich tropfe nur noch vor mich hin. Ich versuche meinen PC vor meinem Schweiß zu schützen, so gut es geht. Staub überall und dann auch noch Wasser, das ist bestimmt nicht so gut.<br /><br />Die Menschen um mich herum transpirieren genau so wie ich. Jetzt wird auch das Wasser in den Brunnen knapp und die Stimmung der Menschen zunehmend aggressiver. An der einzigen Pumpe vor unserem Krankenhaus steht eine lange Schlange von Kanistern, die alle langsam, wie von Geister Hand, Richtung Pumpe wandern. Sie sind irgendwie markiert und werden nach einem System gefüllt, das ich nicht durchschaue. Manchmal denke ich, welch eine Disziplin, dann wird es aber doch wieder etwas laut, da einige der Wartenden sich nicht an die Reihenfolge halten wollen. Diese Pumpe versorgt die Menschen aus einem Umkreis von 30 – 50 Minuten Fußweg. Wasser wird grundsätzlich von den Frauen und Mädchen geschleppt. Es scheint unter der Würde der Männer zu sein, diese schwere körperliche Arbeit zu verrichten.<br /><br />Unsere Trägerin hat heute schlapp gemacht, sie kann auch allein die Arbeit nicht mehr schaffen. Es ist richtig schwer, das Wasser nach oben zu pumpen. So haben wir jetzt für die Nacht eine Zweite angestellt, da nachts nicht mehr so viele Menschen kommen und sich ein Fass schneller füllen lässt. Wir trinken dieses Wasser, gereinigt über Filter, benutzen es zum Waschen, Duschen und Kochen. Für vier Personen kommen da schon einige Liter zusammen. Wenn ich an den Verbrauch zu Hause denke, ist es aber nur ein Bruchteil dessen, was man so am Tag in Deutschland verbraucht. Man lernt den Wert von Wasser wieder zu schätzen. Wer macht sich bei uns darüber eigentlich noch Gedanken? Wenn der Brunnen austrocknet, müssen wir für viel Geld Wasser aus Kauda, dem nächsten Ort, kommen lassen. Ich befürchte, dass das dann nicht mehr so sauber ist. Weiß der Henker, in welchen Fässern das Wasser transportiert wird. Wir können das zahlen, die anderen vor der Tür nicht. Sie müssen dann ihr Wasser über eine Stunde lang schleppen. Dann trinken sie noch weniger als sonst üblich, und sie werden noch schmutziger.<br />Für mich kaum noch vorstellbar, was dann für Arbeit auf uns zu kommt.<br /><br />Dieses Problem des Wassermangels werden wir weltweit erleben. Es gibt Landstriche auf der Welt, da ersaufen die Menschen im Wasser und andere Gebiete wie hier, wo man um jeden Tropfen ringen muss. Die Menschen in Lwere kennen das Problem, es besteht jedes Jahr. In diesem Jahr nur sehr viel früher als sonst. Global Warming kennen sie nicht als Begriff, nur die praktischen Auswirkungen lassen sie immer schlechter leben. In zwei Monaten kommt dann die Regenzeit, wo die trockenen Flussbetten zu reißenden Strömen werden und dann neue Gefahren auf die Menschen zu kommen. Unpassierbare Straßen, Schlamm und Schlamm-<br />lawinen, die Mücken und dann Malaria, an der die Kinder, die schwangeren Frauen und die alten Menschen sterben. Der Killer in Afrika schlechthin.<br /><br />Wir Menschen in der westlichen Welt sind die Hauptverursacher dieser Umweltproble-<br />matik mit unserem Hunger nach Wohlstand, Luxus und den vielen anderen vermeintlich unentbehrlichen Annehmlichkeiten der westlichen Zivilisation. Es muss immer mehr sein, höher, weiter und schneller. Viel weiter als über unseren Tellerrand wollen wir nicht sehen. Klar ist, dass meistens die armen Menschen die Folgen zu tragen haben. Siehe meine derzeitige Lebenssituation in Hitze und Wassermangel oder Bangladesh mit Hitze und Überschwem-<br />mungen.<br />Wie mir Renate berichtete, ist aber gerade auch bei Euch die Diskussion über dieses Thema akut. Ich würde mir wünschen, dass möglichst viele Menschen wach werden, denn irgendwann wird es auch zu einem Problem von uns Menschen in den westlichen Ländern werden. Fakt ist, dass wir viel mehr zu verlieren haben als die Menschen hier. Wenn es sich nicht mehr leben lässt, verlassen die Menschen ihre Heimat in Afrika. Es gibt eh nichts mitzunehmen, da man nichts besitzt. Wir sind nicht so flexibel, da wir auf unserem Reichtum sitzen und über jeden Euro jammern, der verloren geht.<br /><br />Mir geht es trotz allem gut, mitunter recht müde bei der anfallenden Arbeit und den Lebens-<br />bedingungen. Ich wünsche Euch eine gute Woche.<br /><br />Euer<br />KlausDr. med. Klaus Eckerthttp://www.blogger.com/profile/07090729118001582566noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3546768395962846580.post-7094941771699158612007-03-05T00:14:00.000-12:002007-03-05T00:23:55.932-12:00Die Narben Afrikas<a onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}" href="http://1.bp.blogspot.com/_mjXHVekca8Y/RewKDwMbxMI/AAAAAAAAAEw/TX3BuRz6dQE/s1600-h/Nubafrau.JPG"><img style="float:left; margin:0 10px 10px 0;cursor:pointer; cursor:hand;" src="http://1.bp.blogspot.com/_mjXHVekca8Y/RewKDwMbxMI/AAAAAAAAAEw/TX3BuRz6dQE/s320/Nubafrau.JPG" border="0" alt=""id="BLOGGER_PHOTO_ID_5038413142713681090" /></a><br /><br /><br />Liebe Freunde,<br /><br />wieder ist eine Woche vergangen, nicht ohne eine weitere Schnitt- entbindung. Leider war das Kind schon tot, der Mutter konnten wir aber helfen, und es geht ihr trotz großem Blutverlust gut. Gewöhnen kann ich mich immer noch nicht an den damit verbunden Stress.<br /><br />Das Foto der Nubafrau ist für mich ein Sinnbild, wie ich Afrika bisher erlebe: tiefe Narben, die in die Menschen und diesen Kontinent geschlagen wurden. Die Narben der Frau sind keine Unfallnarben, nein, sie hat sie sich selbst zugefügt. Es soll der Schönheit dienen, aber auch signalisieren, wie stark und kräftig man ist, diesem harten Leben die Stirn zu bieten, Gesicht zu zeigen. Ich verstehe nur wenig von den Menschen in meiner Umgebung, und es fällt mir sehr schwer in diese fremde Kultur einzusteigen.<br /><br />Die Menschen sind sehr hart sich selbst und ihren Mitmenschen gegenüber. Emotionen sehe ich selten, alles wird stumm und kommentarlos akzeptiert, Widerstand selten geübt. Die Familie kommt mit den Kranken in Sorge. Sie tun die praktischen Dinge, die das Überleben sichern helfen, es fehlt mir aber in allem das, was ich mit einem Begriff des liebevollen Mitfühlens umschreiben würde. Vielleicht ist das ja auch ein Luxus, den nur wir uns in unserer Gesellschaft leisten können. Hier zählt einfach nur das Überleben und das gelingt nur, wenn man hart ist und bleibt. So wird auch kommentarlos akzeptiert, wenn dem Kranken nicht mehr zu helfen ist. Dann nehmen sie den Menschen zum Sterben mit nach Hause, wie immer das dann auch zu Ende geht. Der Wunsch kommt meistens vom Patienten, weniger von den Angehörigen. Das Sterben in dieser Gemein-<br />schaft ist Bestandteil des Lebens, und da haben sie uns in unserer Gesellschaft einfach etwas voraus. Das finde ich in all meiner Kritik bewundernswert, und insofern lerne ich von ihnen. Sie übernehmen im privaten Bereich Verantwortung für sich und fordern sie nicht von anderen ein. Sie hadern weniger mit ihrem Schicksal oder dem lieben Gott.<br /><br />Gleichzeitig macht mich die Lethargie auch wiederum wütend, wenn es Lösungsmöglich-<br />keiten gibt. So schert es den Ehemann einer Patientin wenig, dass sie und das neugeborene Kind wahrscheinlich sterben werden, bloß weil sich niemand aus der Familie findet, der Blut spenden will. Ihm konnten wir nach viel Lärm 500 ml abzapfen, jetzt erzählt er allen, wie schwach er ist, und der Rest der Familie sucht das Weite. Das seine Frau kaum Kraft zum Atmen hat, geschweige denn genug Milch für das Kind vorhanden ist, interessiert ihn nicht. Wahrscheinlich hat er genug Geld, sich bald was Jüngeres fürs Bett und die harte Arbeit zu kaufen. Auch das zeigt die Härte dieser Menschen und ist für mich unverständlich. Es bleibt mir aber kaum etwas anderes übrig, als das zu akzeptieren. Es bestätigt die Thesen und Aussagen von Bartholomäus Grill in seinem Buch „Ach, Afrika“. Es war mir eine gute Hilfe in der Vorbereitung auf das Leben in Afrika.<br /><br />Ich habe eh ein sehr gespaltenes Verhältnis zu den männlichen Patienten. Sie machen mich mitunter aggressiv. 90% von ihnen sind gesund und kommen mit Befindlichkeitsstörungen, die ich nicht mehr behandelt wissen möchte. Wie überall in der Dritten Welt sind die Frauen die Säulen der Gesellschaft. Sie leisten harte Arbeit, kümmern sich um die Kinder und die Familie und sind fast permanent schwanger. Deren Krankheiten versuche ich ernster zu nehmen, versuche zu helfen. Die Männer sind die großen Macher mit dem Maul. Vor allem, wenn sie meinen, etwas zu sagen zu haben. Gremienarbeit und Meetings sind ihr große Leidenschaft. Sie verlangen aber immer zu aller erst Geld, welches sie nicht besitzen. Sie erwarten von den internationalen Gesellschaften ein Sponsoring ohne Limit nach oben und bekommen das ja auch vielfach. Die Korruption lauert aber an jeder Ecke. Auch das ist Afrika, ein Fass ohne Boden und Menschen, die es gewohnt sind, die Hand aufzuhalten und uns ein schlechtes Gewissen zu machen, uns mit ihrem Elend und den Katastrophen drohen.<br /><br />Ein katholischer Priester, der seit 30 Jahren in Afrika lebt und arbeitet, sagte mir neulich als Fazit seiner Erfahrung: „Gebt den Afrikanern für ihre Bodenschätze und Dinge, die sie zu bieten haben, das, was ihnen zusteht, behandelt sie korrekt wie jeden anderen Menschen, und lasst sie allein. Solange der weiße Mann sich kümmert und immer wieder in Situationen eingreift, von denen er nichts versteht, so lange wird sich auf diesem Kontinent nichts verändern.“<br /><br />Ich weiß noch nicht so ganz, ob ich dem zustimmen kann, ich muss aber sehr häufig an diese Aussage denken. Das Leben geht hier weiter, ob ich/wir da sind oder nicht. Es wäre ein enorme Überheblichkeit, die Tatsache anders zu sehen.<br /><br />Nichtsdestotrotz mache ich im Moment weiter, für meine Zukunft gilt es neue Überlegungen anzustellen.<br /><br />Ich wünsche Euch alles Gute<br />Euer<br />KlausDr. med. Klaus Eckerthttp://www.blogger.com/profile/07090729118001582566noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3546768395962846580.post-16938799591698303082007-02-25T05:18:00.000-12:002007-03-03T20:44:44.477-12:00Der normale Wahnsinn eines Arbeitstages<a onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}" href="http://1.bp.blogspot.com/_mjXHVekca8Y/ReHGpJoNX0I/AAAAAAAAAEk/8MVaI8Nbwis/s1600-h/Klaus+in+Arbeitskleidung.JPG"><img style="float:left; margin:0 10px 10px 0;cursor:pointer; cursor:hand;" src="http://1.bp.blogspot.com/_mjXHVekca8Y/ReHGpJoNX0I/AAAAAAAAAEk/8MVaI8Nbwis/s320/Klaus+in+Arbeitskleidung.JPG" border="0" alt=""id="BLOGGER_PHOTO_ID_5035524268638428994" /></a><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br />Die Visite um 8.30 Uhr dauert länger als sonst. Ein junger Patient stirbt im Nierenversagen. Er kam sehr spät und hatte schon Ödeme und Durchfälle seit vier Wochen. Ein schwerer Amöbeninfekt. Gleichzeitig habe ich den hochgradigen Verdacht, dass er AIDS hat. Die Familie ist mit ihm ins Dorf zurück. Der angeschossene Soldat ist immer noch da, sein Kommandant kümmert sich einfach nicht. Lange Diskussion. Ein junger Patient mit einer Meningitis wird auch nicht besser. Ein junges Mädchen kommt mit Übelkeit und Brechreiz. Das Sono war für mich eindeutig, Niereninsuffizienz. Der Hochdruck und die Eiweißausscheidung sind die letzten Puzzleteilchen. Auch sie ist zum Sterben nach Hause gegangen.<br /><br />Da zwei unserer Mitarbeiter mit Malaria flach liegen, habe ich begonnen, mich um die jammernden Kerle zu kümmern. Soldaten wurden rausgeschmissen, da sie nicht die 100 Dinar für die Behandlung zahlen wollten. Gerade die Soldaten bekommen regelmäßig Geld. Die Sprechstunde zieht sich wie zähe Brühe, da mein Übersetzer keine Lust hat und auch sein Englisch sehr zu wünschen lässt. Dann sehe ich alle Fälle, mit denen die anderen nicht klar kommen, unter anderem die Geschlechts- krankheiten. Nervt.<br />Dann die besonders schick gekleideten Damen von den internationalen Organisationen. Drängen sich immer vor und wollen dann so eine Art Krankschreibung, was ich grundsätzlich nie mache.<br /><br />Plötzlich werden mir fünf Leute gebracht, alles Unfallverletzte. Auf Tragen und jämmerlich stöhnend. Hatten aber nur leichte Schnittver-<br />letzungen im Gesicht. Wird alles relativ unsteril genäht, da es von der Logistik nicht anders geht. Schlimm. Da wir Freitags nur bis 13 Uhr arbeiten, Moslemfeiertag, kommen plötzlich etliche von Rückenschmerzen Geplagte in den Raum gedrängt. Da hatte ich die Faxen dicke und habe die Sprechstunde offiziell beendet. Ich habe meinen Blick über die letzten 15 Kerle schweifen lassen. Es war niemand darunter, den ich nicht mit gutem Gewissen hätte gehen lassen können. Dann wird einen querschnittgelähmter junger Mann gebracht, der lange in Khartoum gelegen war. Er wollte von uns gesund gemacht werden. Die medizinischen Unterlagen hatten sie vergessen. Er wollte und konnte nicht verstehen, dass auch ich ihm mit unseren Möglichkeiten nicht helfen kann. Er hatte keinen Dekubitus und sah sonst oberhalb der Gürtel-<br />linie gut aus, so dass er mit dem gecharterten Auto gleich wieder heim konnte. Sie fragten mich, wofür sie dann das Geld für den Transport ausgegeben hätten. Wir haben hier aber wirklich nichts, keine KG oder Ähnliches, was ihm gut getan hätte.<br /><br />Dann Mittagspause. Tomatenbrot und etwas Käse. Ich wollte nur nocheinmal nach meinen Jungs sehen, siehe Bild und dann den freien Nachmittag genießen, bzw. meinen Vortrag für den Samstag vorbereiten. Es kommt ein Auto der Organisation "Save the children" (böse Zungen sagen im Nebensatz „kill the mothers“) und bringen zwei schwerkranke Menschen. Eine Mutter, die vor zwei Tagen zu Hause ihr siebtes Kind geboren hat. Sie ist fast tot, hoch fiebernd, tachypnoeisch. Sie hat eine Malaria und eine Anämie von 4 g/dl, also kaum noch rote Blutkörperchen und ein Kind, was vielleicht den morgigen Tag nicht mehr erleben wird. Es kamen einige Verwandte mit, die Blut spenden mussten, was wir dann transfundierten. Diese Frau war schon lange krank, hat aber nie einen Arzt gesehen.<br /><br />Den zweiten Patienten habe ich ihnen gleich wieder mitgegeben. Er hatte einen Gasbrand an seinem linken Unterschenkel und muss den Oberschenkel amputiert bekommen. Das kann ich nicht und will es auch nicht üben. Unser Anästhesiepfleger hat Malaria und der Einzige mit etwas chirurgischer Erfahrung ist im Urlaub.<br />Die Leute von "Save the children" kennen unsere Situation und kommen trotzdem. „You can do it, he will die anyway”. Ich habe ihm etwas gegen die Schmerzen gegeben und die Leute nach Kadugli, einer größeren Stadt mit einem schlechten Krankenhaus und noch schlechteren Chirurgen, geschickt. Die Fahrt wird sechs Stunden dauern. Der Ärmste hat sich etwas von einem Quacksalber an oder in den Unter-<br />schenkel spritzen lassen. Ich denke nicht, dass er das überlebt.<br /><br />Zu guter Letzt habe ich dann doch noch meinen Vortrag über HIV geschafft und für Petra, eine der Schwestern, und mich Bratkartoffeln aus Süßkartoffeln mit Bohnen gekocht. Gibt es etwa 2 Mal pro Woche. Bald auch nicht mehr, die Bohnen gehen aus.<br /><br />Man ist dann natürlich total müde, die Hitze lässt einen aber nur schwer einschlafen. Manchmal zweifle ich daran, das wirklich sechs Monate aushalten zu können. Ich werde es irgendwann wissen.<br /><br />Euch allen liebe Grüße in das angenehm kühle Deutschland.<br /><br />Euer<br />KlausDr. med. Klaus Eckerthttp://www.blogger.com/profile/07090729118001582566noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3546768395962846580.post-25755891488827537672007-02-18T06:36:00.000-12:002007-02-18T06:53:53.895-12:00Endlich wieder Sonntag<a onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}" href="http://3.bp.blogspot.com/_mjXHVekca8Y/Rdie6kWungI/AAAAAAAAAEY/9FhoTYprZQk/s1600-h/Krankenhaus.JPG"><img style="float:left; margin:0 10px 10px 0;cursor:pointer; cursor:hand;" src="http://3.bp.blogspot.com/_mjXHVekca8Y/Rdie6kWungI/AAAAAAAAAEY/9FhoTYprZQk/s320/Krankenhaus.JPG" border="0" alt=""id="BLOGGER_PHOTO_ID_5032947312615136770" /></a><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br />So eine Sechs-Tage-Woche schlaucht enorm, man kann eigentlich von einer Sieben-Tage-Woche reden. Lediglich am Sonntag ist es ruhiger, da wir nur Notfälle behandeln und ich davon nicht jeden zu sehen brauche. So kann ich mich nach der Visite in meinen sandigen Tukul zurück ziehen und eigentlich die Beine hoch legen, wenn, ja, wenn ich nicht etwas fürs Euch schreiben würde.<br /><br />Unser Arbeitstag beginnt um 8.15 Uhr mit einem morgendlichen Meeting. Dann sitzen schon etwa 100 –150 Patienten unter den Sonnendächern. Teilweise kommen sie schon am Sonntag, da sie 6 bis 8 Stunden zu Fuß gehen müssen. Sie schlafen dann irgendwo auf dem Krankenhausgelände. Da wir Trockenzeit haben, ist nur die Kälte (18-20°C) der Nacht störend. Ein Dach über dem Kopf brauchen sie nicht unbedingt. Sie bringen alles mit, Kochgeschirr etc. und treffen häufig Verwandte von weit her. Leider räumt keiner den eigenen Müll fort, so dass dieser durch die Gegend geweht wird. Das nervt mich immerzu, ist aber für die Menschen hier völlig normal. Sie benehmen sich halt wie zu Hause. Wir haben einen Mann, der etwas Ordnung halten soll, das klappt aber auch nur bedingt.<br /><br />Das Meeting hat den Sinn, dass ich die Mannschaft zu Pünktlichkeit zwingen will, sonst kommt jeder so, wie er will. Außerdem kann ich sehen, wer anwesend ist und wer nicht. Ein Tag Fehlen bedeutet ein Tag weniger Geld. Das wird nicht ohne Diskussion eingesehen. So langsam trägt das System Früchte. Außerdem kann man Ankündigungen machen und auf dem kurzen Dienstweg Anordnungen treffen. Die Asiaten sind ja schon nachlässig, die Sudanesen schlagen diese aber um Längen.<br /><br />Um 8.30 Uhr mache ich meine Visite und sehe dann auch die Neuaufnahmen der Nacht. Die Patientenzimmer sind kleine traditionelle Hütten mit einem gestampften Lehmboden. Darin stehen drei bis vier Bettgestelle mit Matratzen, die sich in Auflösung befinden. Manche Betten haben Moskitonetze. Ich schlage mir noch fast regelmäßig den Kopf am Schilf des Daches beim Eintreten in die Hütte. Ist Gott sei Dank nicht so hart. In der Hütte ist es Dunkel wie im Pavianhintern. Sinnvolle Untersuchungen sind dort nicht möglich. Außerdem muss man aufpassen, dass man nicht in die Utensilien der Familie tritt, die sich meistens unter dem Bett des Patienten sammeln. Es sind immer zwei bis drei Familienmitglieder anwesend, die den Kranken versorgen müssen.<br />Unsere Pfleger teilen nur Medikamente aus, messen Fieber oder informieren uns, wenn etwas aus dem Ruder läuft. Der Rest ist Aufgabe der Angehörigen. Diese Einfachheit, solch einen Schmutz habe ich noch in keinem Krankenhaus diverser Organisationen gesehen. In diese Betten legt man die frisch Operierten und hoch fiebernden Kinder. Nach der Entlassung findet keine Reinigung statt, es sei denn, die deutschen Krankenschwestern erledigen diese Aufgabe. Sudanesische Pfleger kommen nie auf die Idee und erledigen einen Auftrag recht widerwillig oder schicken eine Putzfrau. Trotzdem bekommen die Kranken nicht mehr Infektionen als bei uns, und wenn, dann sind sie einfacher zu therapieren als in der westlichen Welt. Ich kann und will mich dennoch nicht an diese Zustände gewöhnen.<br /><br />Dann gibt es noch einen extra Compound für die „Geburtshilfe und Wöchnerinnen“. Dieser liegt etwas abseits und hat noch dunklere Kammern. Die Neugeborenen sehen sicher keinen Unterschied zur gerade entflohenen Gebärmutter. Die Mütter gehen aber noch meistens am Tag der Geburt. Hier werden fast ausschließlich Schwangere versorgt, die an einer Malaria erkrankt sind, was sehr gefährlich für Mutter und Kind ist. Im Moment kümmert sich Petra um das MCH, eine sehr erfahrene Kranken- schwester, die diesen Job jetzt seit sechs Monaten macht.So brauche ich mich dort nur bei Notfällen sehen lassen. Leider geht Petra in drei Wochen, dann habe ich diese Arbeit auch noch an der Backe. Die einheimischen Hebammen sind aber sehr erfahren, so dass normale Geburten ohne mein Zutun laufen. Was die Kaiserschnitte angeht, so habe ich in dieser Woche nochmals zwei gesunden Jungen auf die Welt helfen können. Müttern und Kindern geht es sehr gut, dem Doktor auch. Jetzt, nach dem dritten Eingriff hat sich meine Angstschweiß- produktion sicherlich um die Hälfte reduziert. Ich hoffe, dass ich mich dran gewöhne und meine Aufmerksamkeit nicht einer falschen Sicherheit weicht. Also in drei Wochen schließt sich eine Visite bei den Frauen an.<br /><br />Danach mache ich meine Sprechstunde. Ich will vor allem die Kinder sehen. Die drei anderen Paramediziner, die Sprechstunde halten, schicken mir alle Patienten, die von mir gesehen werden sollten. Über die Qualität dieser Kollegen mal später mehr.<br />Um 13 Uhr ist Mittagspause bis etwa 14 Uhr. Da niemand für uns kocht, muss man sehen, was es zu essen gibt. Ich esse nicht draußen vor der Tür. Die Gründe sind nahe liegend. So gibt es meistens ein Brot und Kaffee, der bald zur Neige geht. Dann gibt es Tee. Um 16 Uhr haben wir die Patienten geschafft und sie uns. Im Schnitt 200 pro Tag. Ich mag nicht daran denken, was da alles übersehen wird.<br /><br />Dann noch einen schnellen Blick auf die stationären Patienten, eine Schöpfdusche<br />und Abendessen, was auch von uns zubereitet werden muss. Cap-Anamur scheint nur die Härtesten zu nehmen. Manchmal fragt man sich schon, wie verrückt man sein muss, um damit leben zu können. Einzig der stumme Dank der bedauernswerten Menschen lässt einen den kommenden Tag fröhlich angehen.<br /><br />Auf bald<br />Euer<br />Klaus<br /><br />Das Foto zeigt das Krankenhaus. Das Steingebäude ist unser OP. Rechts Aim<br />Grünen wohnen wir.Dr. med. Klaus Eckerthttp://www.blogger.com/profile/07090729118001582566noreply@blogger.com0